Es gibt verschiedene Möglichkeiten, finanziell für das Alter oder für die Zeit nach dem Berufsleben vorzusorgen. Die einfachste und wohl auch traditionellste ist, während des Berufslebens nicht gleich alle Einkünfte sofort auf den Kopf zu hauen und sich möglicherweise darüber hinaus auch noch privat über beide Ohren zu verschulden, sondern zu sparen. Wer regelmässig etwas auf die hohe Kante gelegt und durch geschicktes Verhalten möglicherweise gar ein kleines Vermögen aufgebaut hat, verfügt in akuten Notfällen nicht nur über ein solides Finanzpolster, sondern kann später auch davon zehren – und sei es nur, um die dann aus auf unterschiedlichste Arten erworbenen Rentenansprüchen zu erwartenden Zahlungen etwas aufzubessern.
Hamstern beruhigt die Nerven
Das ist aus zwei wesentlichen Gründen auch dringender nötig denn je. Erstens altert die Weltbevölkerung in den kommenden Jahren deutlich, so dass in den sogenannten Umlagesystemen immer weniger jungen Beitragszahlern immer mehr Ältere gegenüberstehen, die nach ihrer Pensionierung Anspruch darauf haben, der «gemeinsamen Kasse» regelmässig einen ihren früheren Leistungen entsprechenden Betrag zu entnehmen. Zweitens haben die Regierungen und Notenbanken in den vergangenen Jahren mit ihrer «extremen Banken- und Länderrettungspolitik» dafür gesorgt, dass sich mit dem Kapitalstock, der in verschiedenen Staaten zur Deckung entsprechender Ansprüche gebildet wurde, an den Finanzmärkten kaum noch etwas verdienen lässt – und wenn, dann nur bei Inkaufnahme enormer Risiken. Faktisch werfen festverzinsliche Anlagen heute kaum noch etwas ab, und die Preise anderer Vermögenswerte sind vielfach auf ein Niveau gestiegen, das ziemlich «ungesund» ist. Glaubt man verschiedenen Berechnungen, so droht in vielen westlichen Ländern bald eine Pensionskrise, weil viele Staaten, Unternehmen und Privatpersonen nicht genug auf die Seite gelegt haben, um die Erwartungen künftiger Rentner erfüllen zu können. Das mag beim einen oder anderen für eine gewisse Nervosität sorgen. Wer jedoch in seiner hoffentlich ziemlich einträglichen Lebenszeit wie ein Eichhörnchen gehamstert hat, kann dann «im biografischen Winter», also im Alter, von seinen Vorräten zehren. Das setzt natürlich voraus, dass sich diese erstens in ihren Verstecken wiederfinden lassen und dass sie zweitens auch noch in gutem, also verwertbarem Zustand sind. Nach guter Vorarbeit sollte dem so sein.
Den «Entsparprozess» planen
Am Ende des Tages beziehungsweise nach einer hoffentlich ziemlich erfüllten Erwerbsbiografie sorgen schliesslich zunächst die AHV- und Pensionskassenrenten bis zu einem gewissen Grad für kontinuierliche Einkünfte bis ans Lebensende. Sollten diese jedoch nicht reichen, um eine gesunde Balance zwischen den bestehenden Wünschen nach Annehmlichkeiten und den damit verbundenen Ausgaben zu finden, muss das vorhandene Vermögen möglichst geschickt strukturiert werden. Fachleute raten dazu, sich ziemlich frühzeitig mit dieser Thematik auseinanderzusetzen, um diesen «Entsparprozess» optimal zu gestalten. Schliesslich sollte die Liquidität immer gewährleistet sein.
In diesem Rahmen gilt es als Erstes, verschiedene Parameter zu definieren:
- Wie gross ist das tatsächlich verfügbare Vermögen?
- Ist in absehbarer Zeit mit einer ausserordentlichen Veränderung zu rechnen?
- Welcher finanzielle Bedarf lässt sich absehen, und wann beginnt er?
- Welcher Puffer für absolute Notfälle soll jederzeit vorhanden sein?
- Wie hoch sind die Renditen, die sich an den Kapitalmärkten bei vernünftiger Geldanlage erzielen lassen?
