Lektionen aus David Cards Studie zur Mariel-Bootskrise
David Card, ein prominenter Wirtschaftswissenschaftler, hat eingehende Studien zum Thema Einwanderung und ihrer Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt unternommen.
Seine bahnbrechende Studie über die Mariel-Bootskrise hat konventionelle Annahmen in Frage gestellt und zu einem differenzierteren Verständnis der Auswirkungen von Einwanderung auf den Arbeitsmarkt geführt.
Hilft Einwanderung der Wirtschaft?
Hilft Einwanderung der Wirtschaft?
Einwanderung ist heute eines der am kontroversesten diskutierten Themen, insbesondere in Politik und Wirtschaft. Aber das war nicht immer so, meint ein Wirtschaftswissenschaftler.
"In der Vergangenheit wurde Einwanderung von den meisten Ökonomen als eine positive Kraft für die Wirtschaft angesehen", sagt Wirtschaftsnobelpreisträger David Card. "Bedenken bestanden lediglich hinsichtlich möglicher negativer Auswirkungen auf gering qualifizierte Arbeitnehmer, die mit gering qualifizierten Einwanderern am stärksten konkurrieren würden. Meine Studien haben ergeben, dass diese negativen Auswirkungen für Arbeitnehmer eher gering sind."
Hat die Mariel-Bootskrise wirtschaftliche Annahmen in Frage gestellt?
Hat die Mariel-Bootskrise wirtschaftliche Annahmen in Frage gestellt?
Card hat bedeutende Beiträge im Bereich der Arbeitsmarktökonomie geleistet. Eine seiner bekanntesten Studien ist jene zur Mariel-Bootskrise, die sich 1980 ereignete, als Fidel Castro rund 150.000 Kubanern erlaubte, das Land über den Hafen von Mariel zu verlassen.
"Ich betrachtete das als ein natürliches Experiment, da niemand in Miami damit gerechnet hatte", sagt er. "Und dies führte dazu, dass die Zahl der gering qualifizierten Arbeitskräfte, die in Miami Arbeit suchten, deutlich zunahm. Also verglich ich die Situation in Miami mit vier anderen Städten, die als Kontrollgruppe dienten."
Cards Studie "The Impact of the Mariel Boatlift on the Miami Labor Market" ("Die Auswirkungen der Mariel-Bootskrise auf den Arbeitsmarkt in Miami") widersprach der damals gängigen Auffassung, dass der Zustrom von Flüchtlingen zu einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit und niedrigeren Löhnen für amerikanische Arbeitnehmer führen würde. Unter Verwendung einer komplexen statistischen Methodik fand Card heraus, dass der Arbeitsmarkt in Miami nach der Mariel-Bootskrise um etwa sieben Prozent gewachsen war. Er stellte ausserdem fest, dass in Miami im Vergleich zu den Kontrollstädten keine nennenswerten Auswirkungen auf die Arbeitslosenquote oder Lohneinbussen für andere gering qualifizierte und weniger gebildete Arbeitskräfte zu verzeichnen waren. Card argumentierte, dass der Grund dafür darin lag, dass die neu angekommenen Kubaner keinen perfekten Ersatz für amerikanische Arbeitskräfte darstellten. Sie verfügten über andere Fähigkeiten und arbeiteten eher in Branchen, die traditionell nicht von Amerikanern dominiert wurden, wie Landwirtschaft und Bauwesen.
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Ist das malthusianische Modell immer noch für das Thema Einwanderung und Arbeitsmarkt relevant?
Ist das malthusianische Modell immer noch für das Thema Einwanderung und Arbeitsmarkt relevant?
Cards Studie zur Mariel-Bootskrise hat die Art und Weise beeinflusst, wie Ökonomen und Politiker über Einwanderung und ihre Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt denken. Sie hat zu einem differenzierteren Verständnis geführt und die Vorstellung, dass Einwanderer eine Bedrohung für einheimische Arbeitnehmer seien, in Frage gestellt. Doch um zu diesen Schlussfolgerungen zu gelangen, musste Card weit zurückblicken, sehr weit zurück.
