Viele Eltern wollen ihre Kinder finanziell gleich behandeln. Aus diesem Grund beschenken sie ihre Söhne und Töchter oft gleichzeitig und in gleicher Höhe, aber unterlassen eine eigentliche Nachlassplanung. Typisches Beispiel hierfür ist die Schenkung einer Liegenschaft oder des Familienunternehmens an den einen Nachkommen und von wertmässig entsprechenden Barwerten an den anderen Nachkommen. Für die erbrechtliche Auseinandersetzung sieht der Gesetzgeber vor, dass die Erben verpflichtet sind, alles zur Ausgleichung zu bringen, was sie vom Erblasser – in dem Fall von ihren Eltern – lebzeitig auf Anrechnung erhielten. Grossschenkungen wie die Übertragung von Liegenschaften, Familienunternehmen oder bedeutenden Barvermögen sind bei der Erbteilung regelmässig zu berücksichtigen. Allerdings erfolgt die Anrechnung wertmässig unterschiedlich.
Tückische Wertsteigerung
Derjenige Nachkomme, welcher als Schenkung Barmittel erhielt, hat bei der erbrechtlichen Auseinandersetzung deren Nominalwert zur Ausgleichung zu bringen. Der andere Nachkomme, welcher eine Liegenschaft erhielt, hat diese dagegen zum Verkehrswert per Todestag des Erblassers auszugleichen. Wertveränderungen einer Liegenschaft zwischen dem Zeitpunkt der Schenkung und dem Todestag des Erblassers werden damit bei der erbrechtlichen Auseinandersetzung berücksichtigt, während bei Geldschenkungen üblicherweise nur der ursprüngliche Nominalwert angerechnet wird.
Noch komplexer wird es, wenn einem Nachkommen Unternehmensanteile geschenkt werden. Auch dieser Beschenkte hat sich bei der Ausgleichung den Verkehrswert der Unternehmensanteile per Todestag des Erblassers anzurechnen. Die Anrechnung erfolgt dabei mindestens in dem Umfang, wie eine allfällige Wertsteigerung der Unternehmensanteile auf konjunkturelle Faktoren zurückzuführen ist. Tritt der Nachkomme nach erfolgter Schenkung des Unternehmens in dieses ein und trägt durch seine Tätigkeit zur Wertsteigerung bei, hat er den selbstgeschaffenen Mehrwert des Unternehmens nicht auszugleichen. Praktisch ist es allerdings – vielleicht erst nach Jahrzehnten – beinahe ausgeschlossen, die Gründe für die Wertsteigerung eines Unternehmens noch zu bestimmen.
«Die blosse Gleichbehandlung zu Lebzeiten genügt nicht.»
Man sieht: Eine erbrechtliche Planung ist unerlässlich, um Konflikte zu vermeiden. Empfehlenswert ist es etwa, den Ausgleichungswert einer Schenkung vertraglich festzuhalten. Sind Pflichtteilsverletzungen zu befürchten, beispielsweise weil hohe Wertsteigerungen eines Unternehmens absehbar oder die übrigen Vermögenswerte gering sind, ist es ratsam, sämtliche Erben in die Unternehmensnachfolge einzubeziehen und diese mittels Abschluss eines Erbvertrages zu regeln. Andernfalls besteht die Gefahr, dass derjenige Nachkomme, welcher das Unternehmen geschenkt erhielt, später mit Forderungen seiner Geschwister konfrontiert wird. Dies kann schlimmstenfalls zum Verkauf des Unternehmens führen, wenn keine anderen Mittel zur Verfügung stehen, um die Ansprüche der Geschwister zu befriedigen.
Ähnliches gilt auch bei gemischten Schenkungen, beispielsweise wenn ein Nachkomme die elterliche Liegenschaft oder das Familienunternehmen zu einem Vorzugspreis käuflich erwirbt.
Beim Abschluss von Erbverträgen treffen den Erblasser Aufklärungspflichten. Wer mit oder ohne Gegenleistung einen Erbverzicht leisten soll, muss in der Lage sein, einzuschätzen, worauf er verzichtet. Deshalb ist der Erblasser verpflichtet, über den aktuellen Stand seines Vermögens und, sofern absehbar, über Chancen und Risiken der Vermögensentwicklung aufzuklären. Dies umfasst neben einer Aufklärung über das aktuelle Vermögen auch die Information über absehbare Perspektiven sowie Chancen und Risiken der Vermögensvermehrung oder -verminderung. Unterlässt der Erblasser die Aufklärung über seine Vermögensverhältnisse, besteht die Gefahr der späteren Anfechtung des Erbvertrags. Aus Beweisgründen empfiehlt es sich, den Umfang und die Höhe des Vermögens des Erblassers im Erbvertrag detailliert festzuhalten. Auch hier besteht ohne spezifische erbrechtliche Vorkehrungen die Gefahr, dass die Differenz zwischen dem Verkehrswert der Liegenschaft oder dem Familienunternehmen und dem aus familiären Gründen zu tief angesetzten effektiven Veräusserungspreis bei der Erbteilung anzurechnen ist. Dies kann, gerade bei grossen Wertsteigerungen, zu unvorhergesehenen Ausgleichszahlungen führen.
Ist eine Nachlassplanung dann einmal verbindlich festgehalten, tun die Erben gut daran, sich daran zu halten. Ein Erbverzicht oder eine nicht im Testament oder Erbvertrag vorgesehene Regelung kann nämlich – selbst wenn sie einvernehmlich ist – böse Überraschungen in steuerlicher Sicht bergen. Ehegatten und Nachkommen sind in den meisten Kantonen von Schenkungs- und Erbschaftssteuern befreit. Derjenige Erbe, der bei der Erbteilung von spontanen Gegebenheiten wie dem Verzicht eines Miterben profitiert, erhält nicht nur seinen eigentlichen Erbteil, sondern eine zusätzliche sogenannte (Quer-)Schenkung von einem Miterben. Steuerrechtlich werden solche Vorgänge derart erfasst, dass der verzichtende Erbe die auf ihn entfallende ordentliche Erbschaftssteuer schuldet, während der beschenkte Miterbe einerseits die Erbschaftssteuer für seinen Erbteil und andererseits Schenkungssteuern für die Querschenkung vom Miterben schuldet. Die Höhe der Schenkungssteuer richtet sich nach dem Verwandtschaftsgrad zwischen dem verzichtenden und dem beschenkten Erben und nach der Höhe des Verzichts.
In der Praxis am häufigsten sind Fälle, in denen Eltern ihren Kindern letztwillig bestimmte Vermögenswerte vererben wollen, aber die Kinder die Vermögenswerte später anders aufteilen. In diesen Fällen fallen zwar meist keine Erbschaftssteuern an, weil Vermögensübergänge zwischen Eltern und Kindern steuerfrei sind. Die Querschenkungen zwischen den Geschwistern werden aber je nach Kanton mit 4 bis 23 Prozent besteuert.
«Ein Erbverzicht kann böse Überraschungen in steuerlicher Sicht bergen.»
Oliver Arter ist Counsel bei der internationalen Anwaltskanzlei Froriep in Zürich. Samuel Ramp praktiziert als Anwalt bei der Kanzlei Fischer Ramp Partner AG.