Wie haben sich COVID-19 und der Klimawandel auf das Wirtschaftswachstum ausgewirkt?
Von den Auswirkungen von COVID-19 auf die globale Wertschöpfungskette über die ungleiche Impfstoffversorgung bis hin zu sich überschneidenden Klimaproblemen wurde die Wirtschaft im vergangenen Jahr auf eine harte Probe gestellt. Nobelpreisträger untersuchen, was das Wirtschaftswachstum gebremst, aber auch was es vorangebracht hat.
Wirtschaftswachstum ist einfach zu definieren, aber deutlich schwieriger zu messen. Im Wesentlichen ist es eine Steigerung der Quantität und/oder Qualität der produzierten und konsumierten Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen - üblicherweise gruppiert in Kapital, Arbeit, Land und Unternehmerschaft. Doch müssen auch das Bruttoinlandsprodukt (BIP) einer Volkswirtschaft, die Inflation, das Haushaltseinkommen, die Produktivität usw. mit einbezogen werden. Volkswirtschaften können von Wetterereignissen, Finanzkrisen oder Pandemien unvorbereitet getroffen werden, und COVID-19 hat die Wirtschaft und die Ökonomen sicherlich völlig unvorbereitet getroffen. Was passiert mit dem Wirtschaftswachstum in einer Pandemie? Wird das gesamte Wachstum gehemmt?
Die Impfstoffversorgung
Die Impfstoffversorgung
Als sich COVID-19 von einem isolierten Virus zu einer weltweiten Pandemie entwickelte, beobachtete Nobelpreisträger Michael Spence, wie verschiedene Länder und ihre Volkswirtschaften durch die einzelnen Phasen und Varianten schwankten. Und obwohl es zweifellos Auswirkungen auf die weltweiten Wirtschaftsstrukturen gab, waren es die Impfstoffe, welche die Lage prägten.
„Die Impfstoffe kamen in den Industrieländern und in einigen Schwellenländern an, und damit setzte eine sehr zügige Erholung ein“, stellt Spence fest. „Es wurde damit begonnen, einzelne Branchen wieder zu öffnen, und es wurde nicht zur vorherigen Normalität zurückgekehrt, sondern zu etwas, das etwas normaler war als das die von der Pandemie betroffene Wirtschaft. Seitdem gab es wohl nur ein paar Dinge, die den Wiederherstellungsprozess gebremst haben.“
„In Bezug auf den Virus gab es das Auftreten von Varianten, was zu einem gewissen Rückfall zu pandemiebedingten Maßnahmen führte, wodurch die Fortschritte verlangsamt wurden. In diesem Zusammenhang fand in den Ländern, die es sich leisten können, eine sehr effektive Verteilung von Impfstoffen statt und am anderen Ende des Spektrums blieb diese sehr uneffektiv, wodurch das Wachstum enorm beeinträchtigt wurde. Dadurch wurde nicht nur ein möglicher Aufschwung in gewissen Teilen der Welt abgebremst, sondern zusätzlich sind diese Länder durch das Auslassen besonders gefährdet; Es wurde eine Situation geschaffen, in der wahrscheinlich mehr Varianten entstehen, die in das System zurückfließen können.“
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Weltweite Wetterereignisse
Mit der Klimaerwärmung traten gleichzeitig weitere Sorgen auf die Weltbühne. Dürren, Überschwemmungen und Waldbrände wüteten plötzlich alle auf einmal.
„Wir hatten eine außergewöhnlich hohe Anzahl extremer Klimaereignisse aus jeder Kategorie“, sagt Spence. „Wenn man sich die Landkarten dieser Ereignisse ansieht, fällt auf, dass die Häufigkeit, der Schweregrad und die globale Abdeckung groß waren. Deutschland, China, überall.“
Die Pandemie hatte die weltweite Wertschöpfungskette stark beeinträchtigt, und die extremen Wetterereignisse verschlimmerten das Problem noch zusätzlich, so Spence.
