Geschichte des Wolfsbergs
Reiche Vergangenheit
Reiche Vergangenheit
Eindrucksvoll liegt Schloss Wolfsberg auf einer Terrasse am Nordhang des Seerückens, der sich zwischen dem Untersee des Bodensees und dem Thurtal erstreckt. Obwohl er eines der jüngeren und bescheideneren unter den zahlreichen Schlössern am Bodensee ist, weist der Wolfsberg eine aussergewöhnlich dichte und reiche Geschichte auf. Unter den Bonapartisten in den 1820er und 1830er Jahren erreichte sie ihren wohl bedeutsamsten Höhepunkt.
Vielfältige Nutzung
Vielfältige Nutzung
Ob als luxuriöse Sommerresidenz, erste Fremdenpension im Kanton Thurgau, landwirtschaftlicher Musterbetrieb oder Kurhotel – bis zum heutigen UBS Center for Education and Dialogue wurde der Wolfsberg auf verschiedenste Weise genutzt. Ebenso vielfältig waren die unterschiedlichen Besitzerinnen und Besitzer.
Besitzer- und Baugeschichte
Besitzer- und Baugeschichte
Wolf Walter von Gryffenberg
Wolf Walter von Gryffenberg
Der Name Wolfsberg geht auf den Namen des Schlosserbauers Wolf Walter von Gryffenberg zurück. Wolf Walter entstammte dem, in Frauenfeld seit Beginn des 16. Jahrhunderts verbürgerten, Ratsgeschlecht der Werli, Weerli, Wehrli oder Wehrlin (Verkleinerungsform von Werner).
Im Frühjahr 1570 taucht Wolf Walter von Gryffenberg als Käufer des zwischen Ermatingen und dem Schloss Wolfsberg gelegenen Hofes Lanterswilen auf, der erstmals 1272 als «Landrehtiswiller» urkundlich belegt ist und heute noch existiert.
Der neu erworbene Sitz genügte den standesgemässen Anforderungen des Landjunkers offenbar nicht allzu lang. 1573 gelang es ihm, ein Stück gemeindeeigenes Land, «an der Halden» genannt, zu erwerben. Gemäss dendrochronologischer Untersuchung (Holzalterbestimmung) der Kellerbalken im Schloss errichtete er auf diesem vorgelagerten Platz im Jahr 1576 seinen neuen, «Wolfsberg» genannten, Sitz. Alten, verschollenen Bildquellen zufolge soll es sich dabei um einen Fachwerkbau mit hohen Treppengiebeln gehandelt haben. Neben dem Wohnhaus liess Wolf Walter Scheunen und Stallungen, eine Trotte und eine Ziegelhütte errichten.
Dabei stellte sich ihm eine unvorhersehbare Schwierigkeit entgegen: Das Holz für den Neubau musste er zukaufen, da ihm dieses die Gemeinde mit der Begründung verweigerte, sie sei wohl für das Bauen am Hof Lanterswilen abgabepflichtig, nicht aber für einen Neubau ausserhalb dieses Besitzes. Überhaupt schien wenig Segen über dem Wolfsberg und seinem Erbauer gelegen zu haben: Neben wiederholten Auseinandersetzungen mit der Gemeinde Ermatingen stritt er sich mit dem vormaligen Besitzer des Hofes Lanterswilen wegen einer nicht erfolgten Abzahlung. Schliesslich verklagte ihn auch noch das Kloster Feldbach, weil er angeblich seinen Besitz verwahrlosen liess und die Zinsen nicht fristgemäss ablieferte. All diese Reibereien, die vor dem Gericht meist zu seinen Ungunsten ausfielen, zwangen den finanziell angeschlagenen Junker letztendlich zum Verkauf seiner Liegenschaften.
Die Familie Gelderich von Sigmarshofen und ihre Nachfolger
Die Familie Gelderich von Sigmarshofen und ihre Nachfolger
1595 erwarb Friedrich Gelderich von Sigmarshofen das Schloss. Die Gelderichs stammten aus Ravensburg und wurden 1559 durch Kaiser Ferdinand I. in den Adelsstand erhoben. Dem neuen Eigentümer schien etwas mehr Glück beschieden zu sein als seinem Vorgänger: Durch beachtliche Landzukäufe vergrösserte er seinen Besitz und erhielt 1595 die niedere Gerichtsbarkeit für das Schlossareal. Damit zählte der Wolfsberg in den folgenden 200 Jahren bis zum Ende der Feudalzeit zu den thurgauischen Freisitzen. Der jeweilige Besitzer war Mitglied des Gerichtsherrenstandes, allerdings ohne Stimmrecht an seinen Tagungen, da zum Freisitz keine Untertanen gehörten.
