Die Kosten der Klimakrise berechnen
Aktuelle Wirtschaftsmodelle beziehen Klimamodelle nicht mit ein, jedoch könnte sich dies bald ändern. Ein Nobelpreisträger spricht über seine Arbeit an neuen Klimamodellen und darüber, wie Anlagestrategien dahingehend angepasst werden können, dass sie nicht nur auf Performance, sondern auch auf Nachhaltigkeit ausgelegt sind.
So, wie sich die Welt stetig verändert, so verändern sich auch unsere Anlagestrategien. Ob es sich um Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte (ESG) oder um nachhaltige Investitionen und Impact Investing handelt, der Wert unserer Investitionen ist nicht mehr nur alleine mit Renditen verbunden. Traditionelle Erfolgs- und Wachstumsmaßstäbe werden neu definiert, indem wir in Bereichen wie Gesundheitswesen, Bildung und Klimawandel einen Beitrag zum sozialen Wohl leisten. Sowohl Ökonomen, Zentralbanken als auch die Politik erforschen diese neu entstehenden Risiken und Chancen.
Neue Klimamodelle entwickeln
Neue Klimamodelle entwickeln
Der Nobelpreisträger Robert Engle erhielt den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften im Jahr 2003 für seine Arbeit an Methoden zur Analyse ökonomischer Zeitreihen mit zeitlich variabler Volatilität. Als logische Folge seiner beruflichen Entwicklung ist er nun unter anderem Co-Direktor des Volatility and Risk Institute an der Stern NYU. Das Volatility and Risk Institute ist ein interdisziplinäres Forschungs- und Analysezentrum, das sich sowohl mit finanziellen als auch mit nicht-finanziellen Risiken beschäftigt. Der Fokus liegt auf neu aufkommenden Risikoarten wie Klimarisiken, geopolitischen Risiken, Cyberrisiken, finanziellen Risiken und in jüngster Zeit auch Pandemierisiken.
„Das Volatility and Risk Institute interessiert sich sehr für die Risiken, die unserer Meinung nach aktuell und in Zukunft auf uns zukommen, sowohl für Finanzinvestoren als auch für die Bevölkerung“, sagt Engle. „Das Klimarisiko gehört zu den Gefahren, die wir besonders ernst nehmen. Dieses Risiko ist zwar relativ neu, birgt aber so enorme Auswirkungen, dass wir es mit großer Besorgnis beobachten.“
Laut Engle gibt es in der Regel zwei Arten von Risiken. Die physikalischen Risiken wie Stürme, Wassermangel, Hitzewellen usw. Die zweite Risikoart sind Übergangsrisiken, also Risiken, die wir auf uns nehmen, wenn wir versuchen, die Klimaauswirkungen durch Maßnahmen wie die Dekarbonisierung der Wirtschaft zu reduzieren.
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Die Übergangsrisiken können wir recht gut modellieren, da sie sektorale Auswirkungen haben“, erklärt Engle. „Einige Unternehmen und Sektoren sind stärker von Übergangsrisiken betroffen als andere, und so haben wir unter anderem diverse Faktoren entwickelt, aus denen hervorgeht, welche Arten von Anlagewerten am ehesten vom Klimawandel beeinträchtigt werden.“
„Ein Faktor sind die öffentlich verfügbaren Fonds, die an der Wall Street angeboten werden“, fährt er fort. „Sie basieren auf verschiedenen Arten von ESG-Maßnahmen. Sie basieren auf unterschiedlichen Konzepten zum Thema Nachhaltigkeit. Und die Frage ist, welche dieser Fonds für Klimaportfolios am besten geeignet sind.“
Das Volatility and Risk Institute stellt dann ein Portfolio aus diesen Fonds zusammen, indem untersucht wird, welche Fonds grüne Aspekte aufweisen, d. h. einen Wertzuwachs erzielen, wenn es neue Erkenntnisse zum Klima gibt, und dabei eine positive Rendite erzielen.
„Wir denken, dass Investoren entscheiden können, wie sie ihr Geld in Klimaschutzmaßnahmen investieren, um sich für den Klimawandel zu wappnen, von dem wir alle glauben, dass er kommen wird“, sagt er. „Wir sehen dies als eine Möglichkeit, Anleger zu unterstützen, betrachten es aber zugleich als Hilfestellung für die Regulierer, weil wir das Gleiche auch für Banken umsetzen können.“
Zu den Daten und Theorien
Zu den Daten und Theorien
Für Engle und seine Kollegen war der erste und wichtigste Schritt, verschiedene Datensätze zusammenzutragen. Allerdings mussten sie weitestgehend bei Null beginnen, da klimabezogene Daten nicht in die existierenden Modelle passten. Um Klimarisiken sinnvoll einschätzen und bewerten zu können, mussten sie neue Konzepte entwickeln und neue Analysemethoden einsetzen, um zu bestimmen, welche Branchen am stärksten betroffen sein könnten und wie sich diese Risiken auf das Verhalten von Verbrauchern und Investoren auswirken könnten.
