Sir James A. Mirrlees
Nobelpreis 1996 | Wie können wir ein gerechtes Steuersystem schaffen?
Als mathematisches Wunderkind verbrachte James Mirrlees den Grossteil seiner Kindheit im ländlichen Schottland für sich allein mit dem Lösen schwieriger Probleme, die er in einem schier unendlichen Stapel von Büchern fand. In Cambridge erkannte er, dass er mit seinen mathematischen Fähigkeiten dazu beitragen könnte, die Probleme der realen Welt zu lösen, und beschloss, sich den Wirtschaftswissenschaften zu widmen. Mirrlees wurde zu einem Pionier der Informationsökonomik und arbeitete zum Beispiel mit dem Nobelpreisträger Peter Diamond auf dem Gebiet wirtschaftlicher Transaktionen mit begrenzter oder asymmetrischer Information. Seine Spezialität: Transaktionen «zwischen Ihnen und dem Staat» – auch bekannt als das Zahlen von Steuern.
Sir James A. Mirrlees
Sir James A. Mirrlees
Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften (anteilig), 1996
Auf einen Blick
Auf einen Blick
Geburtsjahr: 1936, Minnigaff, Schottland
Sterbejahr: 2018, Hongkong, China
Forschungsgebiet: Informationsökonomik
Ausgezeichnetes Werk: Wirtschaftliche Anreizeffekte bei unvollständiger oder asymmetrischer Information; Spezialgebiet Optimalbesteuerung
Auf Nummer sicher gehen: Seine Frau Patricia erzählt, dass er, als er den Anruf des Nobelpreiskomitees erhielt, «höflich andeutete, dass das Ganze nicht sehr wahrscheinlich klinge und er einen Beweis brauche.»
Verpasste Chancen: Er hatte nie die Gelegenheit, seinen Mitnobelpreisträger William Vickrey zu treffen, der wenige Tage nach der Bekanntgabe des Nobelpreises für 1996 verstarb
Das Beste in Hongkong: Er fand den einzigen Ort in Hongkong, wo man frisches Brot nach deutscher Art kaufen kann (wir versäumten es jedoch, nach der Adresse zu fragen)
Förderung des wirtschaftlichen Wohlbefindens
Förderung des wirtschaftlichen Wohlbefindens
Die bedeutsamste Leistung von Mirrlees war die Entwicklung einer Theorie für die optimale Einkommensbesteuerung, die auf den Arbeiten seines Mitnobelpreisträgers William Vickrey aufbaute.
«Einige Menschen sind sehr produktiv und haben ziemlich hohe Gehälter», erklärte Mirrlees. «Andere können keine so hohen Gehälter verdienen, was in vielen Fällen daran liegt, dass sie nicht in der Lage sind, das zu tun, was ein hochqualifizierter Rechtsanwalt oder ein Computerprogrammierer tun kann.» Aber wie kann man in einer Welt der ungleichen Einkommen ein Steuersystem schaffen, das gerecht ist und den Menschen zugleich einen Anreiz bietet, produktiv zu sein?
Der Wunsch, ein System zu schaffen, das ein möglichst hohes wirtschaftliches Wohlbefinden schafft, ist ein allgemeines Bestreben. Die Ideen dazu sind in der realen Welt verankert, doch wie dies erreicht werden kann, ist laut Mirrlees eine mathematische Fragestellung. Und für die Suche nach einer Antwort war Mirrlees genau der Richtige. Auf der Grundlage seines komplexen methodischen Ansatzes argumentierte er, dass es einen bedeutenden Zielkonflikt zwischen Gleichheit und Effizienz gebe und es nicht damit getan sei, einfach den Menschen mit den höchsten Einkommen am meisten wegzunehmen.
Wie könnte ein optimales Steuersystem aussehen?
Die numerischen Ergebnisse seines Modells lagen zwar relativ nahe an den derzeit verwendeten Steuersystemen, Mirrlees wusste jedoch, dass sich seine Annahmen aufgrund von neuen verfügbaren Informationen geändert hatten. «Seither haben wir mehr dazugelernt, und wenn man eine realistischere Sichtweise einnimmt, haben die meisten Steuersysteme, die man auf diese Weise ausarbeiten kann, eine U-Form», erklärte er. «Das bedeutet, höhere Grenzsteuersätze für niedrige Einkommen und höhere Grenzsteuersätze für hohe Einkommen, aber niedrigere Steuersätze in der Mitte.»
Nicht bereit für den Ruhestand
Mirrlees lebte seit 2002 in Hongkong. Ein Grund für seine Entscheidung, Grossbritannien zu verlassen, war das feste Ruhestandsalter an der Universität Cambridge, wo er als Professor angestellt war. Er war jedoch noch nicht bereit, in den Ruhestand zu gehen. Ausserdem sah er darin eine grossartige Gelegenheit, der chinesischen Wirtschaft näherzukommen, die sich zu diesem Zeitpunkt rasant entwickelte. «Ich habe mich immer sehr für Entwicklungsländer interessiert», sagte er. «Niemand würde Hongkong heute als Entwicklungsland bezeichnen, aber damals war es nahe daran.»
