Oliver S. Hart
Nobelpreis 2016 | Vertragstheorie: Warum gibt es keinen perfekten Vertrag?
Oliver Hart nennt ein, wie er zugibt, vielleicht zu oft von ihm vorgebrachtes, dafür aber wirklich gutes Beispiel. Es geht um eine Kohlemine und ein Kraftwerk, welches sich in direkter Nachbarschaft befindet. Da beide so nah beieinander liegen, ist es für das Kraftwerk sinnvoll, die Kohle aus dieser Mine zu beziehen. Doch wie sollte nun ein Vertrag aussehen, der eine gute Grundlage für eine lange und erfolgreiche Geschäftsbeziehung bildet? Hart, ein wahrer Spezialist in Bezug auf mögliche Stolpersteine bei der Vertragsgestaltung, hat Antworten auf diese Frage gefunden. Er betont, dass die für eine Volkswirtschaft wichtigsten Geschäfte möglicherweise nicht die in einem Markt selbst sind, sondern jene, die ausserhalb des Marktes abgeschlossenen werden.
Oliver S. Hart
Oliver S. Hart
Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften, 2016
Auf einen Blick
Auf einen Blick
Geboren: 1948, London, Grossbritannien
Fachgebiet: Mikroökonomie
Ausgezeichnetes Werk: Vertragstheorie und theoretische Instrumente, um Verträge in der Praxis sowie potenzielle Fallstricke bei der Vertragsgestaltung zu verstehen
Eine Entscheidung fürs Leben: Als Student in den 1960er Jahren beschloss Hart, Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Er sprach gern über politische Themen, unterlag in Diskussionen jedoch häufig, da er nichts über die Weltwirtschaft wusste
Die Welt verändern: Wenngleich es ihm zufolge keinen Beweis dafür gibt, so behaupteten doch viele Journalisten, Hart habe die Entscheidung der US-Regierung, bei der Verwaltung von Gefängnissen nicht mehr auf private Vertragspartner zurückzugreifen, mit beeinflusst.
Sind Bonuszahlungen für Führungskräfte gerechtfertigt?
Sind Bonuszahlungen für Führungskräfte gerechtfertigt?
Es ist ein sonniger Tag auf dem Campus der Harvard University und Hart – ganz britischer Gentleman – hat einen dunklen Anzug für den Anlass gewählt. Es gibt noch eine andere britische Tradition, und zwar eine heisse Tasse Earl Grey. Bei einem aufschlussreichen Gespräch zeigt er sich als sehr beherrschter und echter Akademiker. Selbst als es um eher kontroverse Themen geht, wie beispielsweise die Frage, ob überzogene Boni für Führungskräfte jemals gerechtfertigt sein können.
Kann ein Vertrag gutes Verhalten garantieren?
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Hart weist darauf hin, dass dies eine Frage des richtigen Anreizschemas ist. Er erklärt, dass viele Verträge eine leistungsbasierte Zahlung beinhalten, um so beispielsweise einen CEO zu motivieren, im besten Interesse des Unternehmens zu handeln.
«Doch jedes Anreizprogramm hat seinen Preis und ist mit einem gewissen Risiko verbunden», sagt Hart. «Stimmt die Leistung, geht es einem gut, ist die Leistung ungenügend, dann nicht. Das Thema ist Gegenstand aktueller Diskussionen, doch keiner der Massstäbe ist perfekt.»
Warum Beschäftigte eine langfristige Perspektive brauchen
Warum Beschäftigte eine langfristige Perspektive brauchen
Laut Aussage des Nobelpreisträgers gibt es viele Beispiele dafür, was bei einem Anreizschema alles schiefgehen kann. Möglicherweise haben die Beschäftigten keine Langfristperspektive. «Man verdient über einen bestimmten Zeitraum eine Menge Geld mit Dingen, die nicht wirklich gut sind. Das zeigt sich aber erst später», erklärt er. «Dann verlässt man das Unternehmen und hat ein Vermögen verdient, während andere Personen die dann sichtbaren Folgen des Fehlverhaltens ausbaden müssen.»
Deshalb ist es seiner Meinung nach wichtig, über eine Reduzierung der Boni nachzudenken und den Menschen langfristigere Anreize für ihre Arbeit zu bieten als «nur viel Geld zu verdienen, ohne sich Gedanken über das grosse Ganze zu machen.»
Warum es von Bedeutung ist, wer die Kontrolle hat
Kann die Vertragsgestaltung zukünftigen Entwicklungen vorgreifen?
Es ist eine Herausforderung, einen Vertrag für eine Dauer von 30 oder gar 50 Jahren aufzusetzen. «Es können so viele Sachen passieren, im Energiebereich, in der Welt», sagt er. «Was auch immer wir da reinschreiben ist möglicherweise irgendwann nicht mehr angemessen.» Laut Hart bezeichnen Ökonomen das als unvollständige Verträge. Man weiss nie, was die Zukunft bringt und deshalb wird es den Parteien nie möglich sein, einen perfekten Vertrag aufzusetzen, der alle zukünftigen Eventualitäten abdeckt. «Es ist eine Schwäche, dass wir nicht so weit im Voraus Denken können und mich interessiert, wie die Vertragspartner dieses Problem lösen können.»
