Der Goldpreis stabilisierte sich am Freitag bei USD 2377 je Feinunze und steuert auf seinen dritten Wochengewinn in Folge zu. Dies folgte auf unerwartet moderate US-Inflationszahlen und beruhigende Kommentare der US-Notenbank Fed. In den USA fiel der Gesamtwert des Konsumentenpreisindex (KPI) im Juni gegenüber dem Vormonat um 0,1%. Dies war der erste Rückgang seit Dezember 2022. Der Kernindex (ohne Nahrungsmittel und Energie) stieg indes im Juni nur um 0,1% zum Vormonat, sein langsamstes Tempo seit drei Jahren.
Nach der Bekanntgabe der Daten äusserte die Präsidentin der Fed von San Francisco Mary Daly «Erleichterung» über die Inflation. Sie fügte jedoch hinzu, die Fortschritte könnten holprig verlaufen. Ein oder zwei Zinssenkungen in diesem Jahr wären daher «mehr oder weniger» angemessen. Der Präsident der Notenbank von Chicago Austan Goolsbee verglich eine Beibehaltung der aktuellen Zinshöhe mit einer Straffung der Geldpolitik. Der KPI-Bericht stärkte die Zuversicht des Marktes, dass eine geldpolitische Lockerung der Fed bevorsteht. Die Märkte nahmen daraufhin eine 90%ige Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung bei der geldpolitischen Sitzung im September vorweg. Vor den KPI-Daten wurde die Wahrscheinlichkeit noch bei rund 70% angesetzt.
In der Regel unterstützt ein Rückgang der US-Zinsen den Goldpreis, da sich dadurch die Opportunitätskosten einer Position in diesem renditelosen Vermögenswert verringern. Neben der positiven Inflations- und Zinsdynamik erkennen wir aber noch einige andere Faktoren, die den Goldpreis in den kommenden Monaten unterstützen:
Fortgesetzte ETF- und Zentralbankkäufe. Nach den Finanz- und Schuldenkrisen und zuletzt auch infolge des Kriegs in der Ukraine stellen einige Zentralbanken inzwischen infrage, ob es wirklich sicher ist, auf USD und EUR lautende Vermögenswerte zu halten. Viele dieser Zentralbanken beschliessen stattdessen, ihre Reserven mit Gold zu füllen. Dies hatte zur Folge, dass fast ein Viertel der gesamten Goldnachfrage auf diese Gruppe entfiel. Da sich die Trends der Deglobalisierung und Entdollarisierung während des kommenden Jahrzehnts wahrscheinlich fortsetzen werden, gehen wir davon aus, dass die jährlichen Durchschnittskäufe über den vorherigen Ständen bleiben. Zur gleichen Zeit beginnen sich die Zuflüsse in ETFs wieder zu beleben. Globale physische Gold-ETFs zogen im Juni im zweiten Monat in Folge Zuflüsse an. Laut Daten des World Gold Council wuchsen sie dank der stärkeren Nachfrage aus Asien und anderen Niedrigzinsländern unter dem Strich um USD 1,4 Mrd.
Die globalen Konflikte und Kriege ebben nicht ab. Für viele Anlegerinnen und Anleger bleibt das Edelmetall eine bevorzugte Absicherung gegen globale Konflikte, insbesondere in einer Zeit, in der die Welt nicht friedlicher wird. Führungskräfte in der Nato kündigten in dieser Woche in Washington neue Waffen und langfristige Hilfen für die Ukraine auf ihrem «unumkehrbaren Weg» zur Integration an. Die USA sagten die Stationierung von Langstreckenraketen in Deutschland im Jahr 2026 zu. Die 32 Nato-Mitglieder bezeichneten China zum ersten Mal als «entscheidenden Beihelfer» im russischen Krieg. Peking wehrte sich mit dem Vorwurf, die Erklärung enthalte «Lügen, Aufwiegelung und Verleumdung». Die engeren Beziehungen zwischen Russland und Nordkorea beunruhigen auch die Spitzen Südkoreas und Japans. Unterdessen werden vor dem Hintergrund fortgesetzter Luftangriffe und Feindseligkeiten im Gazastreifen die schwierigen Waffenstillstandsverhandlungen weitergeführt. Jemenitische Huthi-Rebellen übernahmen die Verantwortung für neue Angriffe auf Handelsschiffe, wodurch der Druck auf die globalen Lieferketten anhält.
Die Wahlen überschatten die politischen Aussichten. US-Präsident Joe Biden hielt am Donnerstag eine einstündige freie Pressekonferenz ab. Er versucht, seine Kandidatur wieder in Schwung zu bringen und Bedenken über seine Eignung zu begegnen, die nach seinem schwachen Auftritt bei der Fernsehdebatte im letzten Monat laut wurden. Der Druck auf Biden und die Rücktrittsforderungen nehmen zu. CNN berichtete am Donnerstag, Nancy Pelosi und Barack Obama hätten im privaten Umfeld Zweifel an seiner Wählbarkeit geäussert. Nach der Debatte Ende Juni hatten wir die Wahrscheinlichkeit einer zweiten Präsidentschaft von Donald Trump angehoben. Die politische Unsicherheit beschränkt sich aber nicht auf die USA. In Frankreich resultierte der überraschende Aufstieg des linken Bündnisses Nouveau Front Populaire (NFP) bei der zweiten Runde der Parlamentswahlen in einer Pattsituation im Parlament. Dies schafft neue Unsicherheiten über die Staatsausgaben und die Zusammensetzung der Regierung.
Angesichts all dieser Faktoren beurteilen wir Gold in unserer globalen Strategie nach wie vor mit «Most Preferred» und rechnen mit höheren Preisen in den kommenden Monaten. Nach unseren Prognosen könnte Gold bis Ende dieses Jahres auf USD 2600 je Feinunze und bis Mitte 2025 auf USD 2700 je Feinunze steigen. Für Anleger, die ein Engagement auf der Portfolioebene in Betracht ziehen, betrachten wir Gold als wirksame Absicherung gegen geopolitische Polarisierung und Konflikte, Inflation und überhöhte Defizite. Anleger sollten ihre Portfolios auch auf niedrigere Zinssätze vorbereiten, indem sie sich die immer noch hohen Renditen von Qualitätsanleihen sichern und ihren Liquiditätsbedarf über Anleihenleitern steuern. Neben einer moderaten Allokation in Gold raten wir Anlegern zur Diversifikation ihrer Portfolios: Wir empfehlen, zum Ausgleich von Aktien- und Anleihenengagements auch weniger korrelierende alternative Anlagen, wie Privatmarktanlagen und Hedge-Fund-Positionen zu halten.