In jedem Januar wiederholt es sich. Fitnessstudios sehen einen Zustrom von neuen Mitgliedern, Sparziele werden festgelegt und Vorhaben für ein insgesamt gesünderes und finanziell stabileres Jahr sind gemacht. Aber bis zum Ende des Monats flaut dieser Aufschwung bei vielen bereits ab. Dahinter steckt Psychologie – sowohl bei unserem Wunsch, uns Ziele zu setzen, als auch bei unserer Unfähigkeit, sie durchzusetzen. Das ist der Grund, weshalb Richard Thaler, Verhaltensökonom und New York Times-Bestsellerautor, zu diesem Thema genau der richtige Ansprechpartner ist.

Den Salat sehen, dem Burger widerstehen

Verhaltensökonomie bzw. angewandte Verhaltenswissenschaft untersucht die psychologischen, emotionalen und sozialen Auswirkungen unserer Entscheidungen und baut Theorien rund um die menschliche Entscheidungsfindung auf. Die Ökonomen, die auf diesem Gebiet arbeiten, kombinieren Ökonomie und Psychologie, um besser zu verstehen, warum Menschen sich so verhalten, wie sie es tun.

Thaler machte den Begriff „Nudge“ populär, mit der zugrunde liegenden Idee, dass wir nie unbeeinflusst Entscheidungen treffen.

„Wenn wir nach unten in unsere Cafeteria gehen, gibt es mehrere Stationen, an denen man Essen holen kann“, sagt Thaler, der an der University of Chicago Booth School of Business lehrt. “Wenn man reingeht, ist das Erste, was man sieht, eine Salatbar, die natürlich die gesündeste Station ist, und man muss um die Salatbar herumlaufen, um zu den Burgern und Pommes zu gelangen. Nun, jemand muss sich Gedanken gemacht haben, wie man das ganze aufbaut. Ich bin mir nicht sicher, ob man das im Sinn hatte, aber es ist ein Beispiel dafür, wie etwas, das auf den ersten Blick nicht sehr wichtig scheint, die Essgewohnheiten beeinflussen und Menschen dazu bringen kann, etwas Gesundes zu essen. Und das gilt in jedem Bereich.“

Thaler erwähnt auch Fast-Food-Restaurants, für die in den Vereinigten Staaten seit einiger Zeit die gesetzliche Regelung gilt, die Anzahl der Kalorien auf den Speisekarten zu ergänzen.

„Wenn man sieht, dass die Zimtrolle, die man eigentlich kaufen wollte, tausend Kalorien hat, könnte man sich umentscheiden und sagen ‘Oh, vielleicht ist diese Banane auch eine Option’“, sagt er.

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Die unvermeidliche Choice Architecture

Thaler und sein Co-Autor Cass Sunstein behaupten, dass man das Nudging nicht vermeiden kann, genauso wie man die Choice Architecture nicht vermeiden kann – die Art und Weise, wie verschiedene Optionen präsentiert werden.

„Eines der Dinge, die wir hervorheben, ist die Bedeutung von Standardoptionen“, sagt er. „Da Choice Architecture unvermeidlich ist, muss es eine Speisekarte geben. Es muss einen Entwurf für diese Cafeteria geben. Warum sollte dieser nicht gut durchdacht werden?”

Er hat für Kritiker, die behaupten, dass „Nudges“ sich wie Manipulation anfühlen können, ein offenes Ohr, beharrt aber auf der Gegenposition.

„Die Leute sagen, wir würden Menschen herumkommandieren, was wir aber nicht tun“, sagt Thaler. „Zunächst einmal gibt es immer eine Ausstiegsmöglichkeit in dem, was wir uns überlegen. Das GPS-System ist eine Analogie, die wir mögen. Nun, ich habe den schlechtesten Orientierungssinn der Welt. Ohne Karte bin ich dem Untergang geweiht. Schauen wir uns doch einmal die GPS-Technologie an. Der Benutzer wählt das Ziel und die Karte hilft ihm, dorthin zu gelangen, und ermöglicht es ihm sogar, einen Umweg zu nehmen. Wenn man unterwegs ist und eine schöne Aussicht sieht, kann man einfach anhalten. Das GPS-System schreit den Nutzer niemals an – es ist kein nerviger Beifahrer. Man stelle sich vor, wir könnten ein GPS-System fürs Leben haben, was speziell dafür gemacht wurde, dorthin zu kommen, wo man hingelangen möchte, ohne jemals zu befehlen, was zu tun ist. Das wäre toll.“

