Eine neue Wertungsliste für chinesische Staatsunternehmen
Die jüngste politische Reform könnte Staatsunternehmen (SOEs) zu einem Lichtblick an einem ansonsten schwachen chinesischen Aktienmarkt machen. Jia Tan untersucht die Anlagebeurteilung und Fragen, die Anleger hier berücksichtigten sollten.
Das schwierige Umfeld für den chinesischen Aktienmarkt hält an, allerdings glauben wir, dass der erneute Fokus auf staatseigene Unternehmen (SOEs) und die jüngste politische Reform überzeugend sind. Da qualitativ hochwertige Anlagen, die nachhaltige und hohe Dividendenrenditen generieren können, attraktiver werden, könnten Staatsunternehmen in diesem Jahr neben der generativen künstlichen Intelligenz (KI) (EN) ein wichtiges Anlagethema sein.
Staatsunternehmen sind ein wichtiger Teil der chinesischen Wirtschaft, deren Gesamtumsatz fast 70 % des chinesischen BIP ausmacht, und sie stehen für einen Grossteil der grundlegenden und sicherheitsbezogenen Sektoren wie Energie, Infrastruktur, öffentliche Versorgungsbetriebe und Finanzen. Angesichts ihrer Bedeutung hat die Regierung im Laufe der Jahre eine gründliche Aufarbeitung durchgeführt, um diese Unternehmen besser an die veränderten nationalen Ziele anzupassen.
Gewinne neu definieren
Gewinne neu definieren
Bei den letzten politischen Reformen geht es darum, die Staatsunternehmen wettbewerbsfähiger zu machen und ihre Renditen zu stärken. Die Arbeit konzentriert sich auf die Verbesserung von Technologie, Effizienz, Personal und Branding. Die chinesischen Regulierungsbehörden haben die Anleger aufgefordert, eine breitere Reihe von Kennzahlen über das Gesamtvermögen oder die Gesamteinnahmen hinaus zu betrachten, sodass auch die Gesamtgewinne, die Verschuldungsquote, die Eigenkapitalrendite, die Arbeitsproduktivität pro Kopf, das Verhältnis von Forschungs- und Entwicklungsausgaben zu Einnahmen und das Verhältnis von Netto-Cashflow zu Einnahmen berücksichtigt werden. Der breitere Anwendungsbereich ist darauf ausgerichtet, wie die Gewinne bewertet werden können, damit die Staatsunternehmen eher dazu veranlasst werden, ihre Interessen mit denen der Minderheitsaktionäre abzustimmen.
Gleichzeitig erweitern die chinesischen Regulierungsbehörden die Definition von Gewinnen. Das im letzten November erstmals vorgestellte, sogenannte «Bewertungssystem mit chinesischen Merkmalen» würde über die Standard-Bewertungskennzahlen hinausgehen und den sozialen Beitrag und die Auswirkungen dieser Unternehmen auf die Gesamtwirtschaft berücksichtigen. Der Aufruf der Regierung, Staatsunternehmen mit dem neuen System neu zu bewerten und ihnen ein neues Rating zu geben, wurde als Aufforderung zum Kauf von Staatsunternehmen interpretiert, aber selbst wenn man dies ausser Acht lässt, sind die höheren Dividenden allein schon ausreichend dafür, dass die Anleger hier genauer hinschauen sollten.
Allerdings ist auch diese staatliche Reform mit Herausforderungen verbunden.
Ineffizienzen in staatlichen Unternehmen lassen sich häufig auf das Prinzipal-Agent-Problem zurückführen, da sie sich in staatlichem Besitz befinden. Zwischen den Staatsunternehmen (Agenten) und dem Staat (Prinzipal) könnte es einen Interessen- oder Prioritätenkonflikt geben. So ist es beispielsweise schwierig, starke Leistungsanreize für das Management von staatlichen Unternehmen zu schaffen, wenn ihre Beteiligung an den Unternehmen niedrig ist und die Vergütung sich unterhalb eines wettbewerbsfähigen Niveaus bewegt. Aus wissenschaftlicher Sicht ist es für die systematische Verbesserung der Effizienz von Staatsunternehmen zunächst nötig, das Prinzipal-Agent-Problem zu lösen. Ohne einen solchen Schritt wird diese Reformrunde wahrscheinlich nicht zu zufriedenstellenden oder nachhaltigen Ergebnissen führen.
Das vorausgeschickt sind wir jedoch der Meinung, dass wir die Ambitionen der Regierung verstehen. Im Rahmen unserer Arbeit zur Identifikation von Investitionsmöglichkeiten, die sich aus den aktuellen Reformanstrengungen ergeben, stellen wir uns die drei folgenden Fragen.
1. Ist dieses Mal wirklich etwas anders?
Staatsunternehmen sind von den Anlegern zuvor weitgehend aufgegeben worden. Wir haben in der Vergangenheit SOE-Reformen erlebt, und wir sehen Hürden für die aktuelle Runde. Angesichts der niedrigen Basis und der starken Vorgaben der Regierung sind wir jedoch der Ansicht, dass eine finanzielle Verbesserung der Staatsunternehmen über einen Zeithorizont von ein bis zwei Jahren erreichbar ist. Und das stellt unserer Ansicht nach eine Anlagechance dar.
2. Warum man sich an diesem Thema beteiligen sollte?
Die Reform der Staatsunternehmen ist eines der beiden wichtigsten Anlagethemen, die wir für dieses Jahr identifiziert haben. Obwohl die Korrektur in den letzten Monaten attraktive Chancen in anderen Branchen geschaffen hat, achten wir auf die Auswirkungen der Reflexibilität – Anleger handeln gemäss ihrer Wahrnehmung der Marktbewegungen und nicht gemäss den Fundamentaldaten zur Wirtschaftsaktivität und lösen dadurch einen sich selbst erfüllenden Zyklus aus.
