Wird China die USA übertreffen und die Tech-Revolution anführen?
Ganz gleich, ob es um Robotik, E-Commerce oder 5G-Netze geht – China mischt bei der technologischen Entwicklung weit vorne mit. Doch wird das Land die Spitzenposition erobern können?
2015 initiierte die chinesische Regierung das Programm «Made in China 2025», das Schluss mit dem Ruf des Landes als «verlängerte Werkbank der Welt» machen und es stattdessen weltweit führend in der Technologie machen soll. KI, Robotik, Elektroautomobile und grüne Energie zählen zu den Schlüsselbranchen dieser Initiative. Ziel des Programms ist es, den Lebensstandard für 1,3 Milliarden Chinesen zu verbessern und die Pole Position im Wettlauf um den Status als innovativster Global Player zu beanspruchen.
Seit dem Schlussstrich unter der Mao-Ära Ende der 1970er Jahre hat China unglaubliche Fortschritte gemacht, wobei hunderte Millionen Menschen die Armutsgrenze überwinden konnten. «Das wäre sicherlich nicht ohne die Globalisierung passiert», erläutert Joseph Stiglitz. Dies «ermöglichte China den Zugang zu den globalen Märkten, zu internationaler Technologie und internationalen Investitionen. Seit langer Zeit hatte kein Ereignis derart grosse Auswirkungen auf das Leben so vieler Menschen.»
Das chinesische Wachstumsmodell basiert seit 40 Jahren auf einem Prinzip, das Wirtschaftswissenschaftler einen komparativen Vorteil nennen. «Dieser komparative Vorteil war arbeitsintensive Fertigung, wobei der Ausgangspunkt die textilverarbeitende Industrie war», sagt Michael Spence. Es ist absehbar, dass die Automatisierung in gewissem Umfang die Arbeitskräfte in der Produktion verdrängen und die Wachstumsdynamik stoppen wird, auf der die chinesische Erfolgsgeschichte basiert. Insofern handelt das Land richtig mit seinem Versuch, den Fortschritt zu fördern und innerhalb der Wertschöpfungskette weiter nach oben zu klettern.
«Das Organisationsprinzip der globalen Lieferketten bestand 50 Jahre lang darin, Arbeitskräfte zu finden, die relativ standortgebunden sind, und eine Lieferkette aufzubauen, die diese Arbeitskräfte zu ihrem Vorteil nutzt. Wenn Technologie diese Arbeitskräfte aus der Gleichung entfernt, entspricht dies nicht mehr dem Organisationsprinzip», erläutert Spence.
Bisher haben die Bemühungen der chinesischen Regierung, sich zu einer führenden Kraft in der Technologie zu entwickeln, bemerkenswerte Ergebnisse gezeigt. «Es gibt mobile Bezahlsysteme. Es gibt eine Reihe von Finanzdienstleistungen, die auf Künstlicher Intelligenz basieren», sagt Spence. «Dann gibt es digital unterstützte Ökosysteme, die neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Das ist eine enorm positive Entwicklung. Daraus ergibt sich eine ganze Reihe von Optionen und Möglichkeiten.»
China ist jetzt eines der fortschrittlichsten Länder, was den Aufbau der für 5G-Netze notwendigen Infrastruktur betrifft. Laut Aussage der Internationalen Energieagentur ist China der weltweit grösste Markt für Elektroautomobile. Das Weltwirtschaftsforum (WEF) sagt voraus, dass China bis 2022 auch zum grössten Markt für Roboter werden wird. Eine Studie des McKinsey-Instituts zeigt, dass China einen Anteil von 42 Prozent am Wert aller weltweit getätigten Transaktionen hat und dass der Wert mobiler Zahlungen dort 11-mal höher als in den USA ist. Einfach ausgedrückt dominiert China den weltweiten E-Commerce.
Ist angesichts all dieser Fakten Chinas Ziel, zum globalen Tech-Leader aufzusteigen, alles andere als wahrscheinlich?
«Vor zehn Jahren konnte man sehen, dass – sollte China weiter wachsen – eine Rivalität zwischen den USA und China entstehen würde, die strategischer, technologischer und wirtschaftlicher Natur ist», meint Spence. Nachdem Donald Trump 2017 sein Amt angetreten hatte, begannen die USA, die chinesische Handelspolitik zu untersuchen. Sie behaupteten, China würde geistige Urheberrechte verletzen, und verhängten schliesslich Zölle gegen chinesische Produkte. Als Gegenreaktion führte Peking ebenfalls Zölle ein.
«Man kann es förmlich ahnen», sagt Spence. «Auf zahlreichen Ebenen werden die Rivalität und die damit verbundenen strategischen Befürchtungen die Art und Weise beeinflussen, wie die Volkswirtschaften der Welt die Investitionsflüsse, den Wissens- und Technologieaustausch sowie möglicherweise Personenströme organisieren.»
Nobelpreisträger Myron Scholes ist der Ansicht, dass unabhängig vom Ausgang des Streits zwischen den beiden Ländern der Erfolg Chinas langfristiger Natur sein wird, da sich sein Wirtschaftswachstum fortsetzen wird. Mit seiner wachsenden Mittelklasse, die sich laut Weltwirtschaftsforum voraussichtlich innerhalb weniger Jahre verdoppeln wird, und mehr Menschen, die die Landwirtschaft verlassen, um Arbeitsplätze im Technologiesektor zu finden, verfügt China über die Arbeitskräfte, um möglicherweise zum Innovationsmotor der Welt zu werden.
«Ein Land, das aus dem Nichts dahin gelangt ist, wo es heute steht, kann kopieren, was erfolgreich ist. Und das haben sie getan», sagt Scholes. «Je wettbewerbsfähiger man wird, desto selbstständiger muss man handeln. Ich respektiere wirklich das chinesische Volk und seine Fähigkeit, innovativ und kreativ zu sein und im weltweiten Wettbewerb mitzuhalten.»
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