KI – die vierte industrielle Revolution: Bedrohung oder Chance?
Der technologische Wandel gewinnt immer mehr an Fahrt. Gleichzeitig wächst die Sorge, den Anschluss zu verlieren. Müsste mehr getan werden, um die Herausforderungen anzugehen, die KI und disruptive Technologien mit sich bringen?
Die grossen Technologieführer zelebrieren eine Zukunft der Robotik und Automatisierung, eine Art Utopie für Mensch und Maschine. Auch während des Weltwirtschaftsforums 2019 blieb die vierte industrielle Revolution ein viel diskutiertes Thema. Was bedeutet das für den einfachen Arbeiter? Laut einer Studie des Pew Research Center aus dem Jahr 2017 haben 72 Prozent der Amerikaner Angst davor, am Arbeitsplatz durch Roboter ersetzt zu werden. Warum stehen einige Menschen der bevorstehenden Automatisierungsphase positiv gegenüber, während andere derart beunruhigt sind?
«Sie haben allen Grund, mit Sorge in die Zukunft zu blicken», meint Nobelpreisträger James Heckman. Bei seiner Arbeit im Bereich der Kompetenzentwicklung in der Erwachsenenbildung in den 1990er Jahren machte er selbst die Erfahrung, dass vielen Menschen die Anpassung schwerfällt, wenn ihre beruflichen Fähigkeiten nicht länger gefragt sind. «Wir haben herausgefunden, dass die Menschen nicht in ausreichendem Masse für den Umgang mit diesen sich wandelnden technologischen Strukturen gerüstet sind. Natürlich werden sie der Globalisierung, den Robotern und der Technologie die Schuld geben und sie werden zu jemanden strömen, der ihnen eine Lösung verspricht.»
Selbst wenn man einen relativ zukunftssicheren Job hat, könnte sich weiterhin die Frage stellen, ob man ausreichend Gehalt dafür bekommt. Einige Ökonomen glauben, dass die Stagnation der niedrigen und mittleren Einkommen direkt auf die Kombination von technologischem Fortschritt und dem Welthandel zurückzuführen ist, während die Spitzengehälter rapide steigen. «Diese Verteilungseffekte stehen nun im Mittelpunkt zahlreicher Analysen, aber auch von politischen Prozessen», sagt Michael Spence. Nach Ansicht des Nobelpreisträgers ist es an der Zeit, die Definition von wirtschaftlichem Wohlstand zu überdenken.
«Wachstumsmuster, in denen extreme Ungleichheit herrscht, funktionieren nicht», meint der Experte für Wirtschaftsentwicklung. «Sie funktionieren nicht, weil es zu ökonomischer Verschwendung kommt und darüber hinaus der politische und gesellschaftliche Zusammenhalt fehlt.» Sein Lösungsvorschlag für sein eigenes Fachgebiet und die Politik ist einfach. Wir dürfen nicht länger nur auf das BIP schauen.
«Wachstum lässt sich am besten als mehrdimensionales Phänomen betrachten und muss auch auf dieser Basis beobachtet werden», wie er sagt. «Es umfasst Chancen, Gesundheit und eine Reihe anderer Faktoren.»
Wenn wir nicht nur mehr Wachstum generieren, sondern auch eine gleichmässigere Verteilung des Wachstums erreichen wollen, dann ist «Chance» ein Schlüsselwort. «Das letzte, was wir wollen, ist es, Gruppen von Menschen zu schaffen, die ausserhalb der Gesellschaft stehen», meint Heckman.
«Wir wollen die Menschen motivieren. Wir müssen ein wenig