Autoren
Werner Richli Heinz Tschabold

Key Takeaways

  • Die Energiewende wird einen drastischen Anstieg der Investitionen in das Stromnetz erfordern.
  • Schätzungen zufolge sind dafür bis 2030 Investitionen von rund 450 Milliarden US-Dollar pro Jahr allein in die Stromnetze erforderlich.
  • Hauptgründe sind zum einen die Schwankungen und die Dezentralisierung der Energieerzeugung von Wind- und Solarparks und zum anderen die Tatsache, dass der Stromverbrauch durch die zunehmende Elektrifizierung der Sektoren Wärme, Verkehr und Industrie bis 2030 voraussichtlich um 60% steigen wird.

Stromtransport auf verschiedenen Spannungsebenen

TDas weltweite Stromnetz erstreckt sich über eine Länge von rund 80 Millionen Kilometer, grösstenteils als Freileitungen gebaut, unterteilt zu 93% als Verteil- und zu 7% als Übertragungsnetz, und erfährt einen Zuwachs von rund 1 Million Kilometer pro Jahr.1 Grob lässt sich das Stromnetz in vier Spannungsebenen einteilen. Als Übertragungsnetz wird das
Höchstspannungsnetz mit 380/220 Kilovolt (kV) bezeichnet. Es dient zur Fernübertragung (mit minimalem Spannungsverlust) und der Einspeisung der Erzeuger mit sehr grosser Leistung von mehreren 100 Gigawatt (GW). Alle übrigen Spannungsebenen werden als Verteilnetz bezeichnet. Darunter fällt das Hochspannungsnetz mit 110 kV zur Einspeisung mittelgrosser Erzeuger und Versorgung grosser Abnehmer. Das Mittelspannungsnetz von 1-50 kV dient zur Einspeisung kleinerer lokaler Erzeuger wie Stadtwerke, Windparks oder Solarfelder, versorgt mittelgrosse Abnehmer und dient der kommunalen Grobverteilung. Das Niederspannungsnetz (400/230 V) verteilt den Strom zu den Privathaushalten oder zum Gewerbe und nimmt den überschüssigen Strom von Photovoltaik-Dachanlagen auf oder versorgt Wärmepumpen.2 Die jährlichen Investitionen in das weltweite Stromnetz beliefen sich im Jahr 2022 auf rund 300 Milliarden US-Dollar.3

Massive Investitionen auf allen Spannungsebenen notwendig

Will man das Ziel der Klimaneutralität erreichen, muss der Netzausbau Hand in Hand mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien erfolgen. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) sind bis 2030 Investitionen in Höhe von 450 Milliarden US-Dollar pro Jahr erforderlich, um den Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix zu erhöhen, wobei 60% in die Erzeugung und 40% in das Stromnetz investiert werden müssen. Der für den Ausbau des Stromnetzes nötige Anteil wird für die Periode 2041 bis 2050 sogar auf 50% prognostiziert, bei dann jährlichen Investitionsausgaben von gut 800 Milliarden US-Dollar.3

Abbildung 1: Jährliche Investitionen in erneuerbare Energien und Stromnetze

Angekündigte Zusagen in Mrd. USD, 2016–2050E

Abbildung 1 – Diese Grafik zeigt die durchschnittlichen jährlichen Investitionen in Stromnetze und erneuerbare Energien in EMDEs und entwickelten Volkswirtschaften.

Durchschnittliche jährliche Investitionen in Netze und erneuerbare Energien nach regionalen Gruppen im Szenario der angekündigten Zusagen (Anstieg von ca. 700 Mrd. USD im Zeitraum 2016–2022 auf 1600 Mrd. USD im Zeitraum 2041E–2050E)

