(Shutterstock)

Die durch Konjunkturmassnahmen ausgelöste Aktienrally in China setzte sich am Montag fort. Der inländische CSI 300 Index stieg um zusätzliche 7,2%, während der Offshore-Index Hang Seng um 3,5% und sein Teilindex für Technologiewerte um 7,6% zulegten. Im jüngsten Schritt der aktuellen Konjunkturimpulse gab die chinesische Zentralbank am Sonntagabend bekannt, die Hypothekenzinsen für Eigenheimkredite zu senken, die vor dem 31. Oktober abgeschlossen wurden. Gleichzeitig kündigten die erstrangigen Städte Guangzhou, Shanghai und Shenzhen an, die Einschränkungen für Eigenheimkäufe zu lockern. Diese Ankündigungen folgen auf die Massnahmen der Vorwoche, als die Geldpolitik überraschend deutlich gelockert wurde und die politischen Entscheidungsträger mehr Entschlossenheit zeigten, indem sie Massnahmen zur Unterstützung des inländischen Aktienmarktes und des angeschlagenen Immobilienmarktes beschlossen.

Angesichts der Geschwindigkeit und des Ausmasses der Aktienrally während der letzten Woche sind die kurzfristigen Aussichten unseres Erachtens nun ausgeglichener:

Chinesische Aktien haben mehr Spielraum für eine Neubewertung. Am deutlichsten zeigte sich die durch Konjunkturmassnahmen ausgelöste Stimmungsänderung am chinesischen Aktienmarkt. Im MSCI China Index stieg das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der erwarteten Gewinne der nächsten zwölf Monate von seinem Zyklustief bei 8,9x auf rund 10,6x. Dies ist zwar ein ausgeprägter Zuwachs, doch das KGV liegt damit immer noch unter dem im Mai erreichten Bewertungshoch des laufenden Jahres von 10,7x sowie unter dem Höchstwert nach der Pandemie, der im Januar 2023 bei 11,8x erreicht wurde. Dass der Zeitpunkt dieser Unterstützungsmassnahmen mit dem Beginn des Zinssenkungszyklus in den USA zusammenfällt, dürfte für zusätzlichen Auftrieb am Aktienmarkt führen und den Spielraum für eine geldpolitische Lockerung erhöhen. Die Konjunkturimpulse für den Konsum und die Industrieaktivitäten dürfte auch dazu beitragen, die Abwärtskorrekturen der Gewinne zu beenden. Die Gewinnrevisionen tendieren ohnehin bereits stabiler, mit einigen leichten Aufwärtskorrekturen.

Um die Rally aufrechtzuerhalten, muss nun nachgefasst werden. Anlegerinnen und Anleger, die ein Engagement in China erwägen, sollten auch beachten, dass der vollständige Geltungsbereich, der Umfang und die Umsetzung der Impulse unsicher bleiben. Überdies dürfte aus Wachstumssicht eine zusätzliche fiskalpolitische Unterstützung des Immobilienmarktes erforderlich sein, damit eine fundamentale Trendwende erreicht werden kann. Frühere Aktienrallys wie im Mai 2023 versandeten, als bedeutende Stützungsmassnahmen oder politische Änderungen die ursprünglichen Erwartungen nicht erfüllten. Unser eigener Optimismus ergibt sich nun zum Teil daraus, dass wir eine beträchtliche zusätzliche Unterstützung sowohl in fiskal- als auch geldpolitischer Hinsicht erwarten. So rechnen wir bis zum Ende des 1. Halbjahres 2025 mit einer Kürzung des Mindestreservesatzes der Banken um 50 bis 100 Basispunkte und Leitzinssenkungen um 20 bis 50 Basispunkte. Wir erwarten auch mehrere fiskalpolitische Unterstützungsrunden im Umfang von CNY 2 bis 5 Bio., die sich auf bezahlbares Wohnen und Investitionen in die soziale Wohlfahrt konzentrieren dürften. Falls die Unterstützung umfangreich genug ausfällt, könnten die BIP-Wachstumsziele in den kommenden Jahren auf dem von Peking bevorzugten Niveau von 5% verankert bleiben.

