Robert J. Aumann
Nobelpreis 2005 | Spieltheorie und Psychologie: Kann die Spieltheorie die Konflikte in der Welt beenden?
Robert J. Aumann ist nicht nur berühmt wegen seines langen weissen Bartes und seiner tiefschürfenden Weisheit. Er ist auch bekannt für eine ganze Reihe von Kontroversen. Einerseits lösen seine starken politischen Ansichten zum Nahost-Konflikt tiefe Meinungsverschiedenheiten aus. Andererseits wurde seine Arbeit zur Spieltheorie vom Nobelpreiskomitee ausgezeichnet – in Anerkennung seiner grundlegenden Beiträge zum Verständnis von Konflikten und wie man die Welt zu einem besseren, friedlicheren Ort machen kann. Aumann strebt nach Lösungen für Konflikte, denen scheinbar mit harten Zahlen und Gleichungen nicht beizukommen ist. Das einzige Problem ist, dass sie einigen Menschen möglicherweise nicht gefallen.
Seine preisgekrönte Arbeit und seine politischen Ansichten sind beide das Ergebnis seiner eigenen ereignisreichen Lebensgeschichte. Aumann ist ein deutscher Jude, der den Zweiten Weltkrieg überlebt und den Kalten Krieg erlebt hat und nun das Zentrum des Nahost-Konflikts als sein Zuhause bezeichnet.
Robert J. Aumann
Robert J. Aumann
Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften, 2005
Auf einen Blick
Auf einen Blick
Geboren: 1930, Frankfurt, Deutschland
Fachgebiet: Spieltheorie, Mathematik
Ausgezeichnetes Werk: Grundlegende spieltheoretische Analysen von Konflikt und Kooperation, insbesondere durch die Studie von wiederholten Spielen
Fitness: Kletterte als über Achtzigjähriger noch auf den Gipfel der Via Ferrata in den Dolomiten (3299 m).
Unerforschte Bereiche: Hat sich selbst seit Jahrzehnten nicht mehr ohne Bart gesehen
Was lehrt uns die Spieltheorie über menschliches Verhalten?
Was lehrt uns die Spieltheorie über menschliches Verhalten?
Spieltheoretiker untersuchen Strategien für rationale Entscheidungen in Konflikt- und Kooperationssituationen. Bei der ersten Begegnung mit Aumann, der als mathematisches Genie der Spieltheorie gilt, lässt er sich zunächst auf seine eigene emotionale Weise über Krieg, Zerstörung und Abrüstung aus. Daher ist es nicht ungewöhnlich, dass er, als er nach dem ewigen Konflikt der Menschheit – dem Krieg – gefragt wird, bald abschweift und von Schmetterlingen zu sprechen beginnt.
«Die Natur hat die Strategie entwickelt, dass das Männchen dort, wo es sich befindet, dominant ist und die Lichtung ihm gehört», so Aumann. «Wenn zwei Männchen zur gleichen Zeit ankommen, ziehen sich beide zurück. So wird niemand verletzt. Das ist ein Gleichgewicht in korrelierten Strategien. In der Natur sind viele Dinge so.»
Das Gleichgewicht in korrelierten Strategien – eine Theorie, bei der beide Parteien nicht nach der gleichen Strategie vorgehen, aber ein gemeinsames Wissen darüber haben, was vernünftig ist – ist nur ein Teil seiner Beiträge zu diesem wissenschaftlichen Gebiet und ein kleiner Teil der Gründe, warum ihm das Nobelpreiskomitee die höchste Ehre zuerkannt hat.
Kampf der Geschlechter: Konfliktlösungen
Was können wir aus dem Kalten Krieg lernen?
Was können wir aus dem Kalten Krieg lernen?
«Krieg ist die eine Konstante der Menschheit», erklärt er. Krieg ist auch eine sehr signifikante Konstante in seinem eigenen Leben. Im Wohnzimmer sitzend, zusammen mit seiner zweiten Frau Batya, denkt er mit der gleichen Intensität über selbstgebackenen Käsekuchen nach, wie er sonst über seine Studien philosophiert. Das alte deutsche Rezept erinnert Aumann an seine frühe Kindheit und wie es war, in Nazi-Deutschland aufzuwachsen. Die Erinnerungen sind ihm immer noch lebhaft im Gedächtnis.
«In den Schaufenstern in Frankfurt gab es ein Schild mit hellbraunem Hintergrund und schwarzer Schrift», erzählt er. «Der Text war auf Deutsch, sollte aber die hebräische Schrift imitieren, und lautete «Juden sind hier unerwünscht». Einen Augenblick lang herrscht eine intime Stille, während Aumann offenbar durch die Zeit reist und das Geräusch des Zugs nachahmt, der in aus seiner Heimatstadt Frankfurt wegbrachte. Er wird wieder der achtjährige Junge, der er damals war, seine Stimme bebt, seine Augen werden feucht.
Mehr oder weniger bereit, in den USA nochmals von vorne anzufangen, erlebte «Johnny», wie Aumann von seinen engsten Freunden genannt wird, den Druck des Kalten Kriegs. Die atomare Bedrohung hatte nicht nur markante Auswirkungen auf ihn persönlich, sondern auch auf die Entwicklung der Spieltheorie.