Die Gelderichs waren eifrige Protestanten und setzten sich für das Bildungswesen in der ländlichen Bevölkerung ein. Mit der Vergabung von 500 Gulden im Jahr 1614 legten sie den Grundstock für eine evangelische Schule in Ermatingen.
1701 gelangte Schloss Wolfsberg an Herzog Leopold Eberhard von Württemberg, regierender Fürst zu Mömpelgard (Montbéliard), der es umgehend seiner Gemahlin Anna Sabina Hedwiger überschrieb. Bald darauf wurde Anna Sabina Hedwiger von Kaiser Leopold I. unter Verleihung des Titels «Gräfin von Sponeck» in den erblichen Reichsgrafenstand erhoben.
Johannes Zollikofer von und zu Altenklingen (1731–1759) und Hartmann Friedrich von Breitenlandenberg (1759–1795)
Johannes Zollikofer von und zu Altenklingen (1731–1759) und Hartmann Friedrich von Breitenlandenberg (1759–1795)
Aus fürstlichem Besitz gelangte der Freisitz 1731 in die Hände eines angesehenen Patriziergeschlechts, der berühmten St. Galler Handelsfamilie Zollikofer. Ihr Stammsitz Altenklingen bei Märstetten (TG) wurde 1586 erbaut und ist bis heute in Familienbesitz.
Der neue Schlossherr, Junker Johannes Zollikofer von Altenklingen, ging unverzüglich daran, den seit seiner Erbauungszeit kaum veränderten Wolfsberg von Grund auf neu zu gestalten und den aktuellen Wohnbedürfnissen anzupassen. So entstand zu Beginn der 1730er Jahre jener herrschaftliche Massivbau, wie wir ihn heute noch kennen. Wahrscheinlich damals erhielt das Schloss eine mit Ecktürmchen besetzte Umfassungsmauer, die unter den späteren Besitzern nach und nach wieder abgetragen wurde. Johannes Zollikofer dürfte auch den Bau des Reb- oder «Bernerhauses» veranlasst haben. Dieser hofseitig mit einer Laube versehene Fachwerkbau befand sich wenige Schritte westlich des Schlosses und wurde 1889 abgerissen.
Darüber hinaus liess der Schlossherr das Gebiet seiner Gerichtsbarkeit mit Grenzsteinen markieren. Auf Kosten des Junkers, der als erster in Ermatingen eine Kutsche besass, wurden die oft unpassierbaren Zufahrtswege ausgeebnet und seitwärts mit Abflussgräben versehen.
Nach dem Tod seiner Frau Elisabetha Allemand verkaufte Johannes Zollikofer den Freisitz 1759 an Hartmann Friedrich von Breitenlandenberg, der knapp 30 Jahre lang Schlossbesitzer blieb.
Jean Jaques Högger (1795–1815) und Ignaz von Wechingen (1815–1824)
Jean Jaques Högger (1795–1815) und Ignaz von Wechingen (1815–1824)
1795 erwarb der vermögende Handelsmann Baron Jean Jacques Högger das Gut. Der in Handelskreisen hoch angesehene Amsterdamer Bankier und kaiserlich-russische Staatsrat nutzte den Wolfsberg als Sommerresidenz, während er die Winterzeit in München verbrachte.
Wahrscheinlich 1797 liess er südwestlich des bestehenden Gebäudes das neue Schloss (heute «Parquinhaus» genannt) errichten. Es war als Gästeunterkunft bestimmt und verfügte im Mittelteil über eine Reithalle. Unter Jean Jacques Högger erlebte das herrschaftliche Gut eine Glanzperiode, obgleich die Feudalzeit ein gutes Jahrzehnt zuvor zur Neige gegangen und der Wolfsberg kein Freisitz mehr war. Gästebüchern und Zeitungsberichten zufolge genoss der Schlossherr Besuch von namhaften Persönlichkeiten. Sogar der bayerische König Maximilian I. war mit zahlreichem Gefolge im Juli 1811 zu Gast, und im August desselben Jahres verbrachte der noch junge Komponist Carl Maria von Weber (1786–1826) einige Tage hier.
Als Högger 1812 starb, erbte seine Tochter Juliane Wilhelmine den Schlosssitz. Drei Jahre später veräusserte sie ihn an Baron Ignaz von Wechingen aus Feldkirch. Dieser stammte aus bescheidenen Verhältnissen und war als englischer Offizier in den Feldzügen gegen Napoleon I. zu gewissem Reichtum gekommen.
