Dirk Hoozemans
Senior Portfolio Manager, Thematic Equities

Der globale Energiesektor steht an einem Wendepunkt. Die Investitionen in saubere, zuverlässige und bezahlbare Energie werden deutlich steigen, da nicht nur die Verbraucher und Hersteller verantwortungsvoller handeln wollen, sondern auch Regierungen Massnahmen ergreifen, um den Klimawandel zu bekämpfen und die Energiesicherheit zu gewährleisten. Wir rechnen mit erheblichen Investitionen in (i) Elektrifizierung und (ii) das Stromnetz, wodurch die Nachfrage nach (iii) unverzichtbaren Materialien – den Bausteinen für die Energiewende – stark zunehmen wird.

Energiewenden in der Geschichte

Im Laufe der Geschichte hat die Menschheit mehrmals einen Wandel bei der Energieversorgung erlebt. Gesellschaften und Volkswirtschaften haben sich im Laufe der Zeit von kohlenstoffintensiven Brennstoffen zur Erzeugung von Heizwärme, Strom und Licht abgewendet und verschiedene Varianten weniger kohlenstoffintensiver Brennstoffe genutzt, um zu heizen, kochen und Fabriken sowie Transportmittel zu betreiben.1 Momentan besteht der Energiemix aus Kohle, Öl und Erdgas, wobei auch Kernenergie und Wasserkraft eine stabile Grundlast liefern und ein rapides Wachstum bei Wind- und Solarenergie verzeichnet wird, wenn auch von einer geringen Ausgangsbasis aus.

Nach der Ölkrise von 1973 wurde der Begriff «Energiewende» von Politikern und Medien genutzt. Doch erst als Jimmy Carter 1977 in seiner Rede an die Nation2 von einer «Wende in der Art, wie die Menschen Energie nutzen» sprach, wurde der Begriff auch allgemein geläufig.

Wir verwenden den Begriff «Energie-Evolution», um die unserer Ansicht nach allmähliche und schrittweise Entwicklung (also Evolution) von einem System auf Grundlage fossiler Brennstoffe hin zu sauberen Möglichkeiten der Energieerzeugung, -speicherung, -versorgung und des Energieverbrauchs zu beschreiben.

Abbildung 1: Globaler Primärenergieverbrauch nach Quelle3

Balkendiagramm: Grafik: Weltweiter Primärenergieverbrauch nach Quellen zwischen 1800 und 2020

Weltweiter Primärenergieverbrauch nach Quellen zwischen 1800 und 2020

Energie-Evolution an einem Wendepunkt

Die Energie-Evolution befindet sich an einem Wendepunkt. Unserer Ansicht nach sind erneuerbare Energien der wirtschaftlichste Weg, um das duale Ziel zu erreichen, dem Klimawandel entgegenzuwirken und die Energiesicherheit zu gewährleisten. Das globale Energiesystem, wie wir es kennen, steht heute vor mehreren Problemen:

1. Demografie: Der Energieverbrauch steigt mit dem Bevölkerungswachstum.4 Schreitet die Entwicklung der Wirtschaft voran, nimmt die Urbanisierung zu und die Verbraucher werden wohlhabender.

2. Bezahlbarkeit: Der steigende Energiebedarf trifft auf jahrelange Unterinvestitionen in die Energieversorgung. Dies führt zu hohen Energiepreisen.

3. Energiesicherheit: Die jüngsten Entwicklungen in Russland und der Ukraine5 machen erneut deutlich, wie geopolitische Ereignisse die Energiepreise in die Höhe treiben. Die Notwendigkeit von Investitionen in Energiesicherheit und Autarkie sowie die Verringerung der Abhängigkeit von grenzüberschreitenden Importen für unseren Energiebedarf sind deutlich geworden.

4. Klimawandel: Die Schäden am Ökosystem unseres Planeten und die wirtschaftlichen Kosten des Klimawandels6 werden untragbar: Das Bewusstsein von Verbrauchern, Herstellern und Regierungen nimmt rasch zu und bring Änderungen an Verhalten, Regierungspolitik und der Regulierung mit sich.

Politische Massnahmen führen zu einer erneuten Welle in den Bereichen erneuerbare Energien, saubere Technologien, nachhaltige Mobilität und Investitionen in die damit verbundene Energieinfrastruktur. Dies zeigte der Absatz des US Inflation Reduction Act7, in dem erhebliche Steuergutschriften für Investitionen in neue Technologien und das Re-Shoring von Energie-Wertschöpfungsketten in Aussicht gestellt werden. Die Europäische Union arbeitet derzeit an einem ähnlichen Entwurf, um ebenso Investitionen anzuziehen.