Er kommt auf sein Lieblingsbeispiel der Kohlemine und des benachbarten Kraftwerks zurück. «Wir befinden uns da in einer Eins-zu-Eins-Situation, die wir entweder über einen zuvor aufgesetzten Vertrag regeln können, oder der eine könnte den anderen aufkaufen», so Hart. «Nach dem Kauf müsste ich mir keine Sorgen mehr darüber machen, komplett vom anderen abhängig zu sein. Aber ein wesentlicher Aspekt meiner Arbeit ist, dass das Ganze eine Kehrseite hat.»
«Es ist von entscheidender Bedeutung, wem ein Wirtschaftsgut gehört. Denn der Eigentümer einer Sache hat letztlich die Kontrolle», fährt er fort. «Wenn Ihre Mine plötzlich mir gehört, verlieren Sie an Einfluss. Das kann ich dann zu meinem Vorteil nutzen. Und das wird wiederum Ihre Motivation vermindern, Ideen zur Effizienzsteigerung einzubringen.»
Öffentliches oder Privateigentum?
Öffentliches oder Privateigentum?
Für Hart ist die Frage zentral, wo letztendlich die Kontrollrechte liegen. Er merkt an, dass dies auch für die Regierungsarbeit und öffentlich-private Partnerschaften äusserst relevant ist.
Er betont, dass das Konzept unvollständiger Verträge eine gute Möglichkeit ist, sich das vorzustellen. «Ein idealer Vertrag legt alles ganz eindeutig und bis ins kleinste Detail fest», sagt er. «Schwierig wird es, wenn Dinge hochkommen, die nicht im Vertrag stehen. Dann ist die Frage, wer darüber entscheidet.»
Wenn sich beispielsweise eine Regierung dazu entschliesst, die Verwaltung ihrer Gefängnisse auszulagern, wäre das möglicherweise mit Kürzungen beim Wachpersonals verbunden, um den maximalen Profit herauszuholen. «Mehr Gewalt könnte die Folge sein», ergänzt er. «Wir argumentierten damit, dass es einen Kompromiss gebe. Doch wenn es um Hochsicherheitsgefängnisse geht, in denen das Eindämmen von Gewalt oberste Priorität hat, waren die Argumente ziemlich überzeugend, dies in öffentlichem Eigentum zu belassen.»
Zwar würde er es nicht zugeben, dass die Entscheidung der damaligen Regierung unter dem Präsidenten Obama, Gefängnisse nicht länger zu privatisieren, irgendetwas mit seinen Veröffentlichungen zu tun hatte. Aber ganz unwahrscheinlich ist es nicht.
Klar ist, dass seine Arbeit Auswirkungen auf die Praxis hat. Während seiner Rede beim Bankett anlässlich der Nobelpreisverleihung betonte Hart, dass Ökonomen in der Lage sind, Antworten auf die dringlichsten Fragen der Welt zu liefern. Er würde sich nicht in einem Büro einschliessen und Bücher studieren, ohne dabei nicht auch über das grosse Ganze nachzudenken oder über Dinge, die sein eigenes Fachwissen übersteigen.
Die Aussenpolitik auslagern
Im Rahmen seiner Forschung beschäftigte sich Hart auch mit staatlich geführten Krankenhäusern und Schulen. Er verwies darauf, dass die Privatisierung der Müllabfuhr zum Beispiel wohl eine Selbstverständlichkeit ist. «In anderen Situationen hingegen liegt die Sache womöglich anders», sagt er. «Oder könnten Sie sich vorstellen, dass Regierungen ihre Aussenpolitik auslagern, sozusagen ein Vertrag zur Ausführung diplomatischer Dienste?» Hart lacht; er weiss, dass das ein wenig verrückt klingt. «Aber», fährt er fort, «der Weg, das als verrückt anzusehen, führt über das Konzept unvollständiger Verträge.»
Kann eine Regierung ihre Aussenpolitik auslagern?
Ein neuer Gesellschaftsvertrag für die Welt
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Weiterhin hob Hart in seiner Bankett-Rede hervor, wie wichtig es ist, Türen zu öffnen für Menschen, die von Verfolgung bedroht sind. Wenn er sagt, «Es geht nicht um ‹Amerika zuerst› oder ‹Europa zuerst› oder irgendjemand anderes zuerst», dann wird seine Sicht auf die aktuellen politischen Strömungen in seinem aktuellen Heimatland und in der Welt klar.
In Zeiten raschen technologischen Wandels bleibt Hart in gewisser Weise ein klassischer Ökonom. «In den Wirtschaftswissenschaften liegt eine Botschaft: Lasst den Markt seine Arbeit tun und effiziente Ergebnisse liefern; die Regierung soll sich dann um Sonderfälle kümmern», sagt er. «So funktioniert es und so sollte es funktionieren."
Was tun, wenn neue Technologien plötzlich den Job bedrohen
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Oliver Hart wirkte an unserem dritten Webinar der UBS Nobel Perspectives-Reihe mit. Gemeinsam mit Michael Baldinger, Head of Sustainable and Impact Investing, sprach er über die Auswirkungen von Covid-19 auf Investitionen im derzeitigen Umfeld, wobei der Fokus auf den Aspekten Umweltschutz, Soziale Verantwortung und Unternehmensführung (ESG) lag.
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