Sir William Arthur Lewis
Nobelpreis 1979 | Ökonomie der Arbeitslosigkeit: Warum zahlt sich die Ausbeutung der Armen nicht aus?
Arthur Lewis wuchs zu Beginn des 20. Jahrhunderts in St. Lucia auf und erlebte vor der eigenen Haustür ein von der Armut geprägtes Land, das noch mit den Nachwehen der Sklaverei zu kämpfen hatte. Lewis gilt als einer der wenigen Ökonomen der frühen 50er Jahre, der den wirtschaftlichen Fortschritt der ärmeren Länder in den Mittelpunkt seiner Forschung stellte. Er beschrieb ein Wirtschaftsmodell, in welchem ein moderner kapitalistischer Sektor und ein unterentwickelter Sektor in Spannung zueinanderstehen, was zu lang anhaltender Ungleichheit und niedrigen Löhnen führt. Seine Arbeit zur wirtschaftlichen Entwicklung sowie seine Theorien darüber, warum sich einige Länder in einem anhaltenden Armutskreislauf befinden, stellten das Denken der damaligen Zeit in Frage. Er schlussfolgerte, dass es sich auszahlt und der Wirtschaft eines Landes zuträglich ist, wenn man in die Armen investiert, anstatt sie auszubeuten. Die Wirkung seiner Arbeiten wurde gleichgesetzt mit der einer blühenden Pflanze: Die von ihnen freigesetzten Samen bilden die Grundlage für die Entstehung zahlreicher weiterer Systeme.
Sir Arthur Lewis
Sir Arthur Lewis
Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften (anteilig), 1979
Auf einen Blick
Auf einen Blick
Geboren: 1915 in Castries, St. Lucia
Gestorben: 1991 in Bridgetown, Barbados
Fachgebiet: Entwicklungsökonomie
Ausgezeichnetes Werk: Bahnbrechende Forschungsarbeit zur wirtschaftlichen Entwicklung, wobei der Fokus auf den Ursachen für die Armut in Entwicklungsländern lag
Immer der Erste: Wurde als erste schwarze Person an den Fachbereich der University of London berufen. Das wäre zehn Jahre früher unwahrscheinlich gewesen, wie er selbst zugab
Eine Frage der Rasse: Stellte erst bei der Suche nach einer Unterkunft in London fest, dass er anders behandelt wurde
Heimliches Vergnügen: Tanzen. Er tanzte auch nach der Hochzeit noch gern. (Davor hatte er getanzt, um Mädchen kennenzulernen.)
Ein «Überflieger» in vielen Bereichen
Ein «Überflieger» in vielen Bereichen
Lewis war in vielerlei Hinsicht ein Vorreiter. So war er der erste schwarze Professor an der London School of Economics, der erste Wirtschaftsberater der demokratischen Regierung von Ghana und der erste Präsident der Caribbean Development Bank. Er arbeitete zudem für die Vereinten Nationen, beriet und unterstützte verschiedene Regierungen und reiste in die entlegensten Gebiete der Erde. Und dennoch war Lewis bekannt für seine Zurückhaltung und Bescheidenheit. Er wurde zu Hause unterrichtet und lernte dabei in drei Monaten mehr von seinem Vater als manche Schüler in zwei Jahren Unterricht.
Lewis selbst betrachtete sein Leben als relativ normal. Selbst nach Erhebung in den Adelsstand, ruhte er sich nie auf seinen Leistungen oder Titeln aus, sondern setzte sich unentwegt für das ein, was ihm wichtig war.
«Ich habe noch nie eine Debatte mit den Worten ‹Ich bin adelig und Sie nicht› gewonnen. Meiner Meinung nach ist der einzig wahre Bestandstest für persönliche Leistungen, inwieweit sie andere vorangebracht haben», sagte er. «Wann immer man etwas sagt oder schreibt, ist es, als öffnet sich eine Tür. Mit einer Veröffentlichung oder der Verleihung des Nobelpreises muss sich daher eine Tür öffnen, durch die viele Menschen hindurchgehen wollen.»
Warum ist Arbeitslosigkeit ein weltweites Phänomen?
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Ist Arbeitslosigkeit Teil des wirtschaftlichen Fortschritts?
Ist Arbeitslosigkeit Teil des wirtschaftlichen Fortschritts?
Auf seinen Reisen stellte Lewis fest, dass man nur dort Einfluss auf wirtschaftliche Bereiche nehmen kann, wo der Patient das Problem erkennt. Auf die Frage nach dem von ihm beobachteten Fortschritt in diesen Ländern antwortete er mit zwei Schlussfolgerungen. «Die kurze Antwort ist, dass es enorme Fortschritte gab», sagte er. «Und die lange Antwort ist, die Arbeitslosigkeit ist wesentlich höher.»