Erneuerbare Energien: Technologie und Verbreitung ermöglichen Evolution

Wie bereits erwähnt ist der globale Übergang zu nachhaltiger Energie zunehmend durch die Erkenntnis motiviert, dass die globalen Treibhausgasemissionen auf null reduziert werden müssen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Da fossile Brennstoffe die grösste Einzelquelle für CO2-Emissionen8 sind, wird ihre Nutzung durch das Pariser Abkommen von 20159 eingeschränkt, um die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen.

Die Energie-Evolution von kohlenstoffintensiven Energiesystemen zu einem weniger kohlenstoffintensiven und saubereren Energiesystem wird durch laufende technologische Verbesserungen und den Ausbau neuer Technologien unterstützt. Wie die nachstehende Grafik zeigt, haben sich die Stromgestehungskosten (Levelized Cost of Energy, LCOE)10 von durch Kohle und Gas erzeugtem Strom kaum verbessert.

Abbildung 2: LCOE für verschiedene Technologien in USD/MWh

Grafik: Sinkende Stromgestehungskosten für Batteriespeicher, Gas, Kohle, Offshore-Wind, Onshore-Wind und Solar-PV in USD/MWh zwischen H2 2009 und 2022

Sinkende Stromgestehungskosten für Batteriespeicher, Gas, Kohle, Offshore-Wind, Onshore-Wind und Solar-PV in USD/MWh zwischen H2 2009 und 2022.

Zudem wird geschätzt, dass die Kosten für Wind- und Solarenergie weiter sinken werden, wenn die Verbreitung zunimmt, denn es wird mehr Kapazität in der sogenannten Kapazitätslernkurve bereitgestellt. Dies bedeutet eine Kostenverringerung pro Verdoppelung der installierten Kapazität.11

Dekarbonisierung durch Elektrifizierung

Kostengünstige erneuerbare Energie erleichtert die Elektrifizierung von Energiesystemen. Im Wesentlichen bedeutet dies, dass sich die Art unseres Energieverbrauchs ändern wird: Statt Autos mit Verbrennungsmotoren werden wir Elektrofahrzeuge12 nutzen und von Gasheizungen und Gasherden werden wir verstärkt auf Wärmepumpen und Elektroherde umsteigen. Schätzungen zufolge wird bis 2050 rund die Hälfte des Energieverbrauchs der Gesellschaft auf Strom entfallen.13

Abbildung 3: Mehr erneuerbare Energien erforderlich, um die steigende Stromnachfrage zu decken

Bar graph: More and more renewables are needed to meet growing demand for electricity, ~20-fold increase between 2020 and 2050E

Immer mehr erneuerbare Energien werden benötigt, um den wachsenden Strombedarf zu decken, ~20-fache Steigerung zwischen 2020 und 2050E

Diese steigende Nachfrage nach Strom wird zunehmend durch saubere Energie gedeckt werden, folglich sind erhebliche Investitionen in erneuerbare Energien erforderlich, um einen Anstieg der kohlenstoffarmen Stromerzeugung um das 20-Fache erreichen zu können.

Dezentralisierung der Stromnetze

Wenn immer mehr Strom aus intermittierenden erneuerbaren Quellen ins Netz eingespeist wird, werden Investitionen in die Batteriespeicherkapazitäten im Netz erforderlich sein, um Wind- und Solarenergie zu speichern. Schliesslich scheint die Sonne tagsüber, doch wir möchten Sonnenenergie nutzen, wenn wir von der Arbeit nach Hause kommen, den Fernseher und die Waschmaschine anschalten, unser Elektroauto laden usw.14 Darüber hinaus werden Investitionen in bidirektionale Netzwerke erforderlich sein, einschliesslich der Software zur Steuerung der Stromflüsse, um den Lastausgleich zu gewährleisten. Das bisherige Stromnetz, bei dem ein grosses Kraftwerk Strom an viele Haushalte liefert, wird einem dezentralisierten Netzwerk weichen, das auf eine verteilte Energieerzeugung15 durch kleinere ans Netz angeschlossene Akteure baut.

In demselben Szenario der Internationalen Energieagentur (IEA), in dem sich der Stromverbrauch mehr als verdoppelt und dieser steigende Strombedarf durch erneuerbare Energien gedeckt wird, sollen sich die Investitionen in das Stromnetz von 2020–2040 verdreifachen und danach auf einem erhöhten Niveau weiterlaufen.

Balkendiagramm: Netzinvestitionen sollen sich zwischen 2020 und 2040 verdreifachen

Es wird erwartet, dass sich die Netzinvestitionen zwischen 2020 und 2040 verdreifachen werden

Engpässe bei wichtigen Materialien

Die Energie-Evolution ist ein physischer Übergang, das neue, zukunftsfähige Energiesystem muss also gebaut werden. Verschiedene Bausteine sind demnach erforderlich: Wir müssen in unverzichtbare Materialien wie metallische und chemische Bestandteile von Batterien, Kupfer für Stromkabel und Leitungsnetze, Aluminium für leichte Mobilität sowie seltene Erdmetalle zur Herstellung von Dauermagneten für Elektrofahrzeuge und Offshore-Windturbinen investieren.