"Viele Leute haben ein Modell des Arbeitsmarktes im Kopf, das ich das malthusianische Modell nenne", erklärt er. "Malthus war ein berühmter Wirtschaftswissenschaftler und Philosoph, der in den 1820er Jahren ein Buch über menschliches Elend schrieb. Und er behauptete, Menschen würden so lange Babys bekommen, bis diese verhungern. Somit haben wir das Problem, dass zu viele Menschen auf der Welt sind, diese sich gegenseitig verdrängen und zu einem sehr niedrigen Lebensstandard zwingen."
Malthus' Ansichten wurden durch die Untersuchung des menschlichen Verhaltens und der Lebensbedingungen im Mittelalter geprägt, und Card zufolge sind seine Überlegungen für diesen Zeitraum sowohl berechtigt als auch korrekt. Die Ökonomen begannen jedoch, ihre Ansichten zu ändern, als sie erkannten, dass das nicht die vollständige Erklärung war.
"Wenn mehr Arbeitskräfte zur Verfügung stehen und wir sie dazu bringen können, mit mehr Maschinen zu arbeiten, können auch mehr Arbeitskräfte beschäftigt werden und die Löhne sinken nicht zwangsläufig", sagt Card. "Heutzutage glauben die meisten Menschen nicht, dass es der Wirtschaft schlechter gehen würde, wenn wir mehr Kinder zur Welt bringen. Tatsächlich sind die meisten Länder heutzutage über das gegenteilige Phänomen besorgt. Viele Länder stehen vor dem Problem niedriger Geburtenraten und einer Überalterung der Bevölkerung."
"Wenn es jedoch um Einwanderung geht, kommt diese Sichtweise wieder auf", fährt er fort. "Ich denke, dass sie wieder auftaucht, weil es eine Gruppe von Menschen gibt, die gegen Einwanderung sind, und so lässt sich leicht rationalisieren, warum sie Einwanderung nicht mögen. Sie glauben, dass es mehr Menschen schlechter gehen wird."
Card vertritt eine moderne Sichtweise auf das Thema und glaubt, dass wir mit mehr Menschen, mehr Maschinen und mehr Wohnraum einen höheren Lebensstandard halten können, auch wenn die Bevölkerung weiter wächst. Ausserdem ist er der Meinung, dass bei der Betrachtung der Auswirkungen von Einwanderung auf den Arbeitsmarkt ein allgemeines Umdenken erforderlich ist.
Sind Menschen aufgrund von Sprache, Religion und ethnischer Zugehörigkeit gegen Einwanderung?
Sind Menschen aufgrund von Sprache, Religion und ethnischer Zugehörigkeit gegen Einwanderung?
"Der Fokus auf gering qualifizierte Arbeitskräfte entspringt der allgemeinen, irrigen Annahme, dass die meisten Einwanderer nur sehr gering qualifiziert wären", fügt er hinzu. "In den USA ist das nicht der Fall. Der durchschnittliche Einwanderer verfügt in etwa über das gleiche Bildungsniveau wie der durchschnittliche Einheimische. In Bezug auf Masterabschlüsse und Doktortitel weisen Einwanderer im Durchschnitt sogar ein höheres Bildungsniveau auf als Einheimische. Aber ich glaube nicht, dass das der Hauptgrund für die Ablehnung von Einwanderung ist. Sie sprechen andere Sprachen, sie gehören vielleicht einer anderen Religion an. Oft handelt es sich um verschiedene ethnische Gruppen, und vielen Menschen bereitet gerade dieser gesellschaftliche Aspekt grosse Sorgen. Sie wünschen sich eine Gesellschaft, die ethnisch, sprachlich und religiös mit ihnen identisch ist, und fühlen sich durch diese anderen Gruppen bedroht."
Die Auseinandersetzung mit solchen komplexen gesellschaftlichen Ansichten ist wesentlich komplizierter. Aber es ist ein weiteres greifbares Beispiel dafür, wie die Wirtschaftswissenschaften uns helfen können, die Welt, in der wir leben, besser zu erklären und neue Wege zu finden, gemeinsam voranzukommen.
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