Mit durchschnittlich 83 Jahren ist die Lebenserwartung bei Geburt in der Schweiz eine der höchsten weltweit. Viele Bürger träumen aber trotzdem von einem verfrühten Eintritt in die Pensionierung, also noch vor dem ordentlichen Rentenalter von 64 Jahren für Frauen und 65 Jahren für Männer. Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK im Auftrag des Finanzunternehmens Moneypark von Anfang dieses Jahres wollen sich 36% der berufstätigen Schweizer vor Erreichen des Renteneintrittsalters pensionieren lassen. Der Wunsch, frühzeitig aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, steigt dabei mit Einkommen und Bildungsstand.
Geringere Einkünfte
Manchen wird der Entscheid, sich frühpensionieren zu lassen, allerdings auch von ihrem Arbeitgeber abgenommen, der sie quasi «zwangspensioniert». Andere Gründe für Frühpensionierungen sind gesundheitliche Probleme oder zu hoher Stress bei der Arbeit. In jedem Fall drohen bei einer Frühpensionierung erhebliche finanzielle Einbussen. Worauf ist bei einer Frühpensionierung zu achten?
■ Zunächst einmal ist eine gute Planung sehr wichtig. Willy Graf, Gründer der Vermögensverwaltungs- und Vorsorgeplanungsgesellschaft VVK, rät, den finanziellen Bedarf mit einem Haushaltsbudget im Alter genau abzuklären und festzulegen. Sonst könne man sich nicht beraten lassen. Dabei gilt es also, den Einkünften nach der Pensionierung die erwarteten Ausgaben gegenüberzustellen. Graf weist darauf hin, dass bestimmte Ausgaben nach der Pensionierung nicht mehr anfallen, beispielsweise die Beiträge für die Säule 3a oder bestimmte Versicherungsbeiträge. Dasselbe gilt für mögliche Ausgaben für das Pendeln zum Arbeitsplatz. So könnten die Ausgaben nach der Frühpensionierung geringer ausfallen. Allerdings ist das nicht immer der Fall – beispielsweise, wenn die Frühpensionäre reisen möchten oder mehr Geld ausgeben, da sie mehr Freizeit haben.
■ Demgegenüber sind die Einkünfte nach einer Frühpensionierung im Allgemeinen erheblich geringer. So kann danach eine relativ grosse Einkommenslücke entstehen. Diese sei in vielen Fällen deutlich grösser, als die Betroffenen erwarteten, sagt Damian Gliott von der Beratungsgesellschaft Vermögenspartner. Auch gilt es zu berücksichtigen, dass die Rente meist für den Rest des Lebens kleiner ausfällt. Damit man frühzeitig in Pension gehen kann, führt aus Sicht von Gliott in den meisten Fällen am frühen Sparen kein Weg vorbei. Als Möglichkeiten, die drohende Einkommenslücke zu verkleinern, gelten beispielsweise freiwillige Einkäufe in die Pensionskasse, das Sparen in der Säule 3a oder der freie Vermögensaufbau.
■ In den Jahren nach der Frühpensionierung fehlt indessen nicht nur der Lohn – auch der Verzehr des Vermögens beginnt früher. Im Haushaltsbudget ist ausserdem zu berücksichtigen, dass man bis zum Renteneintrittsalter keine AHV-Rente bekommt – es sei denn, man bezieht sie vor und erleidet dann erhebliche Einbussen. Vielmehr muss man die Zahlungen in die AHV sogar noch bis zum Renteneintrittsalter weiter leisten, obwohl die Einkünfte geschrumpft sind. Wie ein Merkblatt der AHV/IV ausführt, können Versicherte die Altersrente um ein oder zwei Jahre vorbeziehen, ein Vorbezug für einzelne Monate ist nicht möglich. Wer die AHV vorbezieht, erhält für die Dauer des gesamten Rentenbezugs eine gekürzte Rente. Bei einem Vorbezug der AHV um ein Jahr wird diese um 6,8%, bei einem solchen um zwei Jahre um 13,6% gekürzt. Gliott hält den Vorbezug der AHV-Rente aufgrund der hohen Einbussen im Allgemeinen für keine gute Idee.
■ An einer Frühpensionierung Interessierte sollten sich auch darauf einstellen, dass sie bei der Pensionskasse einen niedrigeren Umwandlungssatz erhalten. Der Umwandlungssatz ist der Prozentsatz des in der Vorsorgeeinrichtung angesparten Vermögens, der einem Versicherten nach der Pensionierung pro Jahr ausbezahlt wird. Zudem fliesst während der Jahre nach der Frühpensionierung kein Kapital mehr in die Vorsorgeeinrichtung. Auch entfielen Zins und Zinseszins, sagt Gliott. Wer fünf Jahre vor dem Renteneintrittsalter in Pension gehe, solle sich auf eine um rund 30% kleinere Rente aus der beruflichen Vorsorge einstellen. Pro Jahr ist bei den meisten Pensionskassen mit Kürzungen von 5 bis 7% zu rechnen.
■ Graf weist auch darauf hin, dass immer mehr Pensionskassen ihre Versicherten zwingen, bei der Pensionierung 50% des Kapitals zu beziehen. Dies gelte es abzuklären. Schliesslich wollten die meisten Versicherten nach der Pensionierung einen monatlichen «Lohn» in Form einer Rente erhalten.
Säule 3a stopft Löcher
■ Wie Gliott ausführt, unterstützen manche Arbeitgeber Angestellte bei Frühpensionierungen. Dies kann beispielsweise in Form von Zuschüssen in die Pensionskasse, einer AHV-Ersatzrente oder dadurch geschehen, dass der Arbeitgeber AHV-Beiträge des Angestellten bezahlt. Manche Pensionskassen bieten ihren Versicherten auch Überbrückungsrenten an, damit diese die AHV nicht vorbeziehen müssen. Diese Renten fliessen bis zum Erreichen des ordentlichen Renteneintrittsalters – allerdings müssen die Angestellten sie oftmals selbst finanzieren. Auch ein allmählicher Übergang in die Pension ist denkbar, bei dem das Arbeitspensum Schritt für Schritt reduziert wird. In einem solchen Fall sind die finanziellen Kürzungen entsprechend kleiner.
■ Die in der Säule 3a angesparten Gelder kann man bis fünf Jahre vor dem Renteneintrittsalter beziehen. Mit den dort angesparten Geldern lässt sich die durch die Frühpensionierung entstandene Einkommenslücke möglicherweise teilweise reduzieren. Beim Bezug der Gelder aus der Säule 3a sei eine gute steuerliche Planung wichtig, sagt Graf. Es empfiehlt sich, mehrere Säule-3a-Konten bei verschiedenen Banken anzulegen. Wenn das dort angesparte Kapital in verschiedenen Jahren bezogen wird, lässt sich die Steuerprogression brechen. Laut Gliott gilt es derweil zu berücksichtigen, dass nach einer Frühpensionierung Einzahlungen in die Säule 3a nicht mehr möglich sind.
Mit freundlicher Genehmigung der Neuen Zürcher Zeitung.