Kann man die Menschen durch Nudging dazu bringen, bessere Entscheidungen zu treffen?
Die meisten Menschen machen sich zwar Gedanken über die Auswirkungen, die der Mensch auf die Umwelt hat, tun aber wenig, um ihr eigenes Verhalten zu ändern.
Jeden Tag treffen wir Hunderte von Entscheidungen, die meisten davon unbewusst. Was wir entscheiden, hängt in hohem Masse von unseren Gewohnheiten ab und vom Kontext, in dem wir eine Entscheidung treffen. Insbesondere in den Wirtschaftswissenschaften beschäftigt man sich mit der Art und Weise, wie Menschen sich entscheiden. Vor allem Verhaltensökonomen, darunter Nobelpreisträger Richard Thaler, waren die ersten, die Erkenntnisse aus der Psychologie in ihre Arbeit einfliessen liessen.
Zu den wichtigsten Konzepten in der wissenschaftlichen Arbeit von Professor Thaler gehört das Prinzip des «Nudging», das behutsame Anstossen in Richtung einer Entscheidung. Auch der Begriff «Choice Architecture» oder Entscheidungsarchitektur wurde von Thaler geprägt. Sie ermöglicht es den Menschen, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, und zwar auf der Basis eines Designs, das bessere Entscheidungen begünstigt. Indem man gesündere oder bessere Entscheidungen einfacher macht, wird eine Struktur geschaffen, in der Menschen letztendlich zu klügeren Entscheidungen finden. Beispiel: Befindet sich der Schokoriegel in einer versteckten Ecke des Supermarktes statt im Regal direkt an der Kasse, ist beim Einkauf weniger wahrscheinlich, dass man zugreift. Ob man die Schokolade kauft oder nicht, bleibt eine persönliche Entscheidung, aber dadurch, dass sie weniger verführerisch wirkt, bekommt man einen sanften Anstoss zum Verzicht auf den Kauf.
Thaler betont, dass es beim Nudging nicht um Zwang bzw. die Einschränkung von Entscheidungsmöglichkeiten geht. «Man wirft uns vor, dass wir die Menschen bevormunden, aber das stimmt nicht», argumentiert er. «Uns gefällt der Vergleich mit einem GPS-System. Man stelle sich vor, wir hätten ein Navigationssystem für unser Leben, das es uns leichter macht, dahin zu kommen, wo wir hinwollen, ohne dass uns jemals befohlen wird, was wir zu tun haben.»
Ein weiteres Beispiel, das Thaler anführt, ist die Cafeteria der Chicago Booth School of Business, wo er unterrichtet. Wenn man die Cafeteria betritt, sieht man als erstes die Salatbar. Um zu den ungesunden Gerichten zu gelangen – Pommes Frites, Burger oder Pizza – muss man an der Salatbar vorbeigehen. «Dies ist ein Beispiel dafür, dass etwas, was zunächst scheinbar unwichtig ist, dazu führen kann, dass Menschen sich gesünder ernähren», erklärt Thaler. «Irgendwie muss man die Inneneinrichtung der Cafeteria ja gestalten. Warum nicht auf eine gute Art und Weise?»
Auch Geräte wie Smart Watches können ihren Trägern positive Anstösse geben, indem sie ihnen mitteilen, wie lange sie schon vor dem Computer sitzen oder wie viele Kalorien sie verbrannt haben.
Überall in der Welt haben Länder damit begonnen, verhaltensspezifische Erkenntnisse in konkrete politische Massnahmen umzusetzen, etwa in Umweltinitiativen zur Bekämpfung des Klimawandels.
Die Verhaltensökonomen wissen, dass sich Gewohnheiten und Verhalten nicht so leicht ändern lassen, auch wenn sich die Überzeugungen schon längst gewandelt haben. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) betont, dass eine grosse Diskrepanz zwischen guten Absichten und tatsächlichem Handeln besteht. Während es stimmt, dass sich immer mehr Menschen Gedanken über die negativen Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Umwelt machen, bleibt es für viele schwierig, das eigene Verhalten zu ändern, selbst wenn es nur um minimale Veränderungen geht.
Thaler ist der Ansicht, dass eine der grossen Herausforderungen, die auf globaler Ebene angegangen werden muss, die Bepreisung von CO2 Emissionen ist. «Wenn wir etwas schlecht finden, sollten wir den Preis erhöhen», sagt er. «In den meisten Ländern werden Alkohol und Zigaretten besteuert, wir sollten CO2 Emissionen mit Steuern belegen.»
Dabei weiss Thaler natürlich, wie schwierig es ist, zu einem Abkommen zu kommen, das von allen Nationen unterstützt wird, und betont deshalb, dass jedes Individuum seinen Beitrag leisten kann. Es gibt viele Bereiche, in denen der Einzelne etwas bewegen kann. Das reicht von der Ernährungsumstellung auf weniger rotes Fleisch bis hin zur Wahl umweltfreundlicherer Verkehrsmittel.
Verbesserungen des Verhaltens können in den Randbereichen gut funktionieren», so Thaler. «Stellen Sie sich eine Klimaanlage an einem heissen Tag vor. Wenn Sie das Thermostat um ein oder zwei Grad kälter stellen, so kostet Sie das 10 US-Dollar.»
Die Idee dahinter ist so ähnlich wie bei der Steuer auf CO2 Emissionen. Die Unternehmen und Einzelpersonen haben nach wie vor die Wahl und können frei entscheiden, wie sie reagieren, aber gleichzeitig steigen die Kosten der weniger nachhaltigen Entscheidung deutlich. Dies könnte dazu führen, dass sich mehr Menschen für den nachhaltigeren Pfad entscheiden.
Thaler betont zudem die Bedeutung von Standardoptionen, die in der Verhaltensökonomie eine wichtige Rolle spielen. Führt ein Unternehmen doppelseitige Ausdrucke als Standardoption ein, wird dies im Lauf der Zeit automatisch zu einer Senkung des Papierverbrauchs führen. Mitarbeiter verhalten sich dadurch nachhaltiger, ohne bewusst eine entsprechende Entscheidung getroffen zu haben. Und dies ist nur ein Beispiel für unzählige vielversprechende Massnahmen, die in ihrer Gesamtheit einen massgeblichen Effekt haben können.
Je mehr wir tun, desto besser, weiss Thaler. «Das sind alles kleine Veränderungen» sagt er. «Aber wir können den Klimawandel nur bekämpfen, indem wir ganz viele kleine Dinge verändern.»
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