„Es gibt also Knappheiten, Preiserhöhungen, Rückstände, nahezu jede Art von Index, den man für eine breite Palette von Rohstoffen erstellen kann, war betroffen, und dadurch hat sich das Wachstum definitiv verlangsamt“, fährt er fort. „Es führt auch zu einer Diskussion über die Inflation, und wenn die Zentralbanken gezwungen sind, darauf zu reagieren, wird das Wachstum noch weiter gehemmt. Grundsätzlich besteht die beste Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, darin, dass die Lieferketten entlastet werden. Es bedeutet nicht, dass wir uns nicht im Wiederherstellungsprozess befinden, aber es bedeutet, dass es mehr Hindernisse und Gegenwind gibt als erwartet.“
Große Veränderungen im Gange
Trotz der Belastungen für die Lieferketten, der Rückstände und der ungleichmäßigen Erholungsphasen verfolgte Spence auch, wie die Weltwirtschaft neue Technologien in ungeahntem Tempo einführte und bestehende Technologien aufgriff. Ganze Branchen beschleunigten neue Entwicklungen, die teilweise aus der Not geboren waren. Unabhängig von den tatsächlichen Gründen ist Spence der Ansicht, dass es mehr Grund zum Feiern als zur Sorge gibt. Insbesondere aus drei Gründen.
„Es sind mindestens drei große Veränderungen im Gange“, meint er. „Der eine ist die digitale Transformation. Diese ist weder neu noch hängt sie mit der Pandemie zusammen. Der zweite ist die Energiewende und das Thema Klimawandel. Der dritte wird etwas seltener thematisiert, nämlich die Revolution des Gesundheitswesens und der biomedizinischen Wissenschaft. Und all jene Änderungen werden von mächtigen Kräften angetrieben.“
„Die Pandemie beschleunigte die digitale Entwicklung, und aus dem offensichtlichen Grund, dass die Volkswirtschaften in dem Ausmaß am Laufen gehalten werden mussten, wie es letztendlich passiert ist, war die Welt darauf angewiesen“, fährt Spence fort. „Das wird für viel Wachstum sorgen, und wenn wir Glück haben und es richtig angegangen wird, indem man den Menschen beim Erwerb neuer Fähigkeiten hilft und die Wirtschaft in Schwung bringt, damit es nicht an Nachfrage mangelt, dann könnte es zu einem echten Produktivitätsboom kommen, wodurch sich der Abwärtstrend ins Positive drehen würde, und das wäre global, nicht überall gleichermaßen, aber dennoch global.“
„Die Energiewende wird nicht einfach. Meiner Meinung nach haben wir zwar einen guten Schritt nach vorne getan und es gibt eine Menge Engagement, aber das heißt nicht, dass es einfach wird, denn die Hauptbeteiligten müssen sich zusammenschließen“, sagt Spence. „Aber im Zuge dieses Wandels wird es Branchen geben, die ein starkes Wachstum erleben. Es besteht eine hohe Nachfrage nach Lösungen. Ähnliches ist auch im Bereich des Gesundheitswesens zu sehen. Der Aufbau einer flächendeckenden Versorgung, die Telemedizin, Ferndiagnostik und dann schließlich die leistungsstarke Biomedizin selbst. Die Welt aus der Mikroperspektive der wachstumsstarken Branchen sieht ein wenig anders aus als der makroökonomische Überblick aus mehreren tausend Metern Höhe.“
Die Rolle von Ungleichheit
Für einen weiteren Nobelpreisträger und Ökonomen Joseph Stiglitz, hat eines der Hauptprobleme, die das Wirtschaftswachstum bremsen, nichts mit dem BIP oder der Arbeitslosigkeit zu tun. Das zentrale Problem, das er als Wachstumsbremse sieht, ist die Ungleichheit.
