(UBS)

Was ist geschehen?
Am Freitag fielen die Aktienkurse zusammen mit den Anleihenrenditen, da schwache Arbeitsmarktdaten die Besorgnis schürten, dass die US-Notenbank mit ihren Zinssenkungen zu lange gewartet hat und dass die US-Wirtschaft nun auf eine Rezession zusteuern könnte.

Der Beschäftigungsbericht für den Juli enthielt bedeutende negative Überraschungen: Die Zahl der Beschäftigten ausserhalb des Agrarsektors stieg nur um 114 000 und die Arbeitslosenquote zog auf 4,3% an. Damit lag sie über den 4,1% des Vormonats und wieder deutlich über dem Tiefstwert von 3,4%, auf dem sie sich noch im Mai 2023 bewegt hatte. Die durchschnittlichen Stundenlöhne stiegen im Vergleich zum Vormonat um 0,2% und die Zahl der geleisteten Wochenarbeitsstunden ging zurück. Dies ist ein negatives Signal für die Einkommen der Privathaushalte.

Gemessen an den historischen Standards ist die Arbeitslosenquote zwar immer noch relativ niedrig. Doch in der Vergangenheit ging ein derart schneller Anstieg der Arbeitslosigkeit häufig mit einer abrupten Verlangsamung des Wirtschaftswachstums einher. Angesichts dieser schwachen Daten rechnen die Anlegerinnen und Anleger mit einem schnelleren Tempo der geldpolitischen Lockerung: Die Märkte nehmen derzeit Zinssenkungen um knapp 120 Bp. in diesem Jahr vorweg. Noch vor zwei Wochen wurden 66 Bp. eskomptiert und Anfang Juli waren es 36 Bp.

Zur gleichen Zeit sind die Märkte offenbar auch ungeduldig geworden und möchten Belege dafür sehen, dass sich die massiven Investitionen der grossen Technologieunternehmen in die künstliche Intelligenz (KI) langsam auszahlen.

Durch die risikoaverse Stimmung fiel der S&P 500 um 1,8%. Der Abverkauf war ziemlich breit verteilt: Mit Ausnahme der defensiveren Bereiche Basiskonsumgüter und Versorger gaben alle Sektoren nach. Die risikoreichsten Marktsegmente, wie Small Caps, erlitten die grössten Einbussen und der Small-Cap-Index Russell 2000 sackte um 3,5% ab. Im Large-Cap-Segment waren zwischen Wachstumsaktien und Substanzwerten keine wesentlichen Performanceunterschiede zu beobachten, auch wenn der Nasdaq um 2,4% nachgab. Die Rendite der 10-jährigen US-Treasuries sank um 19 Bp. auf 3,8%.

Was ist unsere Meinung hierzu?
Es kann ein Fehler sein, zu viel in eine einzige Datenmeldung hineinzulesen. So wäre es möglich, dass der Hurrikan Beryl die Schwäche des Arbeitsmarktberichts vom Juli noch verstärkte. Berichten zufolge konnten 436 000 Menschen aufgrund des Wetters nicht arbeiten. Im Vergleich dazu liegt der Durchschnitt für den Juli seit dem Jahr 2000 bei 33 000. Darüber hinaus schlug sich in dem Anstieg der Arbeitslosigkeit zum Teil auch die höhere Zahl der Amerikaner nieder, die eine Stelle suchen. Die Arbeitsmarktdaten des kommenden Monats dürften in dieser Hinsicht mehr Klarheit bieten.

Der Bericht war jedoch zweifellos enttäuschend und wird die Besorgnis schüren, dass die Fed ihre Leitzinsen zu lange zu hoch gehalten hat. Angesichts der jüngsten Belege, dass die Inflation nachhaltig zum Ziel der Fed zurückkehrt, hat die Zentralbank unseres Erachtens jetzt berechtigte Gründe, die Zinsen schneller als zuvor erwartet zu senken. Anfang dieser Woche signalisierte der Fed-Vorsitzende Jerome Powell, die US-Notenbank werde «sehr sorgfältig beobachten», ob Anzeichen eines deutlichen Abschwungs am Arbeitsmarkt zu erkennen sind.

Vor diesem Hintergrund erwarten wir jetzt, dass die Fed die Zinsen in diesem Jahr um 100 Bp. senken wird, während wir in unserer vorhergehenden Prognose von 50 Bp. ausgegangen waren. Sofern der Arbeitsmarktbericht im August nicht besser ausfällt, wird die Fed den Zinssenkungszyklus unseres Erachtens an ihrer Sitzung im September mit einer Lockerung um 50 Bp. einläuten.