Die steigende Nachfrage setzt das europäische Stromnetz unter Druck

Laut der EU Kommission wird der Stromverbrauch infolge der zunehmenden Elektrifizierung des Wärme-, Verkehrs- und Industriesektors bis 2030 voraussichtlich um 60% steigen. Dies bedeutet, dass in Europa die Stromnetze beschleunigt ausgebaut werden müssen. Die laufend neu installierten Wärmepumpen und Ladestationen für Elektrofahrzeuge, gekoppelt mit der zunehmenden Dezentralisierung der Stromproduktion beanspruchen das Netz zusätzlich. Zudem stammt immer mehr Energie aus erneuerbaren Quellen, was den Bedarf an erzeugungs- und lastseitiger Flexibilität stark erhöht. Ein digitales Energiemanagement kann dazu beitragen, dezentrale erneuerbare Energien optimal in das System zu integrieren und Versorgungsunterbrechungen zu minimieren. Insgesamt wird der Investitionsbedarf in die Strominfrastruktur zwischen 2020 und 2030 auf 584 Milliarden Euro geschätzt.4

Der Zubau an erneuerbaren Energieträgern verändert damit die Prämissen für das Versorgungsnetz. Angebotsseitig wird sich der Primärenergiemix voraussichtlich zugunsten der erneuerbaren Energien verändern. Dabei könnte vor allem der Anteil der wetterabhängigen und standortgebundenen Energieträger Photovoltaik und Windenergie deutlich steigen, während regelbare erneuerbare Energien wie Biomasse und Wasserkraft nur mehr geringfügig zulegen dürften. Die Energieversorgung wird dezentral. An die Stelle weniger Grosskraftwerke dürften viele mittlere und kleinere Erzeuger treten, die sich dort ansiedeln, wo die günstigsten klimatischen und geografischen Bedingungen herrschen.

Ungleichmässige Netzbeanspruchung als Herausforderung

Unterschiede zwischen Energieerzeugung und -verbrauch müssen ausgeglichen werden können, um die Funktionalität des Netzes trotz zeitlicher Nachfrageschwankungen zu gewährleisten. Ein besonders eindrückliches Beispiel ist Kalifornien, wo die Solarenergie stark an Bedeutung gewonnen hat. Das sogenannte Phänomen der «Duck Curve» entsteht durch die hohe Produktion von Solarenergie bei gleichzeitig geringer Nachfrage zur Mittagszeit.

Abbildung 2: Die kalifornische «Duck Curve»

Nettolast im Netz, März bis Mai 2015–2023, in GW

Nettolast im Netz zwischen März und Mai in den Jahren 2015–2023, in GW, mit einem deutlichen Abfall zwischen 7 und 18 Uhr.

Angesichts der tageszeitbedingt schwankenden Stromnachfrage und des zeitlichen Ungleichgewichts zwischen Produktion und Verbrauch kommt der Energiespeicherung grosse Bedeutung zu, zumal der Netzausbau mit der Produktion nicht Schritt hält. Bereits heute warten laut IEA weltweit erneuerbare Energieprojekte von 3000 Gigawatt (GW), davon 1500 GW in fortgeschrittenen Planungsstufen, auf ihre Genehmigungen für einen späteren Netzanschluss.5

Auch in Deutschland führen die vermehrte Einspeisung erneuerbarer Energien und der schrittweise Ausstieg aus fossilen Energieträgern und der Kernenergie zu steigenden Netzengpässen. Der Grund liegt in den noch fehlenden Stromautobahnen, um Windstrom von der Nord- und Ostseeküste in die dichtbesiedelten und industriereichen südlichen Bundesländer zu transportieren. Um eine Überlastung des bestehenden Netzes zu verhindern, weist der Höchstspannungsnetzbetreiber die Energieerzeuger an, die Leistung bestimmter Anlagen zu drosseln und andernorts hochzufahren («redispatch»).6 Wie in Abbildung 3 ersichtlich, ist Windenergie überproportional von der Abregelung betroffen, während mit primär Steinkohle und Erdgas betriebene Werke hochgefahren werden. Die im Jahr 2022 abgeregelte Stromproduktion von 8000 GWh entspricht dabei in etwa der Jahresleistung eines mittleren Kernkraftwerks mit einer Leistung von 1 GW.7

Abbildung 3: Zunahme der Redispatch Massnahmen in Deutschland

Ausfallzeit erneuerbare Energien in GWh

Ausfallzeit erneuerbare Energie in Deutschland, Anstieg von 127 GWh im Jahr 2010 auf 8071 GWh im Jahr 2022

