Für diesen Entscheid muss man tief in sich gehen und die Bedürfnisse sowie den eigenen Charakter richtig einschätzen können. Der Entscheid, die Pensionskasse als lebenslange Rente zu beziehen oder sich das Ganze angesparte Kapital auf einmal auszahlen zu lassen, hat einen grossen Einfluss auf das Leben als Pensionär. Für viele Personen ist die Pensionskasse der grösste Vermögens-Brocken in der Altersvorsorge.
Die Zukunft und die persönliche Entwicklung lassen sich nicht planen, es gibt also nicht den einen richtigen Entscheid. Für gewisse Personen ist die Rente aber ziemlich sicher, die anzustrebende Lösung. Dies, wenn der Bald-Pensionierte über wenige Vorsorgeguthaben ausserhalb der PK verfügt, sich einer guten Gesundheit erfreut, über keine Erfahrung in der Geldanlage verfügt, alleinstehend ist und grundsätzlich Mühe hat, angesparte Vermögenswerte «auf der hohen Kante» zu konsumieren.
Hohe Planungssicherheit
Hohe Planungssicherheit
Hier bietet sich Rentenbezug als «Lohnfortsetzung» an. Monatlich erhält der Versicherte eine garantierte Rente bis zu seinem Tod. Der Pensionär hat eine hohe Planungssicherheit, da sich mit der Höhe des Kapitals, dem Umwandlungs- und Steuersatz ziemlich genau berechnen lässt, wie viel Geld zum Leben bleibt. Dabei muss der Bezüger keine Eigeninitiative entwickeln und sich um nichts kümmern. Auch trägt die Pensionskasse das Risiko einer langen Rentenbezugsdauer. Der Rentenbezug sei der eigentliche Grundgedanke in der AHV und der beruflichen Vorsorge, erinnert Jürg Walter, Pensionskassen-Experte bei Libera. Er verweist auf einen weiteren Punkt der Rente: Im Todesfall des Rentners werde eine Ehegattenrente an den überlebenden Partner bezahlt.
Doch ein Rentenbezug bringt auch Nachteile. Die fixe, regelmässige Rente ermöglicht kaum finanzielle Flexibilität, falls man grössere Anschaffungen oder Reisen plant. Im Fall eines Todesfalls bleibt die nicht ausbezahlte Rente bei der Pensionskasse, und die Erben gehen leer aus. Je nach Pensionskasse gibt es keinen oder nur eine gewisse Anpassung an die Inflation. Für diese Beurteilung gilt es abzuklären, ob für die Rente eine Indexierung vorgesehen ist. Sonst könnte eine hohe Teuerung zu einer schweren Belastung werden.
Dies können Gründe sein, die Vermögensverwaltung in die eigene Hand oder in jene eines Vermögensverwalters zu legen. Wer davon überzeugt ist, dass sich mit einer eigenen Anlagestrategie eine höhere Rendite erzielen lässt als die Verzinsung der PK, und so auch eine allfällig hohe Inflation auffangen will, soll das Kapital beziehen.
Wer hat die Wahl?
Wer hat die Wahl?
Bevor man sich mit diesem gewichtigen Entscheid beschäftigt, gilt es abzuklären, in welchem Ausmass man überhaupt die Möglichkeit der Wahl hat. Der Versicherte muss sich rechtzeitig bei seiner Pensionskasse erkundigen, bis wann man sich für den Barbezug anmelden muss und in welchem Umfang dieser möglich ist. Das können durchaus einige Jahre sein – es lohnt sich also, diesen Sachverhalt mit 55 Jahren abzuklären. Ein Viertel des obligatorischen Altersguthabens muss laut Gesetz mindestens bar auszahlbar sein. Bei gewissen Pensionskassen lassen sich 100% des Alterskapitals beziehen. Ein trauriges Argument für den Kapitalbezug kann auch sein, dass der Begünstigte aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen davon ausgehen muss, vor Erreichen der durchschnittlichen Lebenserwartung zu sterben. Mit dem Kapitalbezug kann er sich ein luxuriöseres Leben leisten als mit Rente, oder er kann das übrig bleibende Geld vererben.
Die Bewirtschaftung der bezogenen Gelder ist zentral. Wer sein Geld nach dem Bezug auf dem Konto lässt und vom Zins leben will, hätte besser eine Rente bezogen. Auch eine breite Diversifikation ist angezeigt, sonst riskiert man den Verlust des Vorsorgekapitals. In diesem Fall muss der Pensionär sein Leben mit den bescheidenen Zahlungen der AHV bestreiten. Wer im Aktienmarkt engagiert ist, muss zudem ruhig schlafen können, wenn die Börse im zweistelligen Bereich korrigiert.