Charles Parquin
Charles Parquin
Aus dem Besitz eines eingeschworenen Napoleongegners geriet der Wolfsberg 1824 in die Hände eines eifrigen Mitstreiters von Napoleon I.: Charles Parquin. Nach der Niederlage bei Waterloo 1815 musste der gestürzte Kaiser Napoleon I. Frankreich verlassen. Auch seine Angehörigen mussten fliehen, unter ihnen Hortense de Beauharnais (1783–1837), die Tochter aus erster Ehe der Kaiserin Joséphine und Gattin eines seiner Brüder, Louis, den er zum König von Holland erhoben hatte.
Hortense de Beauharnais suchte in der Schweiz Exil und erwarb 1817 das bei Mannenbach (TG) gelegene Schloss Arenenberg. Dort gewährte sie in der Folge zahlreichen Verwandten und Anhängern des Kaisers ihre Gastfreundschaft. Unter ihnen befand sich auch Charles Parquin, der sich als glühender Verehrer Napoleons in wiederholten Schlachten Rang und Namen sowie eine stolze Anzahl Wunden erworben hatte.
Im Jahr 1824 bot sich ihm die Gelegenheit, den nahe gelegenen Wolfsberg zu kaufen, nachdem er bereits zwei Jahre zuvor Louise Cochelet, eine Vertraute und Gesellschaftsdame von Königin Hortense, geheiratet hatte.
Schloss Wolfsberg als Fremdenpension
Die engen Banden zum Arenenberg, wo sich eine wachsende Gästeschar aus dem nahen Ausland aufhielt, mögen Parquin dazu bewogen haben, das neue Schloss zur ersten Fremdenpension im Kanton Thurgau umzugestalten. Nach dem Vorbild von Schloss Arenenberg liess er einen Teil der ehemaligen Reithalle in einen Zeltsaal verwandeln und die Zimmer mit allem Komfort der damaligen Zeit ausstatten.
In der erweiterten Parkanlage wurden romantische Winkel geschaffen und an einem aussichtsreichen Punkt ein Pavillon errichtet. In der Abgeschiedenheit des umgebenden Waldes entstand eine kleine, «Eremitage» genannte, Blockhütte. Für den katholischen Gottesdienst liess Parquin um 1830 eine Kapelle errichten. Zur Aufnahme des im Sommer benötigten Eises wurde um 1825–1830 ein stattlicher Eiskeller angelegt, und in die Mitte der 1820er Jahre fiel auch der Bau der heutigen Remise.
Ausserdem wurden Künstler beauftragt, das Schloss und seine Umgebung zeichnerisch zu erfassen. 1828 erschien in Paris das «Album de Wolfsberg» mit zwölf lithografierten und handkolorierten Ansichten. Durch gezielte Werbung versuchte der Schlossherr, die noble Welt auf sein modernes Unternehmen aufmerksam zu machen. Dazu liess er um 1825 einen französisch und englisch abgefassten Prospekt drucken und in alle Welt verschicken.
Auch die Zeitungen rührten fleissig die Werbetrommel. Die Gästebücher jener Zeit sind zwar verschollen, doch schrieb der französische Geschichtsforscher Alexandre Buchon (1791–1846): Es «vergeht kaum ein Tag, dass man hier nicht einigen französischen oder ausländischen Berühmtheiten begegnet. Die Namen Chateaubriand, Alexandre Dumas, Casimir Delavigne, Madame Récamier, Sophie Gay, deren Tochter Delphine Girardin, Madame Doumère haben alle nacheinander ihren Platz im Fremdenbuch von Wolfsberg gefunden».
Das Ende der Fremdenpension und Parquins Tod
Auf dieses ganz auf sinnlichen Genuss ausgerichtete Leben folgte ein rascher Niedergang. Durch die Heirat mit Louise Cochelet war Parquin in den Besitz der Burg Sandegg bei Salenstein (TG) gekommen. Zudem hatte er Ende 1822 das baufällige Schloss Salenstein gekauft. Das Eigentum dreier Liegenschaften lastete schwer auf dem ohnehin nicht sehr betuchten Franzosen.
Überdies liess sich Parquin nach dem Tod seiner Frau 1835 vom Prinzen Charles Louis Napoléon (1808–1873) zur Teilnahme an einem Staatsstreich bewegen. Der Sohn von Hortense de Beauharnais und spätere Kaiser Napoleon III. war auf Schloss Arenenberg aufgewachsen und freundschaftlich eng mit Parquin verbunden. Dieser erhoffte sich von diesem Unternehmen eine Verbesserung seiner finanziellen Situation.