„Wir haben viel Erfahrung in der Entwicklung von Wirtschaftsmodellen“, sagt Engle. „Keines dieser Modelle berücksichtigt Temperatureffekte. Keines berücksichtigt Regenfälle oder Präzipitation bzw. Meeresspiegel oder sonstige Klimaeinflüsse.“
Obwohl Physik und Geowissenschaften uns etwas über die allgemeine Entwicklung des Planeten sagen können, ist es für Ökonomen nicht möglich, genaue Prognosen darüber zu geben. Es existieren zudem keinerlei Statistiken, so dass sie sich allein auf theoretische Überlegungen beschränken müssen, wodurch das theoretische Konzept dieser Risikomodelle kompliziert bleibt.
„In der Wissenschaft bestehen viele Wissenslücken, und dann müssen die Ökonomen versuchen, anhand der wissenschaftlichen Prognosen die zu erwartenden Schäden zu ermitteln“, sagt er. „Zu den Herausforderungen gehört natürlich, dass wir uns fragen, was wohl geschehen wird, wenn etwas passiert, das wir noch nie zuvor erlebt haben. Die Ökonometrie zur Entwicklung eines darauf basierenden Modells ist eine echte Herausforderung.“
Das Volatility and Risk Institute geht auf Grundlage seiner Untersuchungen davon aus, dass die fossilen Brennstoffindustrien am stärksten betroffen sein werden, da sie nach wie vor den größten Anteil der Treibhausgasemissionen verursachen. Allerdings wissen sie nicht, ob sich diese Industrien verstärkt auf erneuerbare Energiequellen umstellen werden, und sie wissen auch nicht, ob die Branche höhere Preise an die Kunden weitergeben oder niedrigere Preise bei den Lieferanten durchsetzen wird. Engle weist darauf hin, dass die Kosten des Klimawandels aufgrund solcher Variablen stark schwanken, je nachdem, welche Modelle man verwendet und wie man das Thema betrachtet.
„Es stellt sich die Frage, wer bei der Dekarbonisierung tatsächlich die Folgen zu spüren bekommen wird“, sagt er. „Die Wirtschaft muss auf sämtlichen Ebenen so umgestaltet werden, dass die Ressourcen so effizient wie möglich genutzt werden. Und dies ist einer der Gründe, warum Ökonomen die Idee einer Art CO2-Steuer begrüßen, da die Wirtschaft auf diese Weise die kostengünstigste Lösung für die Dekarbonisierung finden kann.“
Die Auswirkungen auf die reale Welt
Die Auswirkungen auf die reale Welt
Engle sagt, dass diese Klimamodelle natürlich nicht ausschließlich den Finanzsektor betreffen, da alle Besitzer von Aktien eines Unternehmens ein persönliches Interesse an der Zukunft dieses Unternehmens haben, was einer der Gründe dafür ist, dass gewisse Aktienkurse gegenwärtig davon betroffen sind.
„Wenn man versucht, ein Hedge-Portfolio zusammenzustellen, sollte man vielleicht weniger Anteile von Unternehmen halten, die von Klimarisiken betroffen sind, und mehr von solchen, die keinen Klimarisiken unterliegen oder die in ihrem Geschäftsmodell gewisse Lösungsansätze für Klimarisiken haben“, sagt Engle. „Somit würde ein solches Portfolio eine Strategie zur Risikoabsicherung darstellen. Grundsätzlich sollte ein Hedge-Portfolio schon etwas kosten. Sollte sich der Klimawandel jedoch gravierender als vom Markt erwartet auswirken, und wir glauben, dass der Markt dies bisher nicht ausreichend eingepreist hat, dann werden die Aktienkurse derjenigen Unternehmen, die auf den Klimawandel vorbereitet sind, ansteigen und das Hedge-Portfolio wird an Wert gewinnen.“
Diese neuen Modelle und Risikoanalysen können nicht nur von den Aktienmärkten und Portfoliomanagern genutzt werden, vielmehr können auch die Zentralbanken Strategien so anpassen, dass ökologische Maßnahmen besser unterstützt werden, indem sie den Klimawandel stärker mit der Geldpolitik verknüpfen und dazu beitragen, künftigen Finanzkrisen vorzubeugen.
„Viele Zentralbanken machen sich darüber Gedanken, ob ihre Investitionen, Kredite und Vermögenswerte durch den Klimawandel belastet sein werden, sollte der Klimawandel tatsächlich eintreten“, sagt Engle. „Die Regulatoren würden gerne sicherstellen, dass die Banken, die sie regulieren, keine Werte halten, die stark durch den Klimawandel beeinträchtigt werden. Wir sind alle damit beschäftigt, die beste Methode zu finden, wie man die Anfälligkeit von Banken für diese Art von Risiken am besten bestimmen kann.“
Engle hofft auf mehr Initiative aus der Politik, um eine potenzielle Krise zu vermeiden, denn Forschung und neue Modelle allein reichen nicht aus.
„Pläne sind die eine Sache“, sagt er. „Die Umsetzung ist eine andere.“
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