Verstand oder Gefühl? Beim Anlegen lieber Ersteres

Das Wichtigste in Kürze

  • Menschen tendieren dazu, den Ist-Zustand gegenüber Neuem zu bevorzugen. Auf dem Finanzmarkt sind solche Tendenzen hinderlich. Können wir uns kein objektives Bild mehr machen, übersehen wir mögliche Alternativen, Chancen oder Risiken.
  • Manchmal geht das Gesamtbild bei Entscheidungen verloren. Dabei gewinnen wir meist mehr, wenn wir die Gesamtheit an Informationen beachten und sie abwägen.
  • Wir bevorzugen oft vermeintlich Bekanntes wie den Heimmarkt und verlieren dabei den Fokus auf die Diversifikation.
  • Teste Sie Ihr Wissen am Ende des Artikels.

Status-quo-Bias? Seien Sie offen für Veränderungen

Sie möchten Ihre Krankenkasse nicht wechseln, obwohl ein anderer Anbieter ein besseres Angebot bereitstellt? Das liegt vielleicht an der Status-quo-Verzerrung (engl. status quo bias).

Der Status-quo-Bias bedeutet, dass Menschen sich mit Veränderungen schwertun. Wir bevorzugen die aktuellen Gegebenheiten, weil wir uns vor Neuem fürchten oder Alternativen schlichtweg nicht einschätzen können.

Die Forscher Wiliam Samuelson und Richard Zeckenhauser demonstrierten den Status-quo-Bias anhand eines Experimentes: Sie gaben ihren Probandinnen und Probanden eine hypothetische Wahlaufgabe, in der kein Status quo vorhanden war. Die Aufgabe definierte sich wie folgt: «Sie sind eine seriöse Leserin der Finanzseiten, aber bis anhin hatten Sie nur wenig Mittel zum Investieren. Doch dann erben Sie eine grosse Summe an Geld von Ihrem Grossonkel. Nun fassen Sie verschiedene Investitionsmöglichkeiten ins Auge. Ihre Auswahl besteht aus einer Investition in a) ein Unternehmen mit moderatem Risiko, b) ein Unternehmen mit hohem Risiko, c) Staatsanleihen und d) Kommunalanleihen.»

Andere Probandinnen und Probanden erhielten dieselbe Aufgabe, jedoch wurde bei ihrem Text ein Status quo festgelegt – das Erbe des Onkels war bereits grösstenteils in das Unternehmen mit moderatem Risiko investiert. Das Experiment zeigte auf, dass die Alternative, in eine Unternehmung mit moderatem Risiko zu investieren, beliebter wurde, wenn diese als Status quo definiert war. Der Status-quo-Bias scheint tatsächlich unsere kognitiven Entscheidungsprozesse beim Anlegen zu beeinflussen.

Der Status-quo-Bias kann zu kognitiven Verzerrungen der Entscheidungen auf dem Finanzmarkt führen, da Anlegerinnen und Anleger nicht von ihrem gewohnten, aber vielleicht weniger erfolgreichen Weg abkommen können. Wenn Sie also vielen Optionen und komplexen Entscheidungen ausgesetzt sind, tendieren Sie wahrscheinlich dazu, die Option zu wählen, die Ihre momentane Situation verlängert – ungeachtet davon, welcher der Anlageentscheide Ihnen am meisten verspricht.

Die Verzerrung hängt auch mit der Verlustaversion und Aversion vor Reue zusammen – also der Angst vor Verlusten oder Reue, falls Sie etwas Neues ausprobieren. Seien Sie also wachsam und hinterfragen Sie den Status quo sowie Ihr eigenes Verhalten. Zwar kann sich Altes bewähren, es muss aber nicht.

Tipps:

  • Überlegen Sie sich, wie Sie entscheiden würden, wenn es keinen Status quo gäbe.
  • Notieren Sie Ihr Ziel und überlegen Sie sich, mit welcher Entscheidung Sie eher ans Ziel kommen werden.
  • Betrachten Sie den Status quo aus einem negativen Blickwinkel – wofür entscheiden Sie sich jetzt?

