Können chinesische Aktien in einem sich verlangsamenden Wirtschaftswachstum bestehen?
Chinas jahrzehntelange Zeit hohen Wirtschaftswachstums ist zu Ende, aber die Chancen für Investitionen sind es nicht, argumentieren Evan Brown und Sylvia Liang.
Die strukturellen Probleme der chinesischen Wirtschaft sind kein Geheimnis. Sie sind gut dokumentiert und folgen auf eine Phase außergewöhnlichen Wachstums, das durch enorme Investitionen in Immobilien und Infrastruktur sowie einen wettbewerbsfähigen Exportsektor angetrieben wurde.
Die ‚Vier Ds‘ (Demand, Demographics, Debt, De-risking) – geprägt von Zongyuan Zoe Liu – sind ein nützlicher Bezugsrahmen für das Verständnis der miteinander verbundenen wirtschaftlichen Herausforderungen des Landes. 1
Nachfrage
Nachfrage
Der Anteil des Konsums am BIP Chinas liegt bei 38% und damit deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von 60%. Da sich der Immobiliensektor und die Investitionen allgemein verlangsamen, wird der Konsum den Rückstand aufholen müssen. Doch angesichts des Immobilienabschwungs, des Abbaus der Haushaltsschulden, des erschütterten Vertrauens nach der Corona-Pandemie und der Zurückhaltung des Staats, die Verbraucherausgaben direkt zu unterstützen, wird eine Beschleunigung dieses Übergangs schwierig sein.
Demografie
Demografie
Das langfristige Wachstum einer Volkswirtschaft wird von der Produktivität der Erwerbsbevölkerung angetrieben, aber die chinesische Bevölkerung altert derzeit rapide. Dies belastet das Wachstum und schränkt auch die Haushaltsbildung ein, die zur Stützung des Immobilienmarktes und damit für die Einnahmen der lokalen Regierungen erforderlich ist.
Schulden
Schulden
Bauträger, Kommunalverwaltungen und viele Haushalte müssen im Zuge der Anpassung des Wohnungsmarktes ihre Schulden erheblich reduzieren. Während die Verschuldung des chinesischen Staates etwa 50% des BIP beträgt, steigt sie unter Berücksichtigung der Schulden der lokalen Gebietskörperschaften nach Schätzungen von Bloomberg und Morgan Stanley auf über 120%. Dies schränkt bei der Schaffung eines finanzwirtschaftlichen Polsters zum Ausgleich eines breiteren Schuldenabbaus ein.
Risikoabbau
Risikoabbau
Die Beschränkungen westlicher Regierungen in Bezug auf Technologien und die Neuausrichtung der Lieferketten globaler multinationaler Unternehmen hemmen das Wachstum.
Die Direktinvestitionsströme aus dem Ausland nach China sind auf ein 26-Jahres-Tief gesunken, was eine drastische Kehrtwende gegenüber dem 2021 erreichten Höchststand bedeutet.
Langfristige Chancen
Langfristige Chancen
Wir sind jedoch der Ansicht, dass die negative Einschätzung des makroökonomischen Umfelds zu einer Unterbewertung der langfristigen Chancen Chinas geführt hat. Erstens ergreifen die politischen Entscheidungsträger Maßnahmen zur Stabilisierung und Glättung der Konjunkturabschwächung, und selbst wenn sich Chinas Expansion abschwächt, wird die Wachstumsrate in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich immer noch höher sein als die der Weltwirtschaft.2
Ein Hauptgrund dafür, dass das Gewinnwachstum oft nicht eindeutig mit dem Wirtschaftswachstum übereinstimmt, ist die Fähigkeit der einheimischen Vorreiter, zu multinationalen Großunternehmen zu werden und ein überdurchschnittliches Gewinnwachstum zu erzielen.3 Hier hat China Potenzial, sich auszuzeichnen, da mehrere Branchen und Unternehmen bemerkenswerte Innovationen und Wachstum aufweisen.