„Der Grund, dass die Ungleichheit zu einem solchen Diskussionsthema geworden ist, liegt darin, dass die Ungleichheit in einem Ausmaß zugenommen hat, wie wir es seit sehr, sehr langer Zeit nicht mehr gesehen haben“, sagt Stiglitz. „Ungleichheiten beim Einkommen und Vermögen, die viel größer sind als die Einkommensgerechtigkeit. Ungleichheiten bei der Gesundheitsversorgung, beim Zugang zu Medikamenten, Chancenungleichheiten. Es gibt kein Patentrezept, das die Ungleichheiten, die seit fast einem halben Jahrhundert existieren, beseitigen kann. Aber es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die sehr viel bewirken würden.“
„Meines Erachtens lassen sich die politischen Maßnahmen in solche unterteilen, mit denen die Gleichheit des Einkommensniveaus auf dem Markt erhöht wird, und solche, mit denen die Einkommensungleichheit auf dem Markt beseitigt und die Konsumstärke der Menschen erhöht wird“, sagt Stiglitz. „Es muss sichergestellt werden, dass es eine größere Gleichheit in Bezug auf die Grundausstattung gibt, also öffentliche Bildung und gute Erbschaftssteuern, damit es nicht zu einer Erbplutokratie kommt. Der andere Teil, um die Qualität des Markteinkommens zu erhöhen, bezieht sich auf Gesetze, die Beschäftigten mehr Macht geben und die Monopolmacht begrenzen. Es gibt eine ganze Reihe von Fragestellungen, die mit wettbewerbsrechtlichen Aspekten, Unternehmensgesetzen und so weiter zu tun haben. Und schließlich geht es darum, sicherzustellen, dass nicht breite Bevölkerungsschichten auf der Strecke bleiben, und das hat mit Maßnahmen wie progressiven Einkommenssteuern und Investitionsprogrammen zu tun, mit denen gewährleistet wird, dass alle Menschen Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, einem gesicherten Ruhestand, adäquaten Wohnungen und so weiter haben.“
„Das Thema Gleichheit betrifft wirklich alle Aspekte der Politik“, sagt Stiglitz. „Und da die Ungleichheit zu einem der Hauptprobleme unserer Gesellschaft geworden ist, müssen wir die Frage, wie die Politik Einfluss auf die Ungleichheit nimmt, stärker in den Mittelpunkt rücken. Früher hat in einer Zentralbank niemand über Ungleichheit gesprochen. Heute wissen wir aber, dass die Geldpolitik eine sehr große Rolle bei der zunehmenden Ungleichheit und beim Wohlstand gespielt hat. Daher können die Zentralbanken den Einfluss ihrer Politik auf die Ungleichheiten nicht einfach ignorieren.“
Die beiden Preisträger sind sich bei dieser Frage einig. Und obwohl die Globalisierung insgesamt als Erfolg bezeichnet werden kann, insbesondere für die Entwicklungsländer, verdeutlicht die weltweite Pandemie, wie sehr die verschiedenen Volkswirtschaften miteinander verbunden sind.
„Die zunehmende Multilateralität, die im Wesentlichen zur Öffnung der Weltwirtschaft beitrug, war für das Vorankommen der Entwicklungsländer absolut entscheidend“, sagt Spence. „Heute lebt ein beträchtlicher Teil der Weltbevölkerung in Ländern mit mittleren Einkommen. Sie werden ihren Erfolgs- und Wachstumsprozess fortsetzen, aber es gibt eine Reihe von Ländern, die verspätet gestartet sind. Einige dieser Länder stehen vor politischen Herausforderungen. Einige haben demographische Probleme. Wenn man all diese Dinge zusammen betrachtet, haben sie ihre eigenen Herausforderungen zu bewältigen. Wenn die Weltwirtschaft dann aber in Schwierigkeiten gerät und sie keinen Zugang erlangen, dann entsteht eine Welt mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Solche Divergenzen kann man nicht gebrauchen.“
„Multilateralität in ihrer guten Form schafft globale Gemeinschaftsgüter und löst Probleme, wenn sie entstehen“, sagt Spence. „Pandemien, Klimawandel, es wird weitere geben, und man braucht Institutionen mit Erfahrung, die mit solchen Situationen umgehen können. Ich denke, die erste Aufgabe muss es sein, diese Institutionen wieder zu etablieren und sich ihnen neu zu verpflichten. Damit meine ich nicht, dass wir strikt wieder zurück in die Vergangenheit gehen. Da sich der Schwerpunkt der Weltwirtschaft nach Asien verlagert, funktioniert das so nicht mehr. Es ist also komplizierter, aber dennoch wichtig, es anzugehen.“
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