Wäre der überstürzte Handstreich gelungen, hätte dies die Wiederherstellung des bonapartistischen Regimes in Frankreich bedeutet. Doch der als «Strassburger Putsch» in die Geschichte eingegangene Aufstand misslang. Parquin wurde vor Gericht gestellt. Dank der Verteidigungsrede seines Bruders, eines Pariser Advokaten, wurde er schliesslich freigesprochen.
Solches Glück sollte er kein zweites Mal haben: Die Teilnahme an einem weiteren Putschversuch in Boulogne brachte ihm 20 Jahre Festungshaft ein. Bis zu seinem Tod 1849 verbrachte er die Tage in der Zitadelle bei Amiens, verfasste dort seine Kriegsmemoiren und tröstete sich mit dem kleinen Zellenfenster, das ihm den Blick auf die Strasse nach Paris freigab.
Auf Schloss Wolfsberg war indessen der wirtschaftliche Zusammenbruch nicht mehr zu verhindern. 1839 kam es zum Konkurs.
Joseph Martin Parry
Joseph Martin Parry
Der nachfolgende Besitzer, der englische Landedelmann Joseph Martin Parry, fand in Wolfsberg ein weitgehend verwahrlostes Gut vor. Innerhalb kurzer Zeit entstand unter seiner Leitung ein landwirtschaftlicher Musterbetrieb. Parry führte unter anderem den vier- und sechsjährigen Futterwechsel ein und verbesserte den Hafer- und Weizenertrag, indem er auserlesenes Saatgut aus England und Deutschland bezog.
1847 ging die Schlossanlage an Rudolf Kieser aus Lenzburg über. Mit ihm setzte eine leidige Zeit für den Wolfsberg ein: Als Opfer der Güterspekulation wurden Schloss und Parquinhaus getrennt veräussert, und zwischen 1851 und 1865 wechselten die Gebäude in rasanter Folge ihre Besitzer.
Die Familie Bürgi
Die Familie Bürgi
Erst Karl Bürgi-Ammann gelang es, die beiden Liegenschaften wieder zu vereinigen. Bürgi entstammte einer Hoteliersfamilie aus Arth (SZ), die 1816 die erste Gaststätte auf Rigi-Kulm eröffnet hatte. Traditionsgemäss beabsichtigte der neue Eigentümer, das 1865 erworbene Parquinhaus in ein Kurhotel umzugestalten. Entlang der nunmehr aufgestockten Nordfront liess er eine Sonnenterrasse und an der Westflanke ein Badegebäude mit Kabinen anbringen. Das 1889 dazugekaufte Schloss wurde als Dependance genutzt, das benachbarte Reb- oder «Bernerhaus» hingegen abgerissen.
Nach Bürgis Tod im Jahr 1891 führte sein gleichnamiger Sohn den Betrieb weiter. Dieser setzte sich für die Instandstellung der Waldwege ein und versah sie mit Ruhebänken. Als Antiquitätensammler trug er im Laufe der Zeit eine ansehnliche Sammlung von Möbeln, Waffen, Zinn und urgeschichtlichen Fundobjekten zusammen, die er im neuen Schloss in der so genannten «Trinkstube» ausstellte. Einzelne Stücke davon befinden sich heute im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich.
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges bereitete dem blühenden Unternehmen ein vorzeitiges Ende. Im August 1914 brachen die vorwiegend deutschen Gäste fluchtartig auf. 1917 wurde im Ost- und im Mittelteil des Parquinhauses ein Erholungsheim für Kinder deutscher Kriegsgefangener eingerichtet, und gegen Kriegsende konnte Karl Bürgi-Trescher als letzte Kurgäste einige internierte deutsche Offiziersfamilien beherbergen.
1918 gelangte Schloss Wolfsberg an Erwin Richard Lauber. Im Rahmen einer umfassenden Renovierung liess er das Badegebäude und die «Eremitage» abreissen und die Halde nördlich des Parquinhauses ausebnen. Auf der Ostseite des Schlosses entstand ein mit Hohlziegeln gedeckter Laubengang und die Gartenanlage wurde neugestaltet.
