Frau Moerker, wie soll sich ein Unternehmer im Ausland verhalten und wie soll er sich dort ganz sicher nicht verhalten?
Claudia Moerker: Es gibt für jedes einzelne Land eine lange Liste für Dos and Don’ts! Ihr eingehendes Studium lege ich jedem ans Herz, vor allem jüngeren Managern. Für sie ist es besonders wichtig, neben dem theoretischen Studium anderer Kulturen auch konkrete Erfahrungen im Netzwerk, sprich mit anderen Unternehmern und Experten, auszutauschen. Das kann für den Geschäftserfolg matchentscheidend sein.
Können Sie ein konkretes Beispiel für kulturelle Unterschiede nennen?
Da müssen Sie gar nicht so weit reisen. Unser Verband hat einmal in Kooperation mit dem Uhrenhersteller Hublot und UBS in Nyon eine Fachveranstaltung mit Managern und Politikern organisiert. Geplant war der Anlass für 80 Personen, inklusive Betriebsführung und kleiner Gesprächsrunden. Erschienen sind dann 140 Personen. Während wir überrumpelt waren, fiel das Feedback der Teilnehmenden nach dem Anlass durchwegs fröhlich-positiv aus.
Was haben Sie aus dieser Erfahrung gelernt?
Die Deutschschweizer haben und brauchen Strukturen und Beschilderungen. In der Romandie bekommen wir indes gefühlt nie richtige Antworten auf unsere Fragen. Schliesslich funktioniert in der Westschweiz alles trotzdem in einer erstaunlichen Gelassenheit. Generell ist es ganz wichtig, den eigenen Kulturraum zu verstehen. Nur so kann man Sensibilität für andere Kulturen herstellen und entwickeln.
Was sind weitere wichtige sogenannte softe Faktoren im KMU-Exportgeschäft?
Grundvoraussetzungen sind neben Empathiefähigkeit gute Sprachkenntnisse und exzellentes Fachwissen. Nur so ist Augenhöhe möglich. Exportkompetenz heisst für den Unternehmer auch Sensibilität und Frustrationstoleranz. Ein guter KMU-Exporteur hat zudem Situationsintelligenz. Das bedeutet zum Beispiel, dass er trotz der natürlichen Verliebtheit in das eigene Produkt gegenüber ausländischen Gesprächspartnern immer fair bleibt.
Das ist eine ganze Menge an Anforderungen.
Ja, Exportfähigkeit ist keine exakte Wissenschaft. Ich habe darüber hinaus den Eindruck, dass sich die anhaltende Migrationsthematik ganz generell in einer gewissen Abstumpfung bei interkulturellen Fragen äussert. Das ist jedoch überaus heikel, weil wir inzwischen eine globale Welt haben und sich Traditionen darin laufend verändern und weiterentwickeln.
Bewegen sich Schweizer Unternehmer darin kompetenter als andere?
Wir sind agil, pünktlich und traditionsbewusst. Damit besitzen wir gute Voraussetzungen, um fit für das Ausland zu sein. Was für Unternehmer grundsätzlich immer wichtiger wird: In den Export zu gehen, heisst, eine klare Vision zu haben.
Die Vermittlerin
Claudia Moerker (55) führt den Verband swiss export, den sie 2003 gegründet hat. Ihren Berufseinstieg hat sie im Bereich Health Care gemacht und unter anderem 10 Jahre bei der 3M (Schweiz) in verschiedenen leitenden Funktionen gearbeitet. Neben einer Marketing- und Verkaufsausbildung hat Claudia Moerker verschiedene Managementweiterbildungen absolviert sowie eine Mediations- und Coachingausbildung.
Das schaffen wohl die wenigsten ohne Unterstützung. Wie helfen Sie Unternehmern bei der Vorbereitung von Exportinitiativen konkret?
Inzwischen gibt es für KMU breite Kontaktnetze und eine grosse, öffentlich zugängliche Datenauswahl. Viele Unternehmer meinen daher, sie seien fit genug und könnten ein Auslandsengagement gut einschätzen. Deshalb ist Exportberatung heute ein Nischengeschäft geworden. Wenn sich jemand trotzdem beraten lassen will, tun wir das in drei Schritten.
Eine grosse Tradition hat das Exportland Japan. Was sollte ein KMU-Exporteur dort unbedingt beachten?
