Vernichtet die Automatisierung Arbeitsplätze?
Fördern neue Technologien die internationale Angleichung oder führt die Automatisierung zu Arbeitsplatzverlusten und mehr Ungleichheit? Führende Wirtschaftswissenschaftler sehen die Wahrheit irgendwo dazwischen.
Zum einen besteht die Sorge, dass technologische Innovationen zu einem massiven Ungleichgewicht zwischen den sogenannten «entwickelten» Ländern und jenen führen, deren industrielle Entwicklung noch nicht ganz so weit ist. Um sicherzustellen, dass technologische Innovationen allen zugutekommen, müsste nach Meinung vieler Wirtschaftsnobelpreisträger diese Diskrepanz ausgeglichen werden.
Robert Merton führt an, dass technologischer Fortschritt den Zugang zu wesentlichen Bereichen der Wirtschaft und insbesondere des Finanzsystems demokratisieren kann. «Heute werden weltweit Finanzinnovationen in einem Ausmass umgesetzt und durch enorme Fortschritte in den Bereichen Finanztechnologie, Rechenleistung und Big Data vorangetrieben, dass eine erhebliche Senkung der Kosten für Finanzdienstleistungen zu erwarten ist.» Davon werden laut Merton insbesondere diejenigen profitieren, denen das globale Finanzsystem momentan wenig Vorteile bringt.
Die Entwicklung ist jedoch nicht nur positiv. «Das Wachstumsmodell, das in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg grösstenteils so erfolgreich war, ist ein Wachstumsmodell, das auf einem hohen Investitionsniveau und der Anbindung an die Weltwirtschaft beruht», sagt Nobelpreisträger Michael Spence. Länder ohne grosse natürliche Ressourcenvorkommen gründen ihre Wirtschaftsleistung häufig auf das verarbeitende Gewerbe. Mit dem Aufschwung der digitalen Wirtschaft geraten diese Länder noch stärker in Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten, da sie auf arbeitsintensive Fertigung und Montage angewiesen sind, wie etwa in den Bereichen Bekleidung, sonstige Textilien und Schuhe.
In Bezug auf die Zukunft der Spitzentechnologie in den Bereichen Automatisierung und künstliche Intelligenz macht sich Spence Sorgen über die Schere zwischen denjenigen, die mit Maschinen zusammenarbeiten können, und denjenigen, die nicht über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen und zurückbleiben. Für die gebildeteren Schichten, so Spence, sind «Maschinen eine gute Ergänzung und verbessern die eigene Leistung. Dabei sind gemäss den uns vorliegenden Daten diejenigen die Leidtragenden, deren Arbeitsplätze durch Maschinen ersetzt werden konnten.»
Staatliche Regulierungen sind genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, als der technologische Fortschritt, zumindest wenn es darum geht, Chancengleichheit zu schaffen, argumentiert Nobelpreisträger Paul Romer. «Werden diese neuen Technologien durch die richtigen Regeln und Normen flankiert, so kann man die Vorteile der neuen Möglichkeiten nutzen, ohne dass es zu schädlichen Nebenwirkungen kommt. Als Gesellschaft müssen wir uns genauso explizit Gedanken über die Entwicklung von Regeln und Normen machen, wie wir die Entdeckung neuer Technologien verfolgen.»
Romer führt an, dass Wikipedia ein perfektes Beispiel für eine positiv wirkende Technologie ist, die das Wachstum antreibt. Wikipedia steht damit im Gegensatz zum Rest der Tech-Innovationen, die grösstenteils dem Werbemodell folgen (und ihm unterworfen sind). «Wir werden nur dann mehr von der Tech-Welt bekommen, die so wertvolle Dienste wie Wikipedia anbietet, wenn wir durch unsere Regierungen handeln und ihnen sagen, dass sie aufhören müssen, so schlechtes Zeug zu machen», sagt Romer. «Macht etwas, was für jeden gut ist.»
«Technologie kann, wenn wir nicht aufpassen, die Ungleichheit verstärken. «Die 20 grössten Technologieunternehmen der Welt haben ihren Sitz entweder in Amerika oder in China», sagt Jean Tirole. «Die Wertschöpfung in der Technologiebranche erfolgt daher effektiv in zwei Ländern», fügt er hinzu. «Dadurch entsteht natürlich viel Ungleichheit zwischen den Ländern.»
Und auch innerhalb der Länder zeigt sich dasselbe Muster. «Viele Menschen profitieren von neuen Technologien, aber normalerweise eher diejenigen, die über eine höhere Bildung verfügen.»
Daraus entsteht Ungleichheit, meint auch Nobelpreisträger Christopher Pissarides. Ausgleichen könne man dies nur durch Bildungsangebote. «Lebenslanges Lernen ist in der heutigen Wirtschaft unabdingbar, weil sich die Art des benötigten Wissens so schnell ändert.»
Letztlich geht es um eine zielgerichtete Inklusion, so Pissarides. «Wir dürfen nicht zulassen, dass die Last der Arbeitsplatzvernichtung einer kleinen Gruppe von Arbeiterinnen und Arbeitern aufgehalst wird», fügt er hinzu. «Hier muss meiner Meinung nach der Staat durch politische Regelungen intervenieren, damit Ungleichheit verhindert wird und denjenigen helfen, die den Übergang schaffen müssen von Arbeitsplätzen, die obsolet werden, die aus dem Markt ausscheiden, zu den neuen Arbeitsplätzen, die geschaffen werden.»
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