In unserem Basisszenario gehen wir nach wie vor davon aus, dass die US-Wirtschaft nicht in eine Rezession fällt und das Wachstum nahe des Trendniveaus von 2% verharren wird. Da der Leitzins auf dem höchsten Stand seit 23 Jahren liegt, hat die Fed reichlich Flexibilität, die Wirtschaft und die Märkte zu unterstützen. Vor allem aber ist die Finanzlage der Privathaushalte im Grossen und Ganzen solide: Das Wachstum der realen Einkommen ist positiv, die durchschnittlichen Kosten für den Schuldendienst sind im Vergleich zu historischen Durchschnittswerten niedrig und das gesamte Nettovermögen ist seit dem Beginn der Pandemie um 37% gestiegen. All dies dürfte eine fortgesetzte Zunahme des positiven Realkonsums untermauern, der den wichtigsten Treiber des Wirtschaftswachstums bildet. Darüber hinaus haben sich die Finanzierungsbedingungen bereits deutlich verbessert, da die Anleihenrenditen entlang der gesamten Kurve gesunken sind. Dies dürfte zu einer Belebung des Wohnimmobilienmarkts beitragen und wird voraussichtlich Anreize für Investitionen bieten.

Wir sind zudem der Ansicht, dass das Umfeld für den Aktienmarkt allgemein immer noch vorteilhaft ist. Trotz der Anzeichen, dass das Tempo der Gewinnkorrekturen nachlässt, steuern die Gewinne je Aktie im S&P 500 immer noch auf ein Wachstum von 11% im Jahr 2024 zu. Der schnelle Umschwung der Marktstimmung in Bezug auf die künstliche Intelligenz erscheint uns ebenfalls verfrüht. Es wird wahrscheinlich einige Zeit dauern, bis die Unternehmen belegen können, dass ihre KI-Investitionen Renditen erwirtschaften. Doch es gibt keine Anhaltspunkte, dass die Unternehmen von ihren Investitionsplänen abrücken, da die Technologie vielversprechend ist. Überhaupt ist festzustellen, dass der S&P 500 in der Vergangenheit ausserhalb von Rezessionen in den zwölf Monaten nach der ersten Zinssenkung der Fed im Durchschnitt um 17% gestiegen ist.

Wie investieren wir?
Kurzfristig dürften Aktien volatil bleiben. Doch durch den Rückgang der letzten Wochen hat sich ihr Risiko-Rendite-Verhältnis verbessert, vor allem bei Technologietiteln. Der S&P 500 ist von seinem Allzeithoch vom 16. Juli um etwa 6% gefallen, während der FANG+ Index von seinem Höchstwert um 14% abgerutscht ist. Wenn die Besorgnis der Anleger über die Verlangsamung des Wachstums und eine zu späte Reaktion der Fed weiter zunimmt und die Entwicklungen im Zusammenhang mit der KI die Erwartungen enttäuschen, könnte sich der Kursrückgang noch fortsetzen. Aber ähnlich wie im letzten Herbst, als der S&P 500 aufgrund der Besorgnis über eine Überhitzung und der Gefahr einer restriktiveren Geldpolitik der Fed um 10% fiel, nehmen wir an, dass sich die Wachstumsängste, die den aktuellen Abverkauf antreiben, am Ende als unbegründet erweisen werden.

Daher halten wir an unserer Kursprognose von 5900 Punkten für den S&P 500 zum Jahresende fest. Die gewinnbezogenen Fundamentaldaten sind nach wie vor positiv. Die Unternehmensgewinne im S&P 500 steuern fortgesetzt auf ein Wachstum von 10% bis 12% im 2. Quartal zu. Inzwischen haben Unternehmen, die mehr als 75% der Marktkapitalisierung im S&P 500 ausmachen, ihre Berichte publiziert und die Ergebnisse waren allgemein positiv: 60% der Unternehmen übertrafen die Umsatzprognosen und 75% die Gewinnschätzungen. Beide Zahlen entsprechen in etwa den historischen Durchschnitten. Die Ausblicke der US-Unternehmen für das 3. Quartal bewegen sich ebenfalls im Rahmen der üblichen saisonalen Muster.