Die Furcht, etwas zu verpassen, ist indes keine Anlagestrategie. Das Tempo der Rally stiess weltweit auf Aufmerksamkeit und veranlasst derzeit viele Anleger, ihre negativen Wachstumserwartungen für China zu überdenken. Wie wir bereits ausgeführt haben, sind wir der Meinung, dass es sich bei diesen Massnahmen um einen potenziellen Wendepunkt für China handeln könnte. Gleichzeitig sind Tempo und Ausmass der ursprünglichen Kursbewegung ein Hinweis auf weltweite Deckungskäufe, doch letztlich bleibt China ein kleineres Segment des weltweit investierbaren Aktienmarktes. Selbst bei einer Berücksichtigung der bisherigen Rally chinesischer Aktien sind Schwellenländeraktien gegenüber ihren Pendants der Industrieländer im bisherigen Jahresverlauf per Freitag auf Basis der Gesamtrendite zurückgeblieben. Bei einer Betrachtung der letzten Jahre ist dieser Abstand noch deutlicher. Indem China seine Konjunkturmassnahmen gerade jetzt beginnt, könnte das Land versuchen, Wachstumsrisiken aufgrund der US-Wahlen vorzubeugen. Potenzielle harte Exportzölle einer zweiten Präsidentschaft von Donald Trump oder zusätzliche Beschränkungen aus Gründen der nationalen Sicherheit sowie Einschränkungen des Technologiesektors unter Joe Biden und Kamala Harris bleiben jedoch sehr reelle Möglichkeiten.

Insgesamt sind wir also optimistischer als zu Beginn der letzten Woche, weil die Massnahmen besser koordiniert sind und entschlossener umgesetzt werden. Die weitere Entwicklung wird unseres Erachtens aber vom relativen Ausmass der fiskalpolitischen Unterstützung, der politischen Umsetzung und den Kapitalmarktkäufen abhängen. Für das 4. Quartal rechnen wir mit einem zusätzlichen Aufwärtspotenzial chinesischer Aktien im niedrigen einstelligen Prozentbereich und dem Risiko einer Volatilität durch die US-Wahlen. In Abhängigkeit von der Handelspolitik der neuen US-Regierung sehen wir für das Jahr 2025 ein Aufwärtspotenzial im hohen einstelligen Bereich.

Anlegern, die ein zusätzliches Engagement in chinesischen Aktien anstreben, empfehlen wir, sich über führende Internet- und Konsumtitel auf Wachstumswerte zu konzentrieren. Bedeutende Internetplattformen wiesen in ihren jüngsten Gewinnmeldungen starke Margenverbesserungen aus und dieser Trend wird sich unseres Erachtens fortsetzen. Sollten die Impulse eine Trendwende des Konsums auslösen, dürften davon auch die Umsätze führender Unternehmen im Internetsektor profitieren. Um anhaltende Risiken – auch seitens der Geopolitik – zu berücksichtigen, behalten wir überdies ein gewisses Engagement in defensiven Staatsunternehmen mit hoher Rendite bei, das sich auf die Sektoren Telekommunikation, Energie, Versorgung und das Finanzwesen konzentriert. In asiatischen Fixed-Income-Portfolios empfehlen wir Anlegern, von chinesischen Staatsanleihen in andere asiatische Qualitätsanleihen in lokaler Währung umzuschichten. Über China hinaus dürften ausgewählte Qualitätsaktien, die empfindlich auf das Wachstum und den Konsum Chinas reagieren, nach unserem Dafürhalten ebenfalls von den Massnahmen zur Konjunkturbelebung profitieren. Beispiele für solche Titel sind diversifizierte australische Bergbauunternehmen und Konsumtitel, führende nordasiatische Technologieunternehmen und europäische Luxuswerte. Wir empfehlen Anlegern zudem, ihr CNY-Engagement vor den US-Wahlen abzusichern.

Disclaimer