Narrow Framing Bias: Wagen Sie den Blick über den Tellerrand

Menschen verlieren manchmal den Gesamtblick und werden engstirnig, wenn sie gleich mehrere Entscheide zur selben Zeit treffen müssen. Dieses Phänomen nennt sich Narrow Framing Bias – auf Deutsch enger Rahmeneffekt.

Gemäss Narrow Framing Bias tendieren wir dazu, Ereignisse isoliert zu betrachten – auch bei Anlageentscheidungen. Anlegerinnen und Anleger, die unter solchen «narrow frames» stehen, könnten bei grossen Marktschwankungen kurzsichtig reagieren. So betrachten sie nicht die gesamten Informationen ihres Anlageportfolios, um einem längerfristigen Plan zu folgen, sondern urteilen basierend auf einer einzelnen Information. Isolierte Betrachtungen können zu falschen Schlüssen und unüberlegten Entscheidungen führen.

Tipps:

  • Investieren Sie auf Grundlage eines strukturierten Ansatzes und erstellen Sie einen längerfristigen Anlageplan, der Ihre finanziellen Ziele und Wünsche berücksichtigt.
  • Handeln Sie nicht aus Angst oder anderen (negativen) Emotionen.
  • Diversifizieren Sie Ihr Portfolio.
  • Richten Sie Ihr Portfolio mit einem Portfolio-Rebalancing regelmässig nach der ursprünglichen Struktur aus.

Home Bias: Investieren Sie nicht nur in den Heimmarkt

Ist Ihr Portfolio gefüllt mit Schweizer Aktien? Dann könnten Sie unter einem Home Bias, einer Heimmarktneigung, stehen. Dieser besagt, dass wir den inländischen Markt besser zu kennen glauben und somit die momentane Lage und die Entwicklungen in Zukunft besser einzuschätzen und vorherzusagen vermögen.

Dabei ist es heutzutage viel einfacher, in ausländische Titel anzulegen: Internationale Finanzmedien und das Internet ermöglichen es, sich differenziert über ausländische Märkte und ihre Entwicklung zu informieren. Wenn Anlegerinnen und Anleger konsequent inländische Titel bevorzugen, widerspricht dies einem rationalen Verhalten.

Eine Bevorzugung gemäss Home Bias führt meist zu ungenügender Diversifikation im Portfolio. Nehmen Sie an, Sie hätten zu 80 Prozent Schweizer Aktien in Ihrem Portfolio und es kommt zu einem Negativschock im inländischen Markt, wie zum Beispiel Anfang 2015, als die Schweizerische Nationalbank den Euro-Mindestkurs aufhob.

Oder der nationale Markt schwächelt aufgrund konjunktureller Gegebenheiten im Inland. Dann werden Sie mit Ihrem wenig differenzierten Portfolio die Konsequenzen rasch und direkt spüren. Es empfiehlt sich daher, nicht alle Eier in denselben Korb zu legen, selbst wenn Sie diesen Korb besser kennen.

Tipps:

  • Lassen Sie sich beraten für eine optimale Anlagestrategie mit breiter Portfoliodiversifikation.
  • Investieren Sie in oder mit Anlagelösungen, die bereits eine Diversifizierung sicherstellen (z.B. diskretionäre Vermögensverwaltungsmandate oder Strategiefonds).
  • Konsumieren Sie auch internationale Finanzmedien und informieren Sie sich über ausländische Märkte.

In der Anfangsgeschichte der Menschheit war es durchaus sinnvoll, den Status quo oder das Heimische hoch zu gewichten. Bei Finanzentscheiden können uns diese über Jahrtausende alten Neigungen in die Quere kommen. Hinterfragen Sie deshalb Ihre Intuition immer mal wieder mit den genannten Tipps.

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Ihr Vater hat schon immer in den gleichen Fonds investiert, hinterlässt Ihnen aber nun die Vollmacht über das Familienvermögen. Ihr Anlageberater gibt Ihnen die Möglichkeit, in eine neue Technologie zu investieren, die gute Voraussetzungen für viel Gewinn verspricht. Sie lehnen jedoch ab und wollen nur in den gleichen Fonds wie Ihr Vater investieren. Welchem Verhaltensmuster folgen Sie?

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