1925 wurde der Besitz an den Fabrikanten Edmund Oederlin-Moersdorff veräussert, der ihn 1938 an den Juristen Paul Eduard Meyer aus Zürich weiterverkaufte. Meyer widmete sich eingehend der Wiederherstellung der historischen Substanz an Schloss, Kapelle und Ökonomiegebäuden. Gleichzeitig betätigte er sich unter dem Pseudonym Wolf Schwertenbach als Kriminalschriftsteller, und in seiner Zeit erlangte der Wolfsberg auch militärgeschichtliche Bedeutung.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde Hauptmann Meyer vom Leiter des militärischen Nachrichtendienstes, Oberstbrigadier Roger Masson (1894–1967), mit brisanten Angelegenheiten betraut. So wurde der Wolfsberg mit dem «Spezialmeyer» genannten Schlossherrn in den Jahren 1939 bis 1945 zu einer Drehscheibe für Kontakte zwischen der neutralen Schweiz und Vertretern des Dritten Reiches. Es fanden geheime Treffen zwischen Masson und Walter Schellenberg (1910–1952), dem Leiter des deutschen Ausland-Nachrichtendienstes im Rang eines Brigadegenerals, statt.
Über diese Begegnungen war auch der Chef der Schweizer Armeeführung, General Henri Guisan, informiert. Er wünschte selbst in Kontakt zu Schellenberg zu treten, um die Zweifel an der schweizerischen Neutralität zu beseitigen.
Diese Texte orientieren sich weitgehend am Schweizerischen Kunstführer der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK (www.gsk.ch), herausgegeben in Zusammenarbeit mit Wolfsberg: Cornelia Stäheli, Schloss Wolfsberg bei Ermatingen, 3., aktualisierte Auflage, Bern 2013.
Architektur zwischen Tradition und Moderne
Architektur zwischen Tradition und Moderne
Der rege Besitzerwechsel seit dem 16. Jahrhundert führte zwangsläufig zu einschneidenden baulichen Veränderungen. An den ursprünglichen Bau aus den 1570er Jahren erinnert kaum mehr etwas. Dennoch besteht die historisch gewachsene Schlossanlage bis heute als Einheit und hat sich den Reiz eines herrschaftlichen Sitzes inmitten einer weitgehend unverbauten Umgebung bewahrt. Die heutige Besitzerin UBS ist bestrebt, dieses Stück Kulturgeschichte zu erhalten und weiterzuführen.
Beschreibung der Gebäude
Beschreibung der Gebäude
Die stattliche Anlage teilt sich in eine Alt- und eine Neubaugruppe. Die dem See näher gelegenen historischen Bauten, bestehend aus dem Schloss, dem Parquinhaus, der Kapelle, der Bibliothek und der Remise, bilden zusammen mit dem Laubengang ein dreiseitig geschlossenes Ensemble, das sich um einen begrünten und baumbestandenen Hofraum lagert.
Die Neubaugruppe, die südostwärts zum Waldrand gelegen und damit klar von den Altbauten abgesetzt ist, greift einzig mit dem überdachten Säulenzugang beim Haupteingang in das historische Gebäudeensemble ein und stellt so die Verzahnung zwischen Alt und Neu her.
Das dreigeschossige Schloss ist das älteste Gebäude auf dem Areal. Sein heutiges, barockes Erscheinungsbild geht auf einen Umbau im 18. Jahrhundert zurück. An die Ostfassade schliesst der französische Garten an. Im Inneren befinden sich heute Repräsentationsräume und fünf exklusive Suiten.
Äusseres
Das Schloss ist mit seiner Südfassade zur Remise hin ausgerichtet. Auf dem kompakten Baukubus sitzt ein Mansardzeltdach mit Gauben. Der zwiebelbesetzte Glockenträger auf dem Dach beherbergt eine Glocke aus dem früheren Beinhaus St. Michael in Arth (SZ). Die ursprüngliche, heute als «Zollikofer»-Glocke bezeichnete, Glocke ist im Foyer aufgestellt.
Schlichtheit und sparsam verwendeter Bauschmuck charakterisieren die hell verputzten Fassaden, die an den Ecken von Mauerblenden eingebunden sind. Auf der Nordseite befindet sich ein rundbogiges Kellerportal, auf der Südseite der Haupteingang. Beide Zugänge weisen am Sturz die (falsche) Jahreszahl 1590 auf.
An die Ostfassade schliesst ein Laubengang an. Er fasst zu zwei Seiten den symmetrisch angelegten französischen Garten ein, in dessen Zentrum das Brüstungsgitter eines ehemaligen Ziehbrunnens steht.
Inneres
Das Schlossinnere wurde erstmals zwischen 1972 und 1975 saniert. 1994 fand eine Renovierung und Umnutzung statt, bei der man die ursprüngliche Raumeinteilung beibehielt, die Mansarde hingegen zu Wohnzwecken ausbaute. Bei der jüngsten Umgestaltung 2011/12 wurden die beiden Obergeschosse und das Mansardengeschoss in barocker Manier und unter Zuzug moderner Elemente der Bausubstanz von 1732 angenähert. Hierbei entstanden fünf luxuriöse Suiten.