Lewis erinnerte sich daran, dass die Jungen in seiner Kindheit in der Karibik weder Schuhe trugen noch Fahrräder hatten, beides ist heute selbstverständlich. Er sprach über Barbados, wo sich die Wohnverhältnisse stark verbessert hatten und die Wasserversorgung auf die gesamte Insel ausgeweitet worden war. Gleichzeitig stellte er dort ein Ungleichgewicht fest, welches durch das konstant hohe Niveau der Arbeitslosigkeit bedingt war.
Wie Lewis erklärte, ist die Entwicklung jeglicher Gruppe innerhalb der Gesellschaft von öffentlich verfügbaren Ressourcen wie sauberem Wasser, Krankenhäusern, Schulen und Straßen abhängig. «Man schafft eine urbane Arbeiter- und Mittelschicht, die relativ klein ist, indem der bestehenden Arbeiterklasse Bildung und andere Dinge zur Verfügung gestellt werden. Dadurch steigt dieser Anteil an der Bevölkerung konstant an», führte er aus.
Warum werden die Armen von den Reichen ausgebeutet?
In den letzten 50 Jahren ist die Ungleichheit gestiegen und viele Ökonomen haben versucht zu erklären, dass jede Änderung in der Einkommensverteilung immer zugunsten derer an der Spitze ausfällt.
1980 ersuchte die Rockefeller Foundation Lewis um Hilfe, um neue Instrumente zur Lösung dieser Probleme zu schaffen. Die Haltung von Lewis zum Thema Ungleichheit war eindeutig. So sprach er sich gegen Ausbeutung aus und brachte die wirtschaftliche Vernunft als Argument an.
«Warum setzen Menschen ihre Macht gegen die Menschen ein, die keine Macht haben?» fragte er. «Aus ökonomischer Sicht ist es doch sinnvoll, in die armen Menschen zu investieren und nicht, sie zu umzubringen. Wir haben immer angenommen, dass sich die Ausbeutung der Armen für die Reichen lohnen würde. Wir dachten immer, Sklaverei macht sich bezahlt. Es tut mir leid, aber Sklaverei zahlt sich nicht aus.»
Warum werden die Armen von den Reichen ausgebeutet?
Wird der Rassismus die Zivilisation zerstören?
Lewis beschrieb seine Arbeit in den Regierungsbeiräten oft als simple Unterhaltung unter Freunden, die das Thema vielleicht besser verstehen als er selbst, vielleicht aber auch nicht. «Ich war ein Weltbürger», erklärte er, «ich war immer in der Nähe, für alle da, ein Freund der Menschheit. Jeder, der mich kannte, wusste, dass ich kein Nationalist war. Ich wurde als Weltbürger geboren.»
Allerdings sah sich Lewis auch mit Kritik und Diskriminierung konfrontiert. Trotz internationaler Bemühungen im vergangenen Jahrhundert, dem Rassismus Einhalt zu gebieten, haben sich Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit in zentralen politischen Bewegungen sowie der Rhetorik manifestiert. In Großbritannien ist die Anzahl von Hassverbrechen seit dem Referendum zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union um 57 Prozent gestiegen. Die USA verzeichnen seit der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten eine starke Zunahme rassistisch motivierter Vorfälle und antisemitischer Aggressionen. Daher ist der Apell von Lewis nicht nur nach wie vor relevant, sie gilt heute umso mehr.
«Rassismus wird die Zivilisation zerstören», sagte er. «Diejenigen von uns, die sehen, was passiert, müssen darüber sprechen.»
Nimmt der Rassismus zu?
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Der Ökonom John Maynard Keynes sagte einmal, die Schwierigkeit liegt weniger darin, neue Ideen zu entwickeln, als alten zu entfliehen. Arthur Lews erinnert uns daran, dass die Menschheit einen Schritt weiter gehen und einen entscheidenden Wandel in ihrem konzeptionellen Denken vollziehen muss. Wir müssen akzeptieren, dass wir in einer Zeit leben, in welcher der Wert der Arbeit nicht mehr auf manuellen Tätigkeiten, sondern eher auf kognitiven Fähigkeiten beruht. Diskriminierung aufgrund von Rasse, Geschlecht oder anderen Faktoren ist nichts weiter als ein Hindernis für die weitere Entwicklung der Menschheit und sollte daher ein Ende finden. Er erinnert uns daran, dass wahre Industrialisierung nur durch Bildung und Investitionen in das Humankapital erreicht werden kann.
Warum sollten Länder bessere Wege finden, um zu wachsen?
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Hören Sie dazu die Meinung von Michael Spence und wie Länder nachhaltiges Wachstum generieren und dabei langfristig einen positiven Effekt erzeugen können.
«Er machte geltend, dass das Wachstum der Schwellenländer durch das Wachstum der Industrieländer angetrieben werde – das war in den späten 1970er Jahren, gilt aber natürlich auch heute noch.»
Paul Donovan
Global Chief Economist UBS Wealth Management
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