Auch im Jahr 2020 ist die Zahl der Frauen, die sich für ein Wirtschaftsstudium entscheiden und Ökonominnen werden, begrenzt.

Für Esther Duflo, die sich den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften 2019 mit ihrem Ehemann Abhijit Banerjee und Michael Kremer, «für ihren experimentellen Ansatz zur Linderung der weltweiten Armut» teilt, werden dadurch kreative Problemlösungen erschwert.

«Daraus ergeben sich sicherlich Auswirkungen auf den Bereich der Wirtschaftswissenschaften und den Berufsstand als solches. Wenn die Menschen, die Wirtschaft studieren, sehr homogen sind, dann ist meiner Meinung nach auch deren Denkart sehr einseitig», meint Duflo.

Die positiven Auswirkungen von Diversität auf die Wirtschaft

«Konsequenterweise bedarf es vielschichtiger Sichtweisen und Erfahrungen, um eine grössere Vielfalt an Forschungsthemen und Perspektiven zu erhalten. Ohne Frauen und andere Minderheiten haben wir es mit einem wesentlich dürftigeren Wissenschaftsgebiet zu tun.»

Wir brauchen Wirtschaftswissenschaftlerinnen

Duflo erzählt, wie sie mit ihrem Mann Banerjee darüber sprach, dass seine wirtschaftswissenschaftliche Fakultät kaum weibliche Studierende und Doktoranden vorzuweisen hätte. Ganz anders sieht es mittlerweile in den Naturwissenschaften, der Mathematik und den Ingenieurwissenschaften aus. Hier hat die Zahl der auf allen Ebenen vertretenen Frauen stark zugenommen.

«Wir fragen uns, weshalb sich hier nichts geändert hat», so Duflo.

Teilweise könnte es daran liegen, dass Wirtschaftswissenschaftler eher an die Märkte glauben und davon ausgehen, dass die Dinge einfach ihren natürlichen Lauf nehmen sollten, anstatt Einfluss zu nehmen und Veränderungen herbeizuführen. Duflo ist ferner der Ansicht, dass die Finanzkrise für Frauen besonders entmutigend war.

«Ich denke, diese Krise hat Wirtschaftswissenschaftler erscheinen lassen, als seien sie auf das Finanzielle versessen und mit dem Finanzsektor verbandelt, was generell und vielleicht insbesondere für Frauen kein sehr attraktives Bild abgab. Wirtschaftswissenschaftlerinnen arbeiten für gewöhnlich in Bereichen, die mit dem öffentlichen Sektor und der Verbesserung der Welt zu tun haben, und nicht nur mit dem Geldverdienen», erklärt sie.

Ungleichheit in der Wirtschaft als wesentliches Thema

Die Diversität nimmt im Denken von Duflo und in ihren Arbeiten einen hohen Stellenwert ein. Sie ist auch Gegenstand ihres jüngsten mit Banerjee veröffentlichten Buchs, das sich mit der Frage beschäftigt, wie Wirtschaftswissenschaftler einige der grossen Fragen lösen können, die derzeit den politischen Diskurs beherrschen. Dazu zählen die Immigration, der Handel, das Wirtschaftswachstum, die Ungleichheit der Menschen, der Klimawandel und die Sozialpolitik.»

«In der Wirtschaftsfakultät des MIT beginnen wir darüber nachzudenken, welche Massnahmen ergriffen werden könnten. Unserer Meinung nach müssen wir bereits High-School-Schülern und erst recht Studierende an den Hochschulen vermitteln, dass die Wirtschaftswissenschaften wirklich das Werkzeug dafür liefern, um über die wichtigsten Probleme, mit denen die Welt heutzutage konfrontiert ist, nachzudenken», sagt Duflo.

«Vielleicht würden sich mehr Frauen und Minderheiten für dieses Feld entscheiden, wenn wir plausibler machen und ihnen vermitteln könnten, dass sich all die Zeit und harte Arbeit lohnt, die investiert werden müssen, um Wirtschaftswissenschaftler/in zu werden.»

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