Teilzeitarbeit: Auch eine Frage der Vorsorge
«Welche Auswirkungen hat die Teilzeitarbeit auf die persönliche Vorsorgesituation?» Vorsorgeexpertin Jackie Bauer liefert Antworten.
In der Schweiz ist Teilzeitarbeit seit Langem weitverbreitet, genauso wie die gängige Meinung: «Teilzeitarbeit ist Frauensache». Die Statistiken des BFS bestätigen dies auch nach wie vor, denn fast 60 Prozent der erwerbstätigen Frauen im Vergleich zu nur 20 Prozent bei den Männern haben ein Pensum von weniger als 90 Prozent. Das Arbeitspensum hat natürlich grosse Auswirkungen auf das Erwerbseinkommen und damit auf die finanzielle Situation während des Erwerbslebens − aber eben auch während des Ruhestands.
Das Vorsorgesystem ist geschlechtsneutral
Das Vorsorgesystem ist geschlechtsneutral
Die staatliche Vorsorge, also die 1. Säule oder AHV, soll das Grundeinkommen sichern. Da sie im Umlageverfahren finanziert ist, das heisst, die aktuellen Erwerbstätigen finanzieren mit ihren Beiträgen die Rentenleistungen der Pensionierten, nimmt sie Rücksicht auf Erwerbsunterbrüche zum Zweck von Erziehung und Betreuung. Denn nur wenn es genügend Nachkommen gibt, können wir diese Rente auch nachhaltig finanzieren. Ausserdem lehnt sich die AHV stark an das traditionelle Modell des Ein-Hauptverdiener-Haushalts an.
So gewährt die 1. Säule einer Mehrheit der verheirateten Paare die maximale Rente, wenn einer der Partner die Anforderungen erfüllt, auch wenn der andere Partner wenig oder gar nicht gearbeitet hat. Da die Anzahl Kinder, welche die AHV-Renten in ihrer späteren Erwerbszeit finanzieren, abnimmt, wird sich das Modell der staatlichen Vorsorge in Zukunft jedoch reformieren und mehr von den Erwerbstätigen verlangen müssen. Ein Schritt in diese Richtung war die Erhöhung des Frauenrentenalters im September 2022 mit der Reform AHV 21. Die Details zur Reform lesen Sie in unserem Artikel AHV «AHV 21 angenommen – es bleibt viel zu tunKlicken Sie auf den Link, um zum Artikel «AHV 21 angenommen – es bleibt viel zu tun.» zu gelangen.»
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In der 2. Säule, der beruflichen Vorsorge (BV), werden wir alle sozusagen gezwungen, einen Teil unseres Erwerbseinkommens für später auf die Seite zu legen. «Du bist, was du isst», sagt ein Sprichwort. In der beruflichen Vorsorge könnte man sagen: «Du hast, was du schaffst». Das Erwerbseinkommen und die vom Arbeitgeber offerierten Leistungen sind also direkt relevant für das Altersguthaben. Ein geringeres Pensum fällt schon nur wegen des tieferen Einkommens ins Gewicht. Erschwerend kommt aber hinzu, dass die Gesetzgebung eine Eintrittsschwelle für die berufliche Vorsorge bei 21 510 Franken Lohn pro Jahr vorsieht (Stand neu: 2024), tiefere Einkommen müssen nicht berücksichtigt werden. Ausserdem wird die Versicherung zwischen AHV und BV durch den Koordinationsabzug (Stand neu 2024: 24 416 Franken) kombiniert.
Damit will man einen doppelten Versicherungsschutz vermeiden, also den Teil des Lohns, der in der 1. Säule versichert ist, nicht nochmals in der 2. Säule versichern. Somit sind viele Personen mit geringem Erwerbseinkommen gänzlich oder teilweise von der beruflichen Vorsorge ausgeschlossen. Klar ist aber auch: Es liegt nicht nur am Vorsorgesystem, dass die Statistiken zwischen sozioökonomischen Gruppen Unterschiede in der Rentensituation aufweisen, sondern ebenso an den sozialen und traditionellen Familien- und Arbeitsmodellen.
Langfristig denken
Langfristig denken
Die Beweggründe für Teilzeitarbeit sind vielfältig. Wer sich dafür entscheidet, sollte dies jedoch bewusst tun und nicht nur die kurzfristigen, sondern auch die langfristigen Auswirkungen berücksichtigen. Kurzfristig überwiegt beispielsweise das Argument, dass staatliche Kinderbetreuung spärlich vorhanden und private Kinderbetreuung sehr teuer ist. Somit ist entweder die zeitliche Einschränkung nicht mit einem Beruf vereinbar oder unter dem Strich bleibt Ende des Monats (zu) wenig im Portemonnaie. Auf lange Sicht gesehen, gehen dabei allerdings die Beträge an die Vorsorge vergessen, und zwar nicht nur die eigenen, sondern auch diejenigen, die ein Arbeitgeber tätigt. Ausserdem ist es wichtig, längere Erwerbsunterbrüche möglichst zu vermeiden oder sich beruflich weiterzubilden, um lebenslang die Chancen am Arbeitsmarkt zu erhalten.
Wenn wir in die Zukunft schauen und absehbare Trends berücksichtigen, wird deutlich: Teilzeitarbeit ist kein ausschliessliches Frauenthema mehr. Heute arbeiten zwar weniger Frauen Vollzeit als noch vor zehn Jahren, obwohl sie im Schnitt weniger Kinder haben. Aber während vor einer Dekade nur zehn Prozent der Männer Teilzeit arbeiteten, ist diese Zahl heute fast doppelt so hoch. Dies liegt daran, dass die Arbeit in Beruf und Haushalt zunehmend egalitär unter den Partnern aufgeteilt wird. Gleichzeitig verbreitet sich die Ansicht unter jüngeren Menschen, dass man nicht nur arbeiten, sondern auch das Leben geniessen sollte. Dies zeigt sich an längeren oder wiederkehrenden Auszeiten, längeren Ausbildungszeiten oder einer kürzeren Arbeitswoche. Auch bei älteren Personen, sogar über das offizielle Rentenalter hinaus, hat die Teilzeitarbeit zugenommen. Das heisst, die anfangs erwähnte Kluft, die die Statistiken zwischen Mann und Frau aufzeigen und die zu einem grossen Teil auf die unterschiedlichen Arbeitspensen zurückzuführen ist, sollte sich mit der Zeit verringern.
Gleichzeitig bedeutet es aber auch, dass die Altersvorsorge für alle ein zunehmend wichtiges Thema wird. Vorsorgen heisst, heute an morgen zu denken. Grössere Entscheidungen im Leben sollen nicht nur kurzfristig, sondern auf lange Sicht getroffen werden. Das Erstellen eines Budgets ist dazu hilfreich, um zu wissen, welche essenziellen oder vielleicht auch verzichtbaren Ausgaben anfallen. Weiter sollte man das Vorsorgesystem kennen, sowie eine Vorausberechnung der AHV- und PK-Rente anfordern, um Ausgaben und Einnahmen gegenüberstellen zu können. So kann man bewusst entscheiden: Wie viel brauche ich für ein glückliches Leben, sowohl heute als auch morgen, und wie teile ich diese Ressourcen ein? Dann kann man gut vorbereitet und mit ruhigem Gewissen weniger arbeiten und Statistiken links liegen lassen.
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