Franco Modigliani
Nobelpreis 1985 | Lebenszyklushypothese der Ersparnisse: Was beeinflusst unser Sparverhalten?
Franco Modigliani gilt als einer der klügsten Köpfe des 20. Jahrhunderts, was ihn nicht daran hinderte, seine Freunde und Besucher auch sportlich herauszufordern – jedes Treffen wurde mit einem freundschaftlichen Tennisspiel begonnen. Eine schöne Eröffnung für deutlich komplexere Dinge, denn in Gegenwart von Modigliani hielt man sich nicht lange mit Smalltalk auf. «Ich interessiere mich für alle aktuellen Situationen und die sich daraus ergebenden Probleme», sagte Modigliani. «Ich interessiere mich schon seit Langem für das Aussenhandelsdefizit und die europäische Wirtschaftsleistung.» Gemeinhin wird angenommen, dass ein Defizit in der Wirtschaft zwangsläufig zu einer späteren Erhöhung der Steuern führt, aber Modigliani argumentierte, dass das Defizit zu einer Verlagerung des Kapitals führt. Dies ist ein klares Beispiel für seinen eigenen exzentrischen Stil auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften.
Franco Modigliani
Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften, 1985
Die Gefahr von Schulden und Untätigkeit
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Modigliani erklärte das «neue Phänomen» damit, dass eine offene Volkswirtschaft, die ein Handelsbilanzdefizit aufweist, ihre Investitionen bewahren kann, weil die Kapitalknappheit die Zinsen in die Höhe treibt und Kapital aus dem Ausland anzieht. Damit würden die inländischen Investitionen zum Teil durch ausländische Ersparnisse finanziert.
«Es findet eine enorme Verlagerung von Ressourcen statt. Die Tendenz bewegt sich weg vom Export und Import konkurrierender Güter und hin zu anderen Sektoren», sagte er. «Im Zusammenspiel mit einer Aufwertung des US-Dollar führt dies zu einem starken Rückgang der Exporte und einem sprunghaften Anstieg der Importe.»
«Dieses enorme Defizit verstehen die Menschen nicht», sagte er. «Die Leute denken, dass Japan oder Deutschland die USA ausnutzen und dass das Ungleichgewicht unfair ist. Dabei verstehen sie nicht, dass dies eine wirtschaftspolitische Entscheidung der USA ist.»
Wenn die Welt eine Art Schachspiel wäre, was wäre Ihr erster Zug?
Schon im Jahr 1987 wusste Modigliani, dass Europa Investitionen benötigt. «Insbesondere muss Europa die Wirtschaft so stimulieren, dass mehr Arbeitsplätze geschaffen werden», sagte er.
Als geborener Italiener machte Modigliani sich grosse Sorgen über die zukünftige Rolle Europas in der globalen Wirtschaft und sprach sich häufig für «vernetzte Modelle» aus, um die internationalen Beziehungen zu verbessern. Wenn der Aussenhandel an Fahrt gewinnt, würde auch die Nachfrage nach in den USA produzierten Gütern steigen. Zentralbank und Regierung sollten mehr Mittel für die Exportindustrie verwenden, was nur durch Steuererhöhungen und ein erhöhtes Investitionsvolumen möglich wäre. Modigliani war der Auffassung, dass diese Massnahmen zu einer Reduzierung des Aussenhandelsdefizits führen würden.
Was bestimmt die Höhe unserer Ersparnisse?
Der von Modigliani entwickelte Sparfunktionsansatz löste die bis dahin weit verbreitete Annahme ab, dass das Konsum- und Sparniveau vom laufenden Einkommen abhängen würden. Die Lebenszyklushypothese bot eine neue Perspektive: Sie geht davon aus, dass Menschen dazu neigen, ein stabiles Konsumniveau zu wählen, das sie über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg beibehalten können. Die Forschungsarbeit von Modigliani war von grosser Bedeutung für wirtschaftspolitische Massnahmen. «Sparen, um ein Vermächtnis zu generieren, reagiert auf Besteuerung», sagte er. «Sparen über den gesamten Lebenszyklus hinweg reagiert dagegen zum Beispiel auf das Sozialversicherungssystem.»
Was wir in Bezug auf das Sparverhalten verstehen müssen
Sein Lebenszyklusmodell kann zudem auch genutzt werden, um das Verhalten von Staaten und ihre Sparmuster zu erklären. «Das Sparverhalten eines Landes hängt in erster Linie von der Wachstumsrate seiner Wirtschaft ab», sagte Modigliani. «Wenn eine Volkswirtschaft nicht wächst, wird sie auch kein Geld sparen, unabhängig davon, wie reich sie ist. Eine wachsende Volkswirtschaft hingegen wird Geld sparen, auch wenn sie arm ist.» Als Beispiel hierfür nannte er China. Das Land war in den 1980er Jahren schneller gewachsen als jede andere Volkswirtschaft und hatte seine Ersparnisse substanziell erhöht.
Warum sind Steuern gut für Überraschungen?
Früher ging man davon aus, dass die Finanzierung von Unternehmen mit Fremdkapital anstelle von Eigenkapital vorteilhaft sei, da die Zinssätze in der Regel niedriger sind als die Kosten für Eigenkapital. Diese Annahme wurde durch das berühmte Modigliani-Miller-Theorem widerlegt.«Wenn es keine Besteuerung gibt, sollte es keine Rolle spielen, wie ein Unternehmen finanziert wird», sagte er. Durch seinen Nachweis, dass es Mechanismen gibt, die das Risikoniveau und den Wert eines Unternehmens unabhängig von der Finanzierung beibehalten, führten Modiglianis Erkenntnisse zu einer neuen Bewegung in der globalen Finanzwirtschaft.
Was ist ein Unternehmen wirklich wert?
Ausgehend vom Modigliani-Miller-Theorem kam es zu unglaublich vielen wissenschaftlichen Arbeiten im Bereich der Finanzwirtschaft, die zur Berechnung und Bewertung von Risiken und Unternehmen beitrugen. «Dadurch wurden grosse Fortschritte erreicht, denn der Unternehmensgewinn ist ein nicht definiertes Konzept, wenn man Unsicherheiten nicht bewerten kann», sagte er. «Der Marktwert eines Unternehmens ist jedoch eine solide Grösse.»
Die Welt im Angesicht gravierender Probleme
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Auch wenn Modigliani mit seiner Arbeit zum Wohlergehen der Menschen in verschiedenen Ländern beigetragen und dieses verbessert hatte, beunruhigte ihn der Zustand der Welt im Sommer 1987.
«Vielleicht stehen wir jetzt vor ernsthafteren Problemen als je zuvor», sagte er. «Manche davon sind wirtschaftlicher Natur, manche haben mit der Umwelt zu tun, andere mit Fragen von Krieg und Frieden.» So sprach Modigliani bereits Konflikte an, die uns auch nach seinem Tod weiter beschäftigen. Mit seiner Theorie der rationalen Erwartung wandte er sich gegen die bis dahin vorherrschende Auffassung, dass wir immer schlechter vorhersagen können, was die Zukunft bringen wird.
«Es gibt Erwartungen an die Zukunft, die, sobald man sie hat und sich dementsprechend verhält, dazu führen, dass die Zukunft den Erwartungen tatsächlich entspricht», sagte er. «Wir müssen einfach für Konsistenz sorgen.»
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