Die Zahlen sprechen für sich: Gemäss der 2016 vom Schweizerischen Institut für Klein- und Mittelunternehmen der Universität St. Gallen publizierten Studie wird in den kommenden drei Jahren bei einem Fünftel der KMU eine Stabübergabe stattfinden müssen. Mit anderen Worten: Es wird bis 2021 bei rund 75 000 KMU zu einem Generationenwechsel kommen. Diese Unternehmen stellen gemeinsam mehr als 400 000 Arbeitsplätze, das entspricht rund 10 Prozent der Arbeitnehmenden schweizweit. Denn hierzulande machen Familienfirmen rund drei Viertel aller KMU aus.
Doch die neue Generation ist nicht immer bereit, den Stab zu übernehmen. Und weil dies immer öfter vorkommt, steigt auch die Zahl der Management-Buy-outs (MBO) sprunghaft an. Der Verkauf ans Kader oder an Mitarbeitende macht aber derzeit nur einen Viertel der Firmenübergaben aus. Die familieninterne Übergabe dagegen, der Family-Buy-out (FBO), ist mit 41 Prozent immer noch die häufigste Form, befindet sich aber im Abwärtstrend.
Egal welches Modell gewählt wird, die Unternehmensnachfolge ist ein heikles Unterfangen. Sie kann die Existenz der Firma gefährden, wenn sie unterschätzt wird. Zum Misserfolg führen kann auch die mangelnde psychologische Vorbereitung. Die entscheidenden Fragen sind: Ist man als Firmenchef bereit, sein «Baby» zu verkaufen? An wen und unter welchen Bedingungen? Wie geht man damit um, nicht mehr der Chef zu sein?
Solche Fragen beschäftigen auch Raphaël Leveau. Er arbeitet beim Genfer Treuhandbüro der Gruppe Berney Associés. Die 1990 gegründete Firma sensibilisiert ihre Kunden im Hinblick auf die psychologischen Faktoren einer Nachfolgeregelung.
Herr Leveau, Nachfolgeregelungen sind heikel. Welche Rolle spielen Emotionen beim Verkaufsprozess?
Raphaël Leveau: Psychologische Aspekte spielen beim Verkauf eine sehr grosse Rolle. Ungeachtet der Nachfolgeoption können sie einen Verkauf auf der einen oder anderen Seite in jeder Phase des Prozesses zu Fall bringen. Es kann passieren, dass alles bei der Unterzeichnung der Verträge ins Wasser fällt. Die Psychologie wird leider zu oft vernachlässigt. Der abtretende Eigentümer und der Nachfolger setzen sich sehr oft mit den juristischen und finanziellen Aspekten auseinander, lassen aber die emotionalen Faktoren ausser Acht.
Ist der psychologische Aspekt bei allen Nachfolgeoptionen derselbe?
Emotionale Aspekte sind nicht bei jedem Übergabemodell gleich wichtig. Je nachdem, ob man an Dritte verkauft, an die Nachkommen oder ans Management, kommen diverse Mechanismen zum Tragen. Bei der Übergabe an eine Drittpartei stehen tendenziell der Übergabepreis und das Fortbestehen des Unternehmens im Vordergrund. Bei der familieninternen Nachfolge muss natürlich die ganze Familiengeschichte samt allen Tabuthemen beleuchtet werden. Eine Übergabe ans Management ist aus psychologischer Sicht letztlich die gesündeste Nachfolgeoption.
Weshalb ist ein Management-Buy-out emotional am einfachsten zu bewältigen?
Die Unternehmensübertragung an das Management geht formell einfacher über die Bühne, wenn keine Drittpartei involviert ist: Der abtretende Eigentümer und der Nachfolger haben oft jahrelang zusammengearbeitet. In dieser Zeit ist eine Vertrauensbasis entstanden und das Management kennt das Unternehmen fast wie seine eigene Hosentasche – mit allen Schwächen und Stärken. Deshalb sparen sich beide Parteien den formellen Due-Diligence-Prozess.
Oft merkt der abtretende Eigentümer erst im Verlauf des Prozesses, dass die Übergabe auch emotionale Aspekte hat. Wie lässt sich das erklären?
Man wird kaum für die psychologischen Aspekte sensibilisiert. Es gibt zahlreiche Seminare zum Thema Unternehmensnachfolge, aber über die emotionalen Faktoren wird kaum gesprochen. Wenn ein Unternehmer verkaufen will, wendet er sich zuerst an seine bisherigen Berater. Diese müssen meist noch viel Sensibilisierungsarbeit und Aufklärung leisten. Das erhöht die Erfolgschancen einer Unternehmensnachfolge dann deutlich.