Das Erdgeschoss teilt sich in zwei rechteckige Repräsentationsräume. Das Foyer birgt eine Balkendecke mit schlicht konturierten Füllbrettern. Sie stammt vom Ursprungsbau, den Junker Wolf Walter von Gryffenberg 1576 errichten liess.
Der seeseitige Schlosssaal war früher zweigeteilt. Vom Foyer führt eine schmale neue Treppe ins erste Obergeschoss. Dessen Räume, ein Clubraum, eine Stube und die Suite «Parry», werden von einem schlanken Mittelgang her erschlossen und blicken teils gegen den See, teils gegen den Hof.
Das zweite Obergeschoss und das Mansardengeschoss weisen eine annähernd identische Raumdisposition auf und enthalten heute die vier Suiten «Guisan» und «Zollikofer» (2. OG) sowie «Gryffenberg» und «Högger» (Mansardengeschoss). Eine Régencestuckdecke überspannt zur Hälfte die seeseitige Suite im zweiten Obergeschoss. Sie wurde wahrscheinlich 1732 unter Johannes Zollikofer eingezogen.
Ausstattung
Zu den wenigen noch vorhandenen Ausstattungsstücken früherer Zeiten zählen die vier weiss glasierten Kachelöfen. Unter der heutigen Ausstattung befindet sich noch ein doppelgeschossiger, spätgotischer Schrank süddeutscher Herkunft mit reich durchbrochener, polychrom bemalter und vergoldeter Front sowie vier geschnitzten Nischenfigürchen.
Südwestlich vom Schloss gelegen, diente das Parquinhaus zur Unterbringung von Gästen und verfügte im Mittelteil ursprünglich über eine Reithalle. Errichtet wurde der elegante und klassizistische Bau 1797 durch den vermögenden Handelsmann Baron Jean Jacques Högger. Den Umbau mit der bis heute prägenden Ausstattung verdankt das Parquinhaus dem Bonapartisten Oberst Charles Parquin. Er gestaltete das Gebäude um 1825 zur ersten Fremdenpension im Kanton Thurgau um.
Äusseres
Der lang gestreckte Bau wird an den Ecken und in der Mitte von zweigeschossigen Pavillons mit Walm- bzw. Mansardwalmdächern durchdrungen. Dekorative Elemente binden die Eckkanten der hellgelb verputzten Fassade ein.
An der seewärts orientierten Schaufront (nordseitig) steht ein repräsentativer Säulenportikus mit übergeordnetem Balkon. Unmittelbar vor dem südseitigen Haupteingang befindet sich ein rund 17 Meter tiefer Sodbrunnen aus den 1870er Jahren.
Inneres
Das Gebäudeinnere wurde zwischen 1972 und 1975 entkernt und modernisiert. Im Erdgeschoss befinden sich im Anschluss an die weite Eingangshalle drei grosszügig gestaltete Empireräume, die unter Charles Parquin entstanden sind. Originalgetreu nachgebaut, dienen sie heute als Speisesäle mit insgesamt 150 Sitzplätzen.
Der «Gelbe Saal» weist honigfarbene Tapeten auf. An der Ostwand hängt in einem vergoldeten Ovalrahmen das annähernd lebensgrosse Bildnis Napoleons III., gegenüber in bescheidenerer Aufmachung dasjenige seines berühmten Onkels Napoleon I. (beides Leihgaben aus Schloss Arenenberg). Ein weiss gekachelter Zylinderofen mit Messingzier unterstreicht die historische Eleganz des Raumes.
Der «Rote Saal» ist in dezentem Beige und Englischrot gehalten. An der Nordwand fällt ein Spiegel mit blauem Architekturrahmen und figürlichen Goldauflagen auf. An der Ostwand steht ein graziler Empirekamin, dessen Schürze mit ornamentalem Zierrat versehen ist. Beide Stücke gehören zur originalen Ausstattung.
Der heute denkmalgeschützte «Zeltsaal» entspricht in Form und Farbe einem napoleonischen Feldherrenzelt und entstand in Anlehnung an den Zeltsaal auf Schloss Arenenberg. Deckenaufbau und Wände sind mit vertikal blau-weiss gestreiften Tapeten ausstaffiert, die unter den Deckenschrägen einen aufgemalten, goldenen Lambrequin (Nachbildung eines Vorhanges) aufweisen.