Aufgrund der Unterinvestitionen in viele dieser wesentlichen Faktoren der Energiewende in den letzten Jahren wird das Angebot voraussichtlich nicht ausreichen, um die Nachfrage zu decken, was zu Marktdefiziten und steigenden Preisen führen wird. An den Kupfermärkten lässt sich dies bereits beobachten und auch die Preise für Lithium sind in den letzten Jahren erheblich gestiegen.

Abbildung 5: Nachfrage nach Mineralien wird sich bis 2040 voraussichtlich verdreifachen

Balkendiagramm: Die prognostizierte Nachfrage nach Mineralien wird sich zwischen 2020 und 2040 voraussichtlich verdreifachen

Es wird erwartet, dass sich die Nachfrage nach Mineralien zwischen 2020 und 2040 verdreifachen wird

Die Gesamtnachfrage nach Mineralien dürfte sich bis 2040 verdreifachen, während die wesentlichen Baustoffe für die Energiewende erst abgebaut werden müssen.16 Bei den in Elektrofahrzeugen und Batteriespeichern verwendeten Mineralien wird sogar von einer Steigerung um mehr als das 28-Fache im gleichen Zeitraum ausgegangen.

Nicht die gesamte Nachfrage wird durch die (begrenzte) Menge an Ressourcen in der Erdkruste gedeckt werden, auch Recycling wird eine Schlüsselrolle bei der Angebotssteigerung spielen: Der Recyclinganteil bei Kupfer, Lithium, Kobalt und Nickel dürfte im gleichen Szenario von derzeit weniger als 1 Prozent auf 8 Prozent des Angebots bis 2040 steigen.

Fazit: Erhebliche Investitionen für den Übergang von Grau zu Grün erforderlich

Wie nachfolgendargestellt, befinden wir uns an einem Wendepunkt der Energie-Evolution, da die Investitionen in die Energiewende 2022 auf über 1 Billionen US-Dollar gestiegen sind – ein Anstieg von 31 Prozent im Vorjahresvergleich. Dennoch müssen sich die Investitionen in die Energiewende in den verbleibenden Jahren des Jahrzehnts verdreifachen, um ein Energiesystem mit neutraler Emissionsbilanz zu ermöglichen.

Abbildung 6: Globale Investitionen in die Energiewende nach Sektoren17

Wachstum der weltweiten Investitionen in die Energiewende nach Sektoren zwischen 2005 (50 Mrd. USD) und 2050E (6'983 Mrd. USD)

Wachstum der weltweiten Investitionen in die Energiewende nach Sektoren zwischen 2005 (50 Mrd. USD) und 2050E (6'983 Mrd. USD)

Chancen bei der Energieentwicklung

Um den Klimawandel zu bekämpfen, die Energiesicherheit zu gewährleisten und die wachsende Nachfrage nach bezahlbarer Energie zu befriedigen, die durch das Bevölkerungswachstum angetrieben wird, müssen sich die jährlichen Investitionen in die kohlenstoffarme Energiewende weltweit bis 2030 von 1,11 Billionen US-Dollar auf rund 3,92 Billionen US-Dollar mehr als verdreifachen. Dies bietet Anlegern, die langfristige Renditen erzielen und gleichzeitig vom Engagement in der Energieentwicklung profitieren möchten, zahlreiche Möglichkeiten.

S-07/24 NAMT-1326

Thematische Aktienanlagen: Fokus auf Pure-Player

Engagement in die Megatrends der Zukunft

Ohne ausgebaute Stromnetze keine Energiewende

Angesichts der zunehmenden Nutzung erneuerbarer Energien und der verstärkten Elektrifizierung ist der Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze unabdingbar.

Über den Verfasser
  • Dirk Hoozemans

    CFA, Senior portfolio manager, Thematische Aktien

    Dirk Hoozemans (MA, CFA, ESG CFA), Director, ist Lead Portfolio Manager der Energy Evolution-Strategie. Im Jahr 2022 wechselte er von Triodos Investment Management zu Credit Suisse Asset Management, das jetzt Teil der UBS-Gruppe ist, wo er als Fondsmanager einer globalen, auf Small und Mid Caps ausgerichteten thematischen Impact-Strategie tätig war und für die Ausarbeitung eines neuen, wirkungsorientierten Anlageprozesses verantwortlich war, einschließlich ESG-Integration und Active Ownership-Richtlinien. Davor hatte Dirk verschiedene Positionen im Portfoliomanagement bei Robeco Asset Management inne, unter anderem als Portfoliomanager für eine globale Energiestrategie. Dirk hat einen Master in Ökonometrie von der Universität Tilburg, Niederlande, ist CFA Charterholder und hat das CFA Institute Certificate in ESG Investing erworben.

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