Redispatch-Massnahmen sind aufwendig und teuer. Die Kosten des Einspeisemanagements, die auf die Netznutzungsentgelte umgelegt werden, sind in den letzten Jahren in Deutschland deutlich gestiegen. Während im Jahr 2020 noch 240 Millionen Euro auf die Netzkosten umgelegt wurden, lag dieser Wert im Jahr 2022 bereits bei 2,7 Milliarden Euro. Dieser Wert setzt sich aus 1,8 Milliarden Euro für das Zuschalten fossiler Kraftwerke – getrieben durch die gestiegenen Brennstoffpreise – und aus 0,9 Milliarden Euro für die finanzielle Kompensation hauptsächlich der Windparkbetreiber zusammen.8

Der Ausbau des Stromnetzes im Fokus

Schwankende Einspeiseleistungen von erneuerbaren Energieanlagen, die neue dezentrale Verteilung der Stromerzeugung und das Einspeisemanagement machen eine umfangreiche Anpassung und einen beschleunigten Ausbau der Netzinfrastrukturen notwendig. Mit dem jüngst vorgelegten Aktionsplan der EU sollen Vorhaben beschleunigt durchgeführt und die langfristige Netzplanung verbessert werden, um mehr Strom aus erneuerbaren Quellen zu nutzen und die elektrifizierte Nachfrage, einschliesslich Wasserstoff, ins Energiesystem zu integrieren.9

Deutschland beabsichtigt mit dem Einstieg beim Höchstspannungsnetzbetreiber Tennet die Planungsverfahren zu beschleunigen. Zudem soll als Investitionsanreiz bei Neuinvestitionen im Verteilnetz durch eine Neuberechnung des Eigenkapitalzinssatzes die Verzinsung ab dem 1. Januar 2024 markant erhöht werden.10 Und auch bei den Neuinvestitionen bei Offshore-Windparks und Interkonnektoren sollen die Eigenkapitalverzinsungen angepasst werden.

Ferner sieht der Netzentwicklungsplan in Deutschland den Bau von 12 GW Pumpspeicherkraftwerken und bis zu 168 GW Gross- und Kleinbatteriespeichern vor, wobei auch Wasserstoff als Energieträger zur saisonalen Speicherung von erneuerbarer Energie genutzt werden könnte.11

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Energie-Evolution: Der Übergang von Grau zu Grün?

Erneuerbare Energien sind derzeit der wirtschaftlichste Weg, um den Klimawandel einzudämmen und die Energiesicherheit zu gewährleisten. Elektrifizierung, Netze und kritische Mineralien dürften von höheren Ausgaben profitieren.

Über die Autoren
  • Werner Richli

    Senior Portfoliomanager, Thematische Aktien

    Werner Richli (MA, CEFA), Director, ist Senior Portfolio Manager im Thematic Equity Team. Im Jahr 2003 wechselte Werner zu Credit Suisse Asset Management, heute Teil der UBS Group, wo er das Immobilienresearch entwickelte und für die Asset Allocation des ersten international investierenden Immobilienfonds sowie den Aufbau des Mandatsgeschäfts für internationale Immobilienanlagen verantwortlich war. Ab 1987 arbeitete Werner als Finanzanalyst beim Credit Suisse Investment Banking und begleitete verschiedene Schweizer Unternehmen bei ihren Börsengängen. Er hat einen Master in Betriebswirtschaftslehre der Universität Zürich und ist Certified European Financial Analyst (CEFA).

  • Heinz Tschabold

    Senior Portfoliomanager, Thematische Aktien

    Heinz Tschabold (MA, CAIA), Director, ist Senior Portfolio Manager im Thematic Equity Team. Im Jahr 2002 wechselte er zu Credit Suisse Asset Management, heute Teil der UBS Group, und war für die Implementierung quantitativer Modelle im Immobiliensektor verantwortlich. Seit 2006 verantwortet er als Senior Portfolio Manager Mandate im Bereich internationaler Immobilien- und Infrastrukturinvestments. Davor arbeitete Heinz als Finanzanalyst bei UBS Warburg und betreute Schweizer Unternehmen in den Bereichen Bau, Maschinenbau und Elektrotechnik. Heinz hat einen Abschluss in Betriebswirtschaft der Universität St. Gallen, einen Master in Finance und ist Chartered Alternative Investment Analyst (CAIA).

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