Höflichkeit und Harmonie ohne Ende. Unser Standortleiter und Experte in Tokio war ein in den 70er-Jahren ausgewanderter Deutscher. Wir hatten aufgrund der Zusammenarbeit eine gute persönliche Beziehung. Er konnte Deutsch, ist aber im Grunde zum Japaner geworden. Als ich seinen Abschlussbericht zuhanden eines unserer Kunden kritisierte, weil er schlicht zu wenig Substanz enthielt, kam vorläufig gar nichts mehr. Ich hätte sagen sollen: Dein Bericht ist fantastisch, könntest du bitte noch dies und jenes ergänzen? Japaner sind harmoniebedürftig bis zum Äussersten und die Gesichtswahrung ist existenziell. Letzteres gilt im Übrigen für ganz Asien.
Was bedeutet das für die Verhandlungsführung?
Der Japaner will Ihnen buchstäblich ins Gesicht sehen. Videokonferenzen sind deshalb ungeeignet. Der Chef hält sich in Meetings zurück, Entscheidungen brauchen viel Zeit und werden in der Regel im Nachhinein und im Kollektiv gefällt. «Nein» gibt es nicht. Das heisst, Sie müssen unglaublich gut zuhören und auf die Körpersprache achten, damit Sie die entscheidenden Zwischentöne erfassen können. Um erfolgreich nach Japan zu exportieren, brauchen Unternehmer deshalb viel Zeit und ein klares Verständnis der dortigen Kultur.
Wie sehen diese Schritte aus?
Zuerst führen wir eine Standortbestimmung durch: Was will der Unternehmer konkret? Wir lassen ihn seine Exportidee anhand eines strukturierten Fragebogens erarbeiten. In einem zweiten Schritt ziehen wir in einem Direktgespräch unseren Länderexperten hinzu. Mit den Fragen und im persönlichen Gespräch wollen wir verhindern, dass der Unternehmer ob seiner Produktverliebtheit elementare Erfolgsfaktoren wie Kosten, Zeit und Menschen vergisst.
Betreiben Sie somit eine Form von Bewusstseinsschärfung?
Genau. Wenn der Unternehmer diese Hausaufgaben gemacht hat, begleiten ihn unsere Länderexperten im Bedarfsfall vor Ort. Sie unterstützen ihn etwa bei der Suche nach Vertriebspartnern, bei Verhandlungen oder organisieren für ihn Messeauftritte und Produktpräsentationen. Fundamentale Voraussetzung für den Erfolg jedes KMU-Exporteurs ist das Schaffen einer Vertrauensbasis vor Ort.
Das heisst, Sie bieten auch Seminare und Intensivkurse an.
So ist es. Darin lehren Experten aus den verschiedensten Exportländern. Wir veranstalten sowohl offene Seminare als auch firmenspezifische Schulungen. Dabei werden ganz praktische Dinge wie eine Geschenkübergabe oder eine Begrüssung ohne Händeschütteln geübt. Nur so können die Teilnehmenden auf Tuchfühlung mit der konkreten Situation gehen und diese meistern lernen.
UBS ist Partner Ihres Verbands. Wie wichtig ist eine Grossbank für den Erfolg eines Schweizer KMU?
Grossbanken haben ein globales Netzwerk und eine breite Palette von Dienstleistungen. Sie erstellen darüber hinaus aktuelle Berichte, zum Beispiel zu Währungsfragen, und verfügen über branchenspezifische Risiko- und Exportanalysen. Eine solche Informationsbeschaffung können KMU nicht selbst vornehmen. Diese Berichte sind gute Quellen; sie vermitteln KMU ein klares und lesbares Bild. Wenn eine vertrauensvolle Partnerschaft zu einer Grossbank besteht, können KMU davon klar profitieren.
Wer ist Claudia Moerker? Die Q&A.
Auto oder Velo?
Auto, weil es ein Geschäftsinstrument und für meine Mobilität wichtig ist. Das Velo dagegen steht für Sport und Freizeit.
Berg oder Strand?
Der Berg. Mit zunehmendem Alter spürt man die Kraft, die er ausstrahlt. Auf einem Berg ist man aktiv und mitten im Element. Strand heisst für mich passiv.
Wasser oder Wein?
Wasser. Es ist ein Lebenselement, das ich gerne trinke.
Sie oder du?
Du. Ich finde es schön, dass man auch im Geschäftsleben diese Formalität ablegen kann, wenn man will.
Bares oder Digitales?
Eigentlich Bares, aber derzeit befinde ich mich noch im Entscheidungsprozess.
Der Verband
swiss export vermittelt seinen Mitgliedern Wissen über ausländische Märkte und vernetzt sie mit Partnern. Zu den Serviceleistungen gehören Exportberatung, Kurse über Exportabwicklung und -technik, länder- und kulturspezifische Trainings, individuelle Firmenseminare und Coachings sowie Veranstaltungen, an denen KMU-Exporteure Erfahrungen und Wissen austauschen.