Wenn sich die Wahrscheinlichkeit eines atomaren Kriegs einem Kipppunkt nähert, führt dies zu einer Situation, die als «gesicherte gegenseitige Zerstörung» (Mutual Assured Destruction) bezeichnet wird – eine Situation, in der keine der beiden Seiten einen Anreiz hat, anzugreifen oder abzurüsten. Die garantierte gegenseitige Vernichtung, die auf einen Atomkrieg folgen würde, hindert beide Seiten daran, ihre Waffen einzusetzen. Eine Art atomarer Pattsituation.
Warum rächen sich Menschen?
«Bei wiederholten Spielen kommen alle möglichen Arten menschlicher Charakterzüge zum Vorschein», berichtet Aumann. «Zum Beispiel Rache. Rache ergibt scheinbar keinen Sinn. Warum sollte man Rache üben? Wenn man ohnehin bereits einen Verlust erlitten hat, was hilft es dann, wenn man sich an der Person rächt, die diesen Verlust verursacht hat?»
Er argumentiert jedoch, dass es ohne Rache keine Abschreckung gäbe. «Rache muss also ein Teil der Kultur sein, um das kooperative Verhalten zu erzwingen, das zu beobachten ist, wenn Menschen einander helfen, weil sie die Rache des anderen fürchten. Das bedeutet aber, wenn sich die Beteiligten gegenseitig etwas antun, muss Rache geübt werden.»
Der Haken an dieser Theorie ist, dass sie hitzige Kritik hervorruft, wenn Aumann erklärt: «Wir müssen auf einen Krieg vorbereitet sein. Wir müssen bereit sein, zu kämpfen, um nicht kämpfen zu müssen!»
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Wie vermeiden wir Kriege?
Mit erhobenem Finger zeigt Aumann auf ein Gekritzel auf dem Whiteboard in seinem Büro. Es ist ein Zitat aus Barack Obamas Nobelpreisrede und lautet: «Der Glaube, dass Frieden wünschenswert ist, reicht selten aus, um ihn zu erreichen.» Er schlägt auf den Tisch. «Wir alle möchten Frieden», ruft er. «Aber wie bekommen wir Frieden?»
Eine Antwort auf diese Frage zu finden, ist wahrscheinlich das höchste Ziel des Forschungszweigs. Hierzu muss man sich, wie Aumann glaubt, von der Idee verabschieden, dass Krieg irrational ist.
«Wenn man Dinge als irrational verwirft, kann man sie nicht bewältigen. Man hat der Welt nicht geholfen. Beide Seiten brauchen ausreichende Anreize, um keinen Krieg vom Zaun zu brechen. Wenn man kapituliert, ist es wahrscheinlicher, dass man damit einen Krieg begünstigt, als ihn zu vermeiden. Ein offensichtlich kooperatives Verhalten, das nicht auf Gegenseitigkeit beruht, ist negativ. Es funktioniert einfach nicht.»
Wie kann man Krieg vermeiden?
Was uns die Spieltheorie über den Krieg lehrt: Er ist nicht sinnlos
Aumanns Definition von Rationalität unterschiedet sich von den Ansichten anderer. «Rationalität ist, seine eigenen Ziele zu verfolgen. Das ist die wirtschaftliche Definition», behauptet er. «Das heisst, seine eigenen Ziele auf der Basis der Informationen, die man hat, nach besten Kräften zu verfolgen. Das heisst nicht, wissenschaftlich vorzugehen. Das heisst nicht, logisch zu denken. Es ist nichts davon.»
Der Professor räumt ein, dass es einigen schwer fällt, sich diese Idee klarzumachen. Als Beispiel erzählt er von einem ehemaligen Studenten. «Wenn Ihnen eine schwarze Katze über den Weg läuft und Sie ausspucken, sind Sie dann rational oder irrational?», fragt er. «Nun, gemeinhin ausgedrückt, sind Sie äusserst irrational. Es ist ein dummer Aberglaube, dass schwarze Katzen Unglück bringen. Und es ist ein noch dümmerer Aberglaube, dass man durch Spucken ein Unglück abwenden kann. Das ist höchst irrational. Doch nach der wirtschaftlichen Definition müssen Sie spucken. Denn wenn Sie abergläubisch sind, lautet Ihre Information, dass Spucken ein Unglück abwendet.»
«Rationalität ist, seine eigenen Ziele verfolgen», fährt er fort. «Das heisst, seine eigenen Ziele auf der Basis der Informationen, die man hat, nach besten Kräften zu verfolgen.»
Es stimmt, Aumann wurde für seine persönlichen politischen Ansichten über sein Heimatland verurteilt. Viele Wissenschaftler weisen jedoch auf seine fundamentalen Beiträge zur Wissenschaft hin, mit denen er mehr als jeder andere seiner Generation dazu beigetragen hat, die lohnenswertesten Fragen der Spieltheorie zu definieren.
Die grösste Herausforderung ist für Aumann die Frage, ob eine Theorie allein wirklich Kriege verhindern kann. Seine Antwort ist wie immer von einer tiefen Weisheit durchdrungen. «Nein, keine Theorie kann Kriege verhindern», erklärt er nachdrücklich. «Menschen müssen Kriege verhindern!»
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