Wir beurteilen ein thematisches Investment sowohl aus fundamentaler als auch aus Marktsicht. In diesem Fall dienen das unerwartet schwache Wirtschaftswachstum, die starke politische Unterstützung für die Neubewertung von Staatsunternehmen, die anhaltend niedrigen Bewertungen von Staatsunternehmen und die geringe Risikobereitschaft des Marktes als zusätzliche Erklärung für den Grossteil der Outperformance von Staatsunternehmen im bisherigen Jahresverlauf.
Auch wenn die Einlagenzinsen der Grossbanken und die Kreditvergabe von der People's Bank of China (PBOC) im Juni gesenkt worden sind, rechnen wir nicht mit einer Rückkehr zu den gross angelegten «Big Bang»-Förderprogrammen aus den Vorjahren. Stattdessen halten wir eine gezielte Unterstützung für den Verbrauch, den Wohnungsbau und die Infrastruktur für wahrscheinlicher.
Unserer Ansicht nach wurde nicht viel getan, um die Belastung durch die schwächere Rentabilität von vielen Branchen und Unternehmen zu lindern. Eine weniger günstige Angebots- und Nachfragedynamik und ein stärkerer Preiswettbewerb setzen den dynamischsten Teil der chinesischen Wirtschaft, d. h. die Privatunternehmen, unter Druck – ebenso wie das geschwächte Vertrauen in den Zuwachs der verfügbaren Einkommen. Unternehmer halten sich zurück, warten ab und investieren nicht proaktiv, um zukünftige Chancen zu nutzen, weil sie noch Zeit brauchen, um das Vertrauen nach den Erlebnissen der letzten drei Jahre wiederherzustellen.
Aus diesem Grund glauben wir, dass sich die SOE-Story zur richtigen Zeit und am richtigen Ort gezeigt hat. Sollte das aktuelle makroökonomische Umfeld weitgehend unverändert bleiben, könnten Staatsunternehmen den breiteren Markt im Rahmen des neuen Bewertungssystems weiter übertreffen.
3. Was rechtfertigt die Anlagen?
In der Vergangenheit hätten die Anleger das Bewertungsmodell P/B-ROE (Kurs-Buchwert-Verhältnis/Eigenkapitalrentabilität) für Unternehmen mit hohem Anlagevermögen und das KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) für Wachstumsaktien bevorzugt. Manchmal ist das EV/EBITDA-Modell (Unternehmenswert/Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) oder das DCF (Discounted Cashflow)-Modell als Referenzpunkt verwendet worden. Aufgrund des Niedrigzinsumfelds fällt es den Vermögensverwaltern in China jedoch schwer, ihre Vermögenswerte und Verbindlichkeiten zu verwalten, insbesondere wenn sie stabilere und hoch verzinste Vermögenswerte finden.
Staatsunternehmen aus Bereichen wie dem Telekommunikationsbetrieb oder Ölunternehmen haben in letzter Zeit (innerhalb der letzten 12 Monate) gezeigt, dass Vermögensverwalter ein langsames Gewinnwachstum aushalten können, solange es stabil ist. Betrachten wir die Rendite von 2,7-2,8 % der 10-jährigen chinesischen Staatsanleihen und die 3-3,5 %-Verzinsung bei Sparprodukten, die zuletzt von Lebensversicherungsgesellschaften verkauft wurden. Die Dividendenrendite dieser SOEs könnte sich je nach der Widerstandsfähigkeit ihrer Geschäftsmodelle in einer Spanne von 3-6 % bewegen.
So könnte ein Versorgungsunternehmen mit marktbeherrschender Stellung beispielsweise eine mögliche Wertsteigerung erzielen, wenn es eine Dividendenrendite von 3 % bietet, von einer Bank würde jedoch eine Dividendenrendite von 5 % erwartet, damit sie sich in einer ähnlichen Position befindet. Die Gewinne der Banken haben mehr Höchst- und Tiefststände, und die Märkte können höhere Dividenden als Ausgleich für mögliche Störungen aufgrund des Kreditzyklus verlangen. Diese Prämisse wird der Anker sein, den wir verwenden, um SOE-Aktien im Rahmen dieser These zu bewerten.
Und erste Änderungen wurden bereits in Gang gesetzt. Basierend auf unserem primären Research gibt es Hinweise dafür, dass von wichtigen, zentralen Staatsunternehmen bereits Pläne zur Verbesserung der Kapitalrendite vorbereitet werden. Solche Pläne werden wahrscheinlich eine Erhöhung der Dividendenausschüttungsquote und die Umsetzung eines Aktienrückkaufprogramms enthalten. Das endgültige Ziel des Reformplans besteht darin, sich verstärkt an den Gewinnen als an der Grösse zu orientieren, aber eine proaktivere Kommunikation mit den Interessengruppen und Investoren wäre ein willkommener und ermutigender Anfang.
Der aktuelle SOE-Aufschlag
Der aktuelle SOE-Aufschlag
An diesem Punkt versuchen wir, zusätzliche chinesische Staatsunternehmen auf der Grundlage der jüngsten Marktentwicklungen und der verfügbaren Chancen für uns zu nutzen. Auch wenn wir uns nicht um jeden Preis auf eine Dynamik stürzen, sind wir der Ansicht, dass Staatsunternehmen bei unsicheren Marktbedingungen weiterhin das Potenzial haben, den breiteren Markt zu übertreffen
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