Die um 1825 durch Charles Parquin errichtete Remise diente ursprünglich als Stallungsgebäude. Daran erinnern heute nur noch die beiden charakteristischen Korbbogentore und das hoch gelagerte, übergiebelte Aufzugstor an der Südfront. Der lang gestreckte einstöckige Giebeldachbau ist durch einen torartigen Zwischentrakt mit dem Parquinhaus verbunden.
Vom Stall zur Bar
Seit UBS das Gebäude vollständig modernisieren und umbauen liess, weist kaum noch etwas auf die einstige Funktion der Remise als Stallungsgebäude hin. 1997 wurde der Umbau abgeschlossen. Ins gleiche Jahr fiel auch die Öffnung der Gartenanlage zum Gebäude hin. Dieser als «Englischer Garten» bezeichnete Park ist einem Garten aus dem Westteil des Kensington Gardens in London nachempfunden.
Heute beherbergt die Remise Räume für Pausen und Zusammenkünfte. Einige davon wurden in den Jahren 2001 bis 2002 neugestaltet. Im Erdgeschoss befindet sich neben dem zentralen Aufenthaltsraum eine «Lounge» mit Bar. Im Obergeschoss stehen mit dem «Speicher» und der «Junkerstube» zwei Clubräume für ein gemütliches Beisammensein zur Verfügung.
Die Kapelle liegt zwischen Schloss und Remise und wurde um 1830 durch Charles Parquin erbaut. Sie besteht aus einem im Grundriss quadratischen Turm, der ebenerdig den Kapellenraum birgt, und einem fünfseitig geschlossenen Chor. An der Südfassade befindet sich eine bunt bemalte Sonnenuhr. Westseitig schliesst die Bibliothek an. Von der ursprünglichen Ausstattung ist heute nichts mehr vorhanden.
Kleines Andachtshaus
Fünf, zum Teil mit Butzenscheiben besetzte, Spitzbogen- und ein Rundfenster gliedern die Fassaden. Den Turmkörper bedeckt ein Zeltdach mit Glockenträger. Zwei Grabplatten aus Sandstein flankieren das Nordportal. Sie stammen aus der Kirche Ermatingen und wurden nach der Kirchenrenovierung 1899 hierher versetzt. Ihre (ergänzten) Inschriften verweisen auf einstige Besitzer des Wolfsbergs. Links: Familie Gelderich von Sigmarshofen, rechts: Johannes Zollikofer von Altenklingen.
Im Innenraum wird die Trennung zwischen Schiff und Chor durch einen Rundbogen deutlich. Beide Raumteile weisen schlichte Putzdecken auf. Der durchgehende Boden hat einen Belag aus Tonplatten.
Ausstattung
Von der ursprünglichen Ausstattung, die Charles Parquin um 1830 zum Teil aus der Burg Sandegg in Salenstein (TG) hergebracht hatte, ist nichts mehr vorhanden. Heute steht ein Altar mit profilierter und teilweise vergoldeter Front im Chor; er stammt angeblich aus der Kapelle Klingenzell bei Mammern (TG). Das Nussbaumgestühl und das eichene Lettnerfragment (Schranke zum Kapellenraum) wurden von ihrem ehemaligen Standort in der Ermatinger Kirche hierher versetzt.
Die beiden Nordwandnischen beherbergen rechts ein venezianisches Ziborium (Hostienkelch) aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts und links eine niederrheinische Grablegungs- und Beweinungsgruppe aus Holz von ca. 1510. Die im 14. Jahrhundert von einem süddeutschen Meister geschaffene Schnitzfigur auf der Südwandkonsole zeigt wahrscheinlich die hl. Dorothea mit dem Apfel als Attribut.
Das gesamte Kleininventar wurde von UBS aus verschiedenen Quellen zugekauft.
Der an die Kapelle angegliederte Giebeldachbau dürfte zur Hälfte ursprünglich Teil des Andachtshauses gewesen sein, während der westliche Gebäudeteil früher als Waschhaus und in den 1890er Jahren sogar als chemisches Laboratorium genutzt wurde. 1975 richtete UBS hier eine Bibliothek ein.
Ein Ort nicht nur für Bücher
Äusserlich ist das Gebäude schlicht gehalten. An der Westflanke befindet sich ein Brunnenbecken mit einer grossen Muschel, dem Zeichen des hl. Jakobus und der Pilger.