Es ist etwa 40 Jahre her, seit die Kulturrevolution mit dem Tod des Vorsitzenden Mao Zedong im Jahr 1976 endete. Danach öffnete sich China langsam, aber stetig für die Weltwirtschaft. Die entscheidenden Faktoren für die Entwicklung bestanden in der Produktion arbeitsintensiver Güter mit günstigen Arbeitskräften, der Weiterentwicklung der Landwirtschaft und der Rückgabe des Landes an die Menschen.
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Globale Erwärmung: eine existenzielle Bedrohung
Globale Erwärmung: eine existenzielle Bedrohung
Heute listet der Internationale Währungsfonds China als zweitgrösste Wirtschaftsmacht der Welt auf. Ein etwas anderes Bild ergibt sich allerdings, wenn man den Human Development Index der Vereinten Nationen betrachtet, der die Länder nach der Lebenserwartung, dem Bildungsstand und dem Pro-Kopf-Einkommen einstuft. Mirrlees stellte jedoch fest, dass die Löhne steigen. Die Wachstumsraten genau zu bestimmen, ist zwar sehr schwierig. Mirrlees nahm jedoch an, dass sich die Arbeitseinkommen in den grossen Städten in China dramatisch verändern würden. Er unterstrich aber auch, dass es nicht einfach darum geht, ob die Menschen höhere Einkommen beziehen.
Wie ist China zu einer der grössten Volkswirtschaften der Welt geworden?
Mirrlees sah viele Dinge aus einem anderen Blickwinkel. Für ihn wurden Ereignisse wichtiger, die in Europa nicht in den täglichen Nachrichten auftauchen, wie die Territorialstreitigkeiten im Südchinesischen Meer oder das Tauziehen zwischen Japan und China. Er dachte auch viel über die Situation der chinesischen Bürger und die häufigen Menschenrechtsverletzungen nach. «In den 1990er Jahren gewannen die Intellektuellen im Land mehr Freiheiten. Das ist heute gewiss nicht mehr so», stellte er fest.
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Müssen die Menschen in Hongkong mutiger sein?
Müssen die Menschen in Hongkong mutiger sein?
Das Leben in Hongkong unterscheidet sich vom Leben in Festlandchina. Mirrlees befand sich mitten in einer interessanten und möglicherweise gefährlichen Entwicklung. Während China versucht, immer mehr Einfluss in der Verwaltungsregion zu gewinnen, erklärte er: «Viele der Menschen, mit denen ich spreche, sehen sich klar als Hongkonger. Mich würde es nicht überraschen, wenn sie – falls sie die Gelegenheit dazu erhielten – für einen maximalen Grad der Unabhängigkeit stimmen würden.»
Die Eurozone, der «kranke Mann» Europas
Mirrlees war gebürtiger Schotte und lebte im Jahr 1998, als er von der Queen zum Ritter geschlagen wurde, weit weg von seiner Heimat. Aber natürlich wusste er, was sich in Europa ereignete. Er war Mitglied des Wirtschaftsrats der schottischen Regierung und damit auch an den Diskussionen über das Unabhängigkeitsreferendum im Jahr 2014 beteiligt. «Es könnte eine Weile dauern», sagte er.
In Bezug auf die Eurozone vertrat Mirrlees jedoch die Ansicht, dass der Euro von Anfang an ein schlechtes Geschäft war. Wenn es eine Lösung für die Eurozone geben sollte, müsste diese seiner Meinung nach drastische Massnahmen wie die Aufhebung der Sparmassnahmen, eine Vermögensbesteuerung und Steuersenkungen für Durchschnittsbürger umfassen. «Ich weiss nicht, warum es ihnen so schwerfällt, etwas Vernünftiges in Bezug auf die Steuern zu tun», sagt er.
Der Euro – ein sehr schlechtes Geschäft
Die Freuden der Vaterschaft
Die Freuden der Vaterschaft
Auf die Frage, worauf er besonders stolz sei, hatte Mirrlees Mühe, eine Antwort zu finden. Stolz ist ein Wort, das ihm nicht so leicht über die Lippen kommt. Er erinnerte sich an seine Kindheit in einem tief in der presbyterianischen Tradition verwurzelten Umfeld, in dem Stolz fast eine der schlimmsten Sünden war. Der Vater von zwei Kindern erklärt, dass er «grosse Zufriedenheit» empfunden habe, als er das Problem der optimalen Einkommensteuer gelöst hatte. Es gibt jedoch eine andere, recht persönliche Geschichte, die er gerne erzählt – eine Geschichte über ein wahres Erfolgsgefühl und echtes Glück. «Woran ich mich im Zusammenhang mit der Nobelpreisverleihung besonders erinnere ist, dass meine Tochter im Publikum sass», berichtete Mirrlees mit einem breiten Lächeln. «Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so vollkommen glücklich und erfreut aussah. Das war ein ganz besonderer Augenblick.»
Warum sollten Länder bessere Wege finden, um zu wachsen?
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