Vor diesem Hintergrund raten wir den Anlegern, verschiedene Strategien ins Auge zu fassen:

Für tiefere Zinsen positionieren. Die weltweite Dynamik in Richtung auf niedrigere Zinsen hat in dieser Woche weiter Fahrt aufgenommen, da die Bank of England die erste Zinssenkung in diesem Zyklus beschloss. Die Fed gab in dieser Woche ebenfalls das bisher deutlichste Signal, dass Zinssenkungen bevorstehen. Das Wirtschaftswachstum und die Inflation verlangsamen sich und die Zentralbanken beginnen, die Zinsen zu senken. Vor diesem Hintergrund erkennen wir erhebliche Chancen an den Anleihenmärkten. Unserer Ansicht nach sollten die Anleger Barmittel- und Geldmarktbestände in qualitativ hochwertige Staats- und Unternehmensanleihen investieren. Bei diesen rechnen wir mit einem Kursanstieg, sobald die Märkte einen deutlicheren Zinssenkungszyklus eskomptieren. Wir gehen davon aus, dass sich Qualitätsanleihen in unserem Basisszenario einer sanften Landung der US-Wirtschaft gut entwickeln werden. Im Risikoszenario einer Rezession sollten sie noch besser abschneiden und dazu beitragen, Schwächen in anderen Segmenten des Portfolios abzufangen.

Die Chancen der KI ergreifen. Aufgrund der hohen Markterwartungen verlief die Berichtssaison des globalen Technologiesektors für das 2. Quartal nicht gerade reibungslos. Die Fundamentaldaten sind jedoch nach wie vor solide und der globale Technologiesektor wird für dieses Quartal voraussichtlich ein Gewinnwachstum von 24% zum Vorjahr ausweisen. Nach unseren Schätzungen werden die grossen Technologieunternehmen ihre Investitionen im Jahr 2024 insgesamt um 43% erhöhen, nachdem sie eine weitere Anhebung um USD 9 Mrd. in Aussicht gestellt haben. Wie in unserem CIO-Bericht zur KI vom 10. Juni angedeutet, werden KI-Anwendungen wie persönliche Assistenten und die Generierung von Inhalten die KI-Infrastrukturinvestitionen in Rechenzentren und Grafikprozessoren rechtfertigen müssen. Aus den bisher veröffentlichten Ergebnisberichten geht eine starke Überzeugung der Führungsteams von Technologieunternehmen von den Gesamtkapitalrenditen der Ausgaben für KI-Infrastruktur hervor. Berichten zufolge kommt die Monetarisierung der KI auch zunehmend in Fahrt. Wir beurteilen die Wachstumsperspektiven der KI nach wie vor positiv und sind der Ansicht, dass die jüngste Kurskorrektur eine gute Gelegenheit bietet, das Engagement in führenden KI-Nutzniessern der Bereiche Halbleiter, Software und Internet zu günstigeren Bewertungen auszubauen. Für ein defensiveres Engagement können die Anleger auch strukturierte Strategien in Erwägung ziehen, um die bevorstehende Volatilität vor den US-Wahlen zu umschiffen.

Nach hochwertigem Wachstum Ausschau halten. Unseres Erachtens sollten die Anleger für ihre Aktienpositionen generell nach hochwertigem Wachstum Ausschau halten. In letzter Zeit wurde das Gewinnwachstum hauptsächlich von Unternehmen mit Wettbewerbsvorteilen getragen, die zudem von strukturellen Treibern profitieren. Dies ermöglichte es ihnen, zu wachsen und ihre Gewinne kontinuierlich zu reinvestieren. Dieser Trend wird sich unserer Meinung nach fortsetzen. Daher sollten die Anleger ihr Portfolio auf hochwertiges Wachstum ausrichten, um davon zu profitieren.

Mit alternativen Anlagen diversifizieren. Angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheit sehen wir alternative Anlagen als strategische Möglichkeit an, die Diversifikation zu verbessern und risikobereinigte Renditen zu erzielen. Hedge Funds können nicht nur potenziell dazu beitragen, Portfolios in Stressphasen zu stabilisieren, sondern auch Verzerrungen nutzen und attraktive Renditen erzielen, wenn andere Anlageklassen möglicherweise unter Druck stehen. Alternative Anlagen sind mit Risiken im Zusammenhang mit ihrer Illiquidität und mangelnden Transparenz verbunden.

Disclaimer