Zürich, 25. Januar 2024 – In der Schweiz arbeiten vor allem Frauen Teilzeit. Gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) arbeiteten 2022 rund 30 Prozent der alleinstehenden Frauen ohne Kinder Teilzeit, bei den Männern waren es nur etwa 15 Prozent. Während Väter nicht häufiger Teilzeit arbeiten als Männer ohne Kinder, führt die Mutterschaft bei Frauen zu einer Veränderung der Erwerbstätigkeit. Rund ein Fünftel der Mütter ist nicht erwerbstätig; von den erwerbstätigen Müttern arbeiten 80 Prozent Teilzeit mit einem durchschnittlichen Pensum von rund 60 Prozent. Teilzeitarbeit führt einerseits zu geringeren individuellen Vorsorgeleistungen und beeinflusst andererseits die umlagefinanzierte AHV. Wie hoch die Einzahlungen der Erwerbstätigen sind, hängt nicht nur von deren Lohnentwicklung, sondern auch von deren Pensum ab.
Haushaltstyp entscheidend für Grösse der Vorsorgelücke
Eine Pensumsreduktion hat sowohl direkte als auch indirekte Folgen für das Einkommen. Vor allem letztere werden bei der Entscheidung für die Teilzeitarbeit nicht ausreichend in Betracht gezogen. In erster Linie entstehen Lohneinbussen, zusätzlich kann jedoch die zukünftige Lohnentwicklung beeinflusst werden. Ein tieferes Erwerbseinkommen bedeutet deshalb für Alleinstehende ohne Kinder meist eine tiefere AHV-Rente sowie geringere Ersparnisse in der 2. und 3. Säule (Abbildung 1). Zudem sinkt die Sparkapazität oft überproportional zum Einkommen – in der beruflichen Vorsorge dann, wenn ein fixer Koordinationsabzug angewandt wird, und in der privaten Vorsorge, weil die Lebenshaltungskosten selten parallel zum Erwerbseinkommen sinken. Die entstehende Lücke in den Sparbeträgen vergrössert sich zudem durch den ausbleibenden Zinseszins.
Ob die resultierende Vorsorgelücke grösser ausfällt als die über das gesamte Erwerbsleben gerechnete durchschnittliche Pensumsreduktion, ist abhängig vom Haushaltstyp. In einer neuen Vorsorgestudie «Teilzeit: Auswirkungen auf die Altersvorsorge» zeigen UBS-Ökonomen am Beispiel einer alleinstehenden Person ohne Kinder und eines Ehepaars mit zwei Kindern auf, zu welchen Vorsorgelücken Teilzeitbiografien führen können. Während Teilzeit für Alleinstehende ohne Kinder meist zu überproportionalen Vorsorgelücken im Vergleich zur Pensumsreduktion führt, ist dies bei Paaren nicht immer der Fall. «Interessanterweise kann Teilzeit im Zusammenhang mit einkommensabhängigen Kita-Subventionen dazu führen, dass kaum Rentenlücken entstehen», erklärt Elisabeth Beusch, Ökonomin bei UBS. Der Grund dafür sei, dass die privaten Ersparnisse dank der durch die Verringerung der Erwerbstätigkeit eingesparten Kinderbetreuungskosten weniger stark belastet werden. Dadurch können im Vergleich zur Vollzeit-Erwerbstätigkeit höhere Vorsorgeleistungen der 3. Säule resultieren, die die Einbussen der 2. Säule abfedern. Hohe Kinderbetreuungskosten erhöhen den finanziellen Anreiz für Eltern, in Teilzeit, anstatt in Vollzeit zu arbeiten.
AHV-Finanzierungslücke neben Demografie auch von Arbeitsmarktbeteiligung abhängig
Die Arbeitsmarktbeteiligung widerspiegelt sich nicht nur auf individueller Ebene in den Renteneinkommen. Aus Sicht des Drei-Säulen-Systems ist vor allem die umlagefinanzierte 1. Säule stark vom Arbeitsmarkt – den Pensen und Löhnen – abhängig. In einer zweiten UBS-Studie in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Generationenverträge der Universität Freiburg im Breisgau «AHV 2030 – Arbeitsmarktszenarien zur fiskalischen Nachhaltigkeit der AHV» haben UBS-Ökonominnen untersucht, wie sich eine veränderte Arbeitsmarktbeteiligung auf die AHV-Finanzierungslücke auswirken würde (Abbildung 2). Ausgehend von der heutigen Finanzierungslücke, die auch nach der Reform AHV 21 noch etwa 600 Milliarden Franken beträgt, würde eine steigende Erwerbsbeteiligung der Frauen diese leicht reduzieren. Umgekehrt würde eine tiefere Erwerbsbeteiligung der Männer, selbst bei Mehrarbeit der Frauen, die Lücke vergrössern. Dies ist auf die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen zurückzuführen. «Für die AHV sind die Gesamteinnahmen ausschlaggebend, diese sind stärker vom Erwerbseinkommen und der Anzahl Erwerbstätigen als von Änderungen bei den Erwerbspensen getrieben», erklärt Jackie Bauer, Ökonomin bei UBS. Einen leicht positiven Effekt hätte ein langsameres Ausscheiden von älteren Erwerbstätigen aus dem Arbeitsmarkt; heute verringern sie schon zumeist vor dem Erreichen des Referenzaltes ihre Erwerbsbeteiligung deutlich.
Der Arbeitsmarkt wird sich wie die Gesellschaft auch in den nächsten Jahren einem Wandel unterziehen. Auch wenn eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Arbeitskräften beispielsweise durch eine Erhöhung des Rentenalters weiterhin am meisten Potenzial für die Wirtschaft bietet, wird die staatliche Vorsorge mit gegenläufigen Trends umgehen müssen. Beispiele sind das Verlangen nach einer besseren Work-Life-Balance etwa durch eine Vier-Tage-Arbeitswoche oder die vermehrte Kinderbetreuung durch Männer. «Diese Szenarien zeigen, dass Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt allein die AHV-Finanzierungslücke nicht schliessen können, sondern sie sogar vergrössern könnten. Somit sind weitere Strukturreformen der AHV dringend nötig», erläutert Veronica Weisser, Ökonomin bei UBS.
Abbildung 1: Auswirkungen von Teilzeit auf die drei Säulen der Vorsorge einer erwerbstätigen Person
Abbildung 1: Auswirkungen von Teilzeit auf die drei Säulen der Vorsorge einer erwerbstätigen Person
Schematische Übersicht der Effekte der Teilzeitarbeit auf die persönlichen Vorsorgeleistungen
Abbildung 2: AHV-Finanzierungslücke mit Arbeitsmarktszenarien
Abbildung 2: AHV-Finanzierungslücke mit Arbeitsmarktszenarien
Szenarien basierend auf den Bevölkerungsprognosen des BFS, in Prozent des Bruttoinlandprodukts, Basisjahr 2019, Produktivitätswachstum = 1,1 Prozent, realer Zinssatz = 2,1 Prozent
UBS Switzerland AG
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Dr. Elisabeth Beusch, elisabeth.beusch@ubs.com
James Mazeau, CFA, james.mazeau@ubs.com
Jackie Bauer, CFA, jackie.bauer@ubs.com
Dr. Veronica Weisser, veronica.weisser@ubs.com
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