Wenn man sieht, dass die Zimtrolle, die man eigentlich kaufen wollte, tausend Kalorien hat, könnte man sich umentscheiden und sagen ‘Oh, vielleicht ist diese Banane auch eine Option.
– Richard Thaler

Nudges im eigenen Leben anwenden

Laut Thaler ist die Technologie, die man wahrscheinlich schon besitzt, ein grossartiger Ausgangspunkt. Smartphones und Smartwatches haben bereits integrierte Funktionen, die die Anzahl der Schritte, die man pro Tag macht, tracken können, und sie bieten die Möglichkeit, Bildschirmzeit zu begrenzen.

„Das ist eine Feedback-Quelle“, sagt er. „Und wenn man dann am Ende des Tages die Ergebnisse anschaut und es scheint, als hätte man sich kaum bewegt, ist das dieses Feedback, was ich meine. Hin und wieder bekommt man die Anweisung, aufzustehen. Man kann diese Funktion zwar deaktivieren, sollte man aber nicht. Und das ist erst der Anfang. Die Geräte können Ihren Herzschlag messen und ein primitives EKG durchführen. Man stelle sich einmal vor, wo diese Technologie in zehn Jahren sein wird oder sogar schon in fünf Jahren. Die Technologie zur Überwachung des Blutzuckers bei Menschen mit Diabetes und zur Verabreichung der regulierenden Medikamente gibt es bereits. Nun, das geht über Nudging hinaus, oder? Das ist kein Anstupsen, sondern ein Übernehmen durch die Technik. Aber in vielen Fällen wollen wir das sogar, genau wie selbstfahrende Autos.“

Auf etwas zugreifen können, das uns überwacht und dazu bringt, besser auf unsere Gesundheit zu achten, ist nicht nur für den Einzelnen von Vorteil – es ist auch für das System insgesamt besser. Die Prävention ist nicht nur einfacher als die Behandlung, sondern auch kostengünstiger für die Person, und sie setzt zudem Ressourcen in medizinischen Einrichtungen frei.

„Der einfachste Weg, Geld im Gesundheitswesen zu sparen, wäre, wenn wir die Menschen dazu bringen könnten, einfach ihre Medikamente einzunehmen“, sagt er.

Man stelle sich ein Thermostat vor, das an einem heissen Tag, wenn Sie es ein oder zwei Grad runterdrehen, sagt: ‘Das wird Sie 10 Euro kosten.’ Es liegt an Ihnen – entscheiden Sie sich, wie Sie wollen, aber es wird Sie etwas kosten.
– Richard Thaler

Besser für Ihr Portemonnaie und den Planeten

So wie Verhaltensökonomie und Nudges ermutigen können, einen Spaziergang zu machen oder sich für die Salatbar zu entscheiden, kann es auch bei den alltäglichen Entscheidungen helfen, die wir zu Hause treffen, und uns letztlich auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Leben unterstützen.

„Es gibt Technologien und Verhaltensoptimierungen, die auch an den Rändern gute Arbeit leisten können“, sagt er. „Moderne Thermostate beispielsweise. Sie wissen, wann man zu Hause ist und wann nicht, und passen demnach die Leistung an.“

„Man stelle sich ein Thermostat vor, das an einem heissen Tag, wenn Sie es ein oder zwei Grad runterdrehen, sagt: ‘Das wird Sie 10 Euro kosten.’ Es liegt an Ihnen – entscheiden Sie sich, wie Sie wollen, aber es wird Sie etwas kosten. Es gibt also Mechanismen, die uns dabei helfen können, besser zu verstehen, wie viel Energie etwas verbrauchen wird. Das sind alles kleine Dinge, aber zusammen sind all diese kleinen Dinge ein Weg, wie wir den Klimawandel bewältigen können.“

Und so entstehen auch die meisten Gewohnheiten. Kleine Veränderungen, die im Laufe der Zeit ganz natürlich werden, statt eines grossen Versprechens, das wir uns zu Beginn eines jeden Jahres willkürlich selbst geben. Fröhliches Nudging!

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Foto von Richard Thaler

Perspektiven der Nudge-Theorie und Verhaltensökonomik

Richard H. Thaler

Nobelpreisträger, 2017

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