Damit Chinas Märkte ihr Potenzial ausschöpfen können, bedarf es möglicherweise einer Reihe von Erfolgen auf der Mikroebene. Entscheidend ist die weiterhin günstige Position des Landes, um in den globalen Lieferketten einen deutlich größeren Wert zu erzielen, indem es sich von einer ‚Fabrik‘ zu einem ‚weltweit anerkannten Wettbewerber‘ entwickelt, wie es in Branchen wie den Folgenden der Fall gewesen ist:
- Haushaltsgeräte: Die internationalen Segmente von Haier und Midea machen derzeit fast 50% des Umsatzes der Gruppe aus und übertreffen damit das Wachstum ihrer inländischen Segmente. China kann nun bezüglich der Qualität mit europäischen, koreanischen und japanischen Marken konkurrieren, während dies zuvor nur mit Blick auf den Preis möglich war.
- Unterhaltungselektronik: Chinesische Smartphone- Marken haben circa 35% des weltweiten Marktanteils erobert und verzeichnen ein schnelles Exportwachstum. Unternehmen wie Xiaomi haben sich die Lieferkette zunutze gemacht, die entstanden ist, als Weltmarktführer wie Apple und Samsung ihre Produkte in China hergestellt haben, um Zugang zum heimischen Markt zu erhalten und dann die Wertschöpfungskette zu erweitern.
- Elektrofahrzeuge: Chinesische Elektrofahrzeuge werden durch erstklassige Batterie-F&E und Fertigkeitskapazitäten unterstützt, nachdem Tesla Fabriken errichtet und die Einführung von Elektrofahrzeugen vor Ort vorangetrieben hat. Die UBS Investment Bank schätzt, dass sich der weltweite Marktanteil Chinas bis 2030 von 17% auf 33% verdoppeln könnte, vor allem auf Kosten Europas. Im Jahr 2021 waren in China rund 5,4 Millionen Menschen im Bereich der erneuerbaren Energien beschäftigt. Das sind mehr als in den USA, der EU, Südamerika und Afrika zusammen.
Das Potenzial für schnelles Wachstum in margenstarken Hochtechnologiebranchen bietet einen fruchtbaren Boden für Alpha-Möglichkeiten bei der Aktienauswahl. Dies gilt umso mehr, als der chinesische Markt im Vergleich zu seinen Gegenübern in Industrienationen nicht besonders gut von Analysten abgedeckt wird.
Was ist im Preis enthalten?
Erwartungsgemäß sind die erheblichen wirtschaftlichen Hindernisse Anlegern nicht verborgen geblieben. Die günstigen Bewertungen chinesischer Aktien deuten darauf hin, dass ein Großteil der negativen Nachrichten bereits in den Preis einberechnet ist.
Die Bewertungen sind im Vergleich zu anderen Schwellenländern günstig. China wird zum 1. November 2023 mit einem 12-Monats-Kurs-Gewinn-Verhältnis von 9,8 gehandelt, was einen deutlichen Abschlag gegenüber dem MSCI World Index bedeutet. Wir gehen davon aus, dass sich die Vermögensallokation der inländischen Haushalte im Laufe der Zeit zu börsennotierten Aktien verlagern wird, wie es typischerweise der Fall ist, wenn Volkswirtschaften reifen.4 Darüber hinaus dürfte der Einbruch bei Immobilien die Attraktivität dieser Anlageform für inländische Investoren verringern. Dies könnte zu einer Verschiebung der relativen Anlagepräferenzen und -ströme zugunsten von öffentlichen Aktien führen.
Wir erwarten für den Kapitalmarkt der nächsten fünf Jahre eine voraussichtliche Rendite von 8,2% pro Jahr für chinesische Aktien, was deutlich über der Schätzung von 6,3% für globale Aktien oder 4,2% für US-amerikanische Standartwerte liegt.
Lichtblicke
Zweifelsohne war die chinesische Wirtschaft im Jahr 2023 unterfordert und steht in den kommenden Jahren beim Übergang von ihrem kreditbetriebenen, immobilienzentrierten Wachstumsmodell vor erheblichen Herausforderungen.