«Es muss im Bauch stimmen», sagt Jörg Odermatt, CEO von Pens-Expert. Mittlerweile werde ein Kapitalbezug von einem Drittel des Kapitals (zwei Drittel als Rente) von Personen mit einem durchschnittlichen Einkommen oft angewendet. Als Faustregel empfiehlt er einen Teilbezug, wenn der Rentner so auf ein jährliches Renten-Einkommen von rund 70 000 Fr. komme (AHV 42 000 und PK 30 000). «Wenn zusammen mit der AHV nicht sämtliches Kapital in der Pensionskasse für die Rente benötigt wird, kann ein teilweiser Kapitalbezug durchaus sinnvoll sein», sagt auch Jürg Walter. Im derzeitigen Niedrigzinsumfeld ist es jedoch kein einfaches Unterfangen, den Anlageerfolg der PK zu übertreffen.
Achtung, Gebühren
Achtung, Gebühren
Odermatt empfiehlt, den Kapitalbezug in Realwerte zu investieren. Die Rente bezeichnet er als Obligationen-ähnliche Anlage ohne Korrelation zu den Finanzmärkten. «Die Renten sind fix, garantiert und für die Pensionierten noch nie gekürzt worden», fügt er an. Angesichts der tiefen Renditen, die derzeit auf dem Finanzmarkt zu erzielen sind, gilt es das Augenmerk auf die Gebühren zu richten. So reicht in einer rudimentären Überschlagsrechnung das angesparte Kapital für 30 statt für 25 Jahre, wenn die Gebühren um 1% gesenkt werden.
Doch ist nicht nur eine Anlagestrategie nötig, sondern auch eine Liquiditätsplanung. In den ersten Jahren reicht das Einkommen aus der Rente oft nicht aus, um den Haushaltsbedarf zu decken, Lücken werden dann (wenn vorhanden) mit der dritten Säule oder Verzehr des Anlagekapitals gedeckt. Mit fortschreitendem Alter wird der Mittelbedarf kleiner, und das Schmelzen des Anlagekapitals kann verkraftet werden. Odermatt empfiehlt auch eine allfällige Hypothek in diese Planung mit einzubeziehen. Die Hypothek soll gemäss dem Pens-Expert-CEO auf ein Niveau gesenkt werden, auf dem die Zinsen auch im Fall stark steigender Zinsen tragbar bleiben. Das könne durchaus mehr sein als die Amortisation der II. Hypothek. Gleichzeitig dürfe die Hypothek aber nicht zu stark reduziert werden, denn aufstocken lässt sich im Pensionsalter nicht mehr.
Einkauf ändert Entscheid nicht
Einkauf ändert Entscheid nicht
Bei Früh- oder Teilpensionierung bleibt die Fragestellung zum Entscheid «Rente oder Kapital» die gleiche, wobei mit einem tieferen Alterskapital als bei einer regulären Pensionierung kalkuliert wird. Wer die Möglichkeit hat, soll durch Einkäufe das Kapital und den Zinseszinseffekt erhöhen – auch wenn keine Frühpensionierung geplant ist. Ein normaler Einkauf wird dem überobligatorischen Altersguthaben gutgeschrieben, der teilweise eine schlechtere Verzinsung aufweist als der obligatorische Teil. Jürg Walter führt aber an, dass die meisten autonomen Pensionskassen als sogenannte umhüllende Pensionskassen aufgebaut sind, die keine Unterscheidung von obligatorischem und überobligatorischem Teil machen. Das gesamte Altersguthaben inklusive der Einkäufe wird entsprechend mit dem gleichen Zinssatz verzinst.
Ein weiterer Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt, ist die Besteuerung: Renten sind zu 100% als Einkommen zu versteuern, Kapitalauszahlungen werden nach einem eigenen Tarif besteuert, aber auch Kapitalerträge und Vermögen sind steuerpflichtig. Die Komplexität allein des Entscheides Rente oder Kapital zeigt, dass der Durchschnittsbürger für die Pensionsplanung sich mit Vorteil an eine Fachperson wendet, um nicht zu riskieren, einen entscheidenden Aspekt der Vorsorgeplanung zu vergessen oder komplett falsch einzuschätzen.
Mit freundlicher Genehmigung der Neuen Zürcher Zeitung.