- Wie sieht der zeitliche Ablauf idealerweise aus, beziehungsweise von welcher Lebenserwartung ist auszugehen?
- Welches Restvermögen soll am Ende des Verfahrens übrig sein, um auf der sicheren Seite zu sein oder um den Nachkommen etwas zu hinterlassen?
Das ist ein anspruchsvolles und entsprechend umfangreiches Unterfangen. Faktisch müssen Steuereffekte berücksichtigt werden, bei der Schätzung der erwarteten Renditen ist angesichts der dramatischen Verwerfungen an den internationalen Finanz- und Vermögensgütermärkten in den vergangenen Jahren wohl eine gewisse Zurückhaltung angesagt, und selbst bei der persönlichen Lebensplanung ist ein gewisse Weitsicht gefragt. Schliesslich sollte etwa absehbar sein, wann so etwas wie eine Weltreise ansteht und wie teuer sie werden könnte, ob und wann man eine vorhandene Immobilie verkaufen möchte und welcher Preis sich realistischerweise erzielen liesse – oder ob es besser wäre, diese stattdessen zu «konsumieren» und mit dem Abschluss einer Umkehrhypothek das Einkommen aufzubessern.
Die Bedürfnisse entscheiden
Das sind knifflige Fragen. Schliesslich handelt es sich um keine exakte Wissenschaft. Alleine schon die Schätzung der Lebenserwartung ist für eine Einzelperson beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Anders als Versicherungen, die bei entsprechenden Problemen gemäss dem Gesetz der grossen Zahl mit statistischen Werten und sogenannten Sterbetafeln rechnen, ist der Einzelne auf Rückschlüsse aus den Erfahrungen in der eigenen Familie und dem eigenen Wohlbefinden angewiesen. Aus diesem Grund werden oft sogenannte Leibrentenverträge ins Spiel gebracht. Allerdings raten viele davon ab, Vermögenswerte zu verkaufen oder Pensionskassenguthaben zu beziehen, um gegen die einmalige Zahlung einer grösseren Summe Anspruch auf eine lebenslange Zusatzrente zu erhalten. Die Konditionen seien meist unattraktiv, heisst es.
Schliesslich wird nicht viel anderes übrig bleiben, als das erarbeitete Vermögen individuell anzulegen und ebenso individuell zu verzehren. In der Praxis lässt sich dabei unterscheiden zwischen:
- Kurzfristigen Bedürfnissen:
Damit sind finanzielle Ansprüche in den ersten Jahren unmittelbar nach der Pensionierung gemeint. Sie lassen sich am besten mit sicheren und gleichzeitig sehr liquiden Anlageformen abdecken. In Zeiten tiefster Renditen sind die Opportunitätskosten ohnehin nicht sehr hoch. - Mittelfristigen Bedürfnissen:
Damit ist der finanzielle Bedarf gemeint, der sich voraussichtlich im Rahmen von etwa zehn Jahren nach der Pensionierung ergibt. Das führt zur Möglichkeit, an den Finanzmärkten etwas höhere Risiken einzugehen. Zumindest unter normalen Umständen werden diese mit höheren Renditen abgegolten. - Langfristigen Bedürfnissen:
Damit ist jener Finanzbedarf gemeint, der eher später als früher entsteht. Das führt zur Überlegung, mit diesem Teil des Vermögens an den Märkten noch etwas stärker auf Risiko zu setzen, um noch etwas mehr herauszuholen.
In diesem Rahmen ist nicht nur jeweils der effektive Finanzbedarf entscheidend, sondern auch die Marktverhältnisse spielen eine Rolle. Unter Umständen müssen Kursgewinne zu günstigen Zeitpunkten realisiert werden, auch wenn das Geld erst viel später benötigt wird. So lässt sich vermeiden, in einer äusserst ungünstigen Phase Vermögenswerte verkaufen zu müssen, nur um nicht plötzlich illiquide zu werden. Das ist leichter gesagt als getan, aber nach der Pensionierung bleibt genug Zeit, um sich mit solchen Fragen zu beschäftigen.
Mit freundlicher Genehmigung der Neuen Zürcher Zeitung.