In der aktuellen Ausgabe unseres Monthly Letter untersuchen wir, welche Faktoren die langfristigen Renditen in die Höhe getrieben haben und wie sie sich vermutlich weiter entwickeln werden. (UBS)

Das Haushaltsdefizit der USA wächst, die Treasury-Emissionen nehmen stärker zu als erwartet, Fitch hat den USA das Spitzenrating von AAA entzogen und die Rendite der 10-jährigen US-Treasuries ist von 3,3% im Mai auf 4,8% Anfang Oktober gestiegen. In den letzten Tagen haben die Renditen zwar wieder etwas nachgegeben. Doch die Frage bleibt: Sind die «Anleihenwächter» zurück? Der Begriff wurde in den Achtzigerjahren geprägt. Er bezeichnet Anleihenanleger, die Positionen in Staatsanleihen von Ländern verkaufen, deren Haushaltspolitik als verschwenderisch angesehen wird.


Wir räumen zwar ein, dass wir uns in einer Phase der erhöhten Besorgnis über die Haushaltslage der USA befinden, sind aber überzeugt, dass die Aussichten für die Treasury-Renditen stärker vom Wachstum der US-Wirtschaft abhängen als von Bedenken über das staatliche Haushaltsdefizit.


In der aktuellen Ausgabe unseres Monthly Letter untersuchen wir, welche Faktoren die langfristigen Renditen in die Höhe getrieben haben und wie sie sich vermutlich weiter entwickeln werden. Unserer Ansicht nach werden die Treasury-Renditen von verschiedenen Faktoren beeinflusst: der Angebots- und Nachfragedynamik, den Markterwartungen zur Inflation und den allgemeinen Erwartungen an das Wachstum sowie die Reaktionsfunktion der US-Notenbank. Wir betrachten diese Faktoren der Reihe nach:


Unseres Erachtens wird die Nachfrage nach US-Treasuries das wachsende Angebot abdecken. Das über Erwarten hohe Angebot an Staatsanleihen zur Finanzierung des Haushaltsdefizits der USA hat offenbar zu den höheren Anleihenrenditen in den letzten Monaten beigetragen. Doch obwohl das höhere Treasury-Angebot kurzfristig Aufwärtsdruck auf die Renditen ausüben könnte, sind wir letztendlich der Ansicht, dass die Nachfrage nach Treasuries ausreichend stark bleiben dürfte, um das zusätzliche Angebot abzudecken. Die Besorgnis, dass japanische und chinesische Anlegerinnen und Anleger ihre Bestände verkaufen könnten, sehen wir als übertrieben an. Ein bedeutender Anteil der Treasury-Nachfrage ist auch preisunempfindlich – da sie auf regulatorischen Anforderungen oder dem Bedarf an Sicherheiten beruht. Vor allem aber kann die Fed, wenn dies nötig werden sollte, als Käufer eintreten und ist auch dazu bereit, um die Stabilität des Marktes sicherzustellen.


Die Inflationserwartungen bleiben verhalten. Die anhaltende und überraschend hohe Inflation war zwar definitiv der ursprüngliche Auslöser für die höheren Zentralbanksätze und Anleihenrenditen. Zum jüngsten Anstieg der Renditen hat die Inflation unserer Meinung nach aber nicht wesentlich beigetragen. In den letzten Wochen sind die 10-jährigen Break-even-Inflationsraten der USA stabil geblieben und zum Zeitpunkt der Niederschrift lagen sie bei 2,31%. Der Gesamt-Konsumentenpreisindex der USA stieg im September im Vergleich zum Vorjahr um 3,7% – unverändert zum August. Doch die Kerninflation (ohne Nahrungsmittel- und Energiepreise) verlangsamte sich von 4,3% auf 4,1%.


Das robuste Wachstum der US-Wirtschaft war ein wichtiger Treiber für den jüngsten Renditeanstieg. Da die strukturelle Nachfrage nach US-Treasuries mit dem Angebot Schritt halten dürfte und die Inflation nicht nennenswert zu den jüngsten Bewegungen der Renditen beigetragen hat, bleibt im Ausschlussverfahren nur das Wirtschaftswachstum als massgeblicher Renditetreiber übrig. Weil sich die US-Wirtschaft als widerstandsfähig erwiesen hat, eskomptierten die Anleger eine «längere Zeit mit höheren Zinssätzen» der Fed und schlossen eine Rezession aus. Wir rechnen aber dennoch mit einer Verlangsamung des Wachstums. Die US-Konsumenten dürften ihr Geld vorsichtiger ausgeben, da sich die höheren Zinssätze weiter auf die Wirtschaft auswirken und sich der Arbeitsmarkt abkühlt. Die Unternehmensinvestitionen werden angesichts der höheren Kreditkosten voraussichtlich ebenfalls nicht mit dem aktuellen Tempo fortgesetzt.


Was bedeutet das alles für die Anleger? Mit Blick auf die weitere Entwicklung rechnen wir mit einem Rückgang der Renditen, da sich das US-Wachstum verlangsamt, während die Fed ihre Straffung beendet und später im nächsten Jahr mit der Lockerung ihrer Geldpolitik beginnen wird. In unserem Basisszenario rechnen wir mit einem Rückgang der Rendite 10-jähriger US-Treasuries auf 3,5% bis zum Juni 2024. Wir bevorzugen noch immer höherwertige Segmente des Anleihenmarktes, wie erstklassige Anleihen (Staatspapiere) und Investment-Grade-Anleihen.


Am Aktienmarkt erkennen wir ebenfalls Aufwärtspotenzial. Im Vergleich zu anderen Märkten (wie den Schwellenländern), wo wir eine bessere Werthaltigkeit erkennen, beurteilen wir den US-Aktienmarkt zwar mit «Least Preferred». Dennoch gehen wir in unserem Basisszenario davon aus, dass der S&P 500 bis zum Juni des nächsten Jahres auf 4500 Punkte steigt. Unsere Sektorpräferenzen umfassen globale Energieaktien, die unserer Ansicht nach jetzt attraktiv bewertet sind und als geopolitische Absicherung dienen können.


Insgesamt sind wir nach wie vor der Ansicht, dass dies ein günstiges Umfeld für Anleger ist, die jetzt beginnen sollten, ihr Geld in ausgewogene Portfolios zu investieren. Wir erkennen über die Anlageklassen hinweg attraktive Renditeaussichten. Mit einer Kombination von Aktien, Anleihen und alternativen Anlagen können Anleger zudem von Diversifikationsvorteilen profitieren.


Mehr darüber erfahren Sie in unserem aktuellen Monthly Letter « Die Rückkehr der ‹Anleihenwächter›?». Ein kurzes Video zu den Hauptthemen finden Sie hier.