Das Gebäudeinnere wurde von 1972 bis 1975 durch die die Architekten Rudolf und Esther Guyer vollständig neugestaltet. Der schmale, vorwiegend in Holz gekleidete Raum mit offener Sicht ins Dachgebälk erhielt eine dreiseitig umlaufende Galerie. Diese ist über eine neugotische Wendeltreppe erreichbar. Bis 1975 diente die Treppe im Schloss als Aufgang ins Dachgeschoss. Ebenfalls aus dem Schloss stammt das eiserne Turmuhrwerk an der Westwand aus dem Jahr 1540 von Laurentius Liechti († 1545), dem Begründer der Winterthurer Uhrmacherdynastie Liechti. Das dazugehörige Zifferblatt befindet sich an der Aussenwand.
Bis zum Anbruch des Internetzeitalters fungierte die Bibliothek als Informationszentrum mit den jeweils neuesten Publikationen aus den Bereichen Leadership, Management, Banking, Wirtschaft, Kunst, Kultur und Politik. Heute beheimatet sie vor allem Publikationen und Ausstellungskataloge aus dem Kunst- sowie Architekturbereich.
Der Eiskeller wurde von 1825 bis 1830 durch Charles Parquin angelegt. Er befindet sich südlich der Neubaugruppe in schattiger Lage. 2006 bis 2007 wurde er restauriert und mit einer raumsparenden Schrägspindeltreppe ausgestattet.
Äusserlich unauffällig
Nach aussen hin präsentiert sich der Bau als unauffällige Erdaufwölbung mit nordseitigem Eingangsvorbau. Im Inneren befindet sich ein Raum von imposantem Volumen (max. Höhe: 8 m; max. Breite: 5,1 m). Boden und Wände dieses mehrere Meter in den Erdboden reichenden, eiförmigen Hohlkörpers werden im unteren Bereich durch den natürlich gewachsenen Fels, im oberen durch eine Auskleidung aus Sichtbackstein bestimmt. Im Boden befindet sich eine kreisrunde Senke, die der Versickerung des Schmelzwassers diente. Im Gewölbe an der Decke ist noch die ursprüngliche Aufzugsvorrichtung zum Heben und Senken der Eisblöcke zu sehen.
Das neue Konferenzgebäude der Zürcher Architekten Arndt Geiger Herrmann wurde im Frühling 2020 nach zweieinhalb Jahren Bauzeit fertiggestellt und ersetzt den, in den Jahren 1972 bis 1975 von Rudolf und Esther Guyer errichteten, Vorgängerbau. Architektonisch bildet es eine Einheit mit dem dreiteiligen, ebenfalls von Arndt Geiger Herrmann erbauten, Hoteltrakt, welcher nach dreijähriger Bauzeit 2008 vollendet wurde.
Die Neubauten passen sich dank bewusst niedrig gehaltener Architektur gut in die ländliche Umgebung ein. Sowohl das Konferenz- als auch das Hotelgebäude bestechen durch Transparenz, klare Linienführung und einen rücksichtsvollen Dialog mit der Landschaft und der einmaligen Lage von Schloss Wolfsberg.
Diese Texte orientieren sich weitgehend am Schweizerischen Kunstführer der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK (www.gsk.ch), herausgegeben in Zusammenarbeit mit Wolfsberg: Cornelia Stäheli, Schloss Wolfsberg bei Ermatingen, 3., aktualisierte Auflage, Bern 2013.
Ankauf durch die heutige UBS
Ankauf durch die heutige UBS
1970 erwarb die Schweizerische Bankgesellschaft (heute UBS) den Schlosssitz mit 12 Hektar Umgelände, um ihn zu einem Ausbildungszentrum umzugestalten. Die umfassenden Renovierungsarbeiten am historischen Bestand sowie die Errichtung der Neubauten wurden unter der Leitung des Zürcher Architekturbüros Esther und Rudolf Guyer ausgeführt und im Frühjahr 1975 abgeschlossen. Am 8. Mai gleichen Jahres fand die Betriebseröffnung statt.
Stetige Weiterentwicklung
Stetige Weiterentwicklung
Zwischen 2005 und 2008 wurde der dreiteilige Hoteltrakt mit 122 Gästezimmern von den Zürcher Architekten Arndt Geiger Herrmann neugestaltet. Gleichzeitig wurde der historische Eiskeller restauriert sowie eine neue Tiefgarage mit 90 Stellplätzen erbaut. Unter der Leitung des St. Galler Architekturbüros Klaiber Partnership AG (heute Forma Architekten AG) wurde das Schloss 2011 bis 2012 saniert und unter Zuzug moderner Elemente der barocken Bausubstanz von 1732 angenähert. Die jüngsten baulichen Veränderungen erfolgten von Dezember 2017 bis März 2020 mit dem Neubau des Seminar- und Konferenzgebäudes, wiederum durch die Zürcher Architekten Arndt Geiger Herrmann.