Auf der Makroebene sind wir zuversichtlich, dass die politischen Entscheidungsträger ausreichend Unterstützung leisten werden, um diese zyklische Abschwächung zu bewältigen. Die Wirtschaftsdaten von August bis Oktober stützen die Annahme, dass sich die Aktivität aufgrund maßvoller fiskal- und geldpolitischer Anreize stabilisiert hat, und die Prognoserevisionen für das chinesische Wachstum tendieren nach oben.
Auf der Mikroebene ermutigen uns die vielfältigen Fortschritte Chinas, im Laufe seiner wirtschaftlichen Entwicklung in der Wertschöpfungskette nach oben zu rücken sowie seines Potenzials, ein globaler Leader in einer Reihe von aufstrebenden, schnell wachsenden Industrien zu sein.
Der politische Fokus auf Innovation zur Entwicklung von Expertise in den Bereichen relativ neuer, fortschrittlicher Technologien, gepaart mit einer niedrigen Bewertung inländischer Aktien, gibt uns Zuversicht, dass chinesische Aktien auch bei einem schwächeren Wirtschaftswachstum relativ erfolgreich sein können.
Chart 3: China trades at a significant discount to MSCI World
MSCI China 12m forward P/E relative to MSCI World
Our five-year capital market expectations point to prospective returns of 8.2% per annum for Chinese equities, well above the 6.3% estimate for global equities or 4.2% forecast for US large-cap stocks.
Encouraging signs
No doubt, the Chinese economy has underwhelmed in 2023, and faces considerable challenges in the years ahead to transition away from its credit-fueled, property-centric growth model.
At the macro level, we have confidence that policymakers will provide sufficient support to manage this cyclical slowdown. Economic data from August through October broadly supports the idea that activity has stabilized amid measured fiscal and monetary stimulus, and forecast revisions for Chinese growth are beginning to move higher. On the micro level, we are encouraged by the many ways China has moved up the value chain during its economic development, as well as its potential to be a global leader in a suite of nascent, fast-growing industries.
We are encouraged by the many ways China has moved up the value chain during its economic development, as well as its potential to be a global leader in a suite of nascent, fast-growing industries.
This policy focus on innovation to develop expertise in relatively new advanced technology areas, coupled with low valuations for domestic stocks, give us confidence that Chinese equities will be able to perform well even as economic growth moderates.
Der China-Komplex
Der China-Komplex
Diese Sonderausgabe von Panorama ist China gewidmet und bietet eine umfassendere Sichtweise auf das Land aus der geopolitischen, nachhaltigen, wirtschaftlichen und marktwirtschaftlichen Perspektive.
Über die Autoren
Evan Brown
Head of Multi-Asset Strategy
Evan Brown, CFA, wirkt innerhalb des Investment Solutions Teams von UBS Asset Management als Head of Multi-Asset Strategy. In dieser Rolle leitet er das Makro-Research sowie den Anlageprozess der taktischen Vermögensallokation für Kundenportfolios im Volumen von über 100 Mrd. US-Dollar. Darüber hinaus verantwortet er die Beratung des weltweiten Kreises institutioneller Kunden und vermögender Privatkunden von UBS Asset Management zum gesamtwirtschaftlichen Ausblick und der Vermögensallokation.
Sylvia Liang
Research Analyst
Sylvia Liang ist als Research Analyst und Macro Strategist Teil des in New York ansässigen Investment Solutions Team von UBS Asset Management. Sie hat die Leitung des Research für Anlagen in Schwellenländern für Multi-Asset-Portfolios inne und unterstützt Senior Portfolio Manager bei Entscheidungen über die taktische Vermögensallokation. Davor arbeitete Sylvia Liang bei J.P. Morgan Global Markets sowie der Investment-Banking-Sparte der Deutschen Bank in New York. Sylvia Liang besitzt einen CFA und hat einen Masterabschluss in Naturwissenschaften an der Columbia University sowie einen Abschluss als Bachelor of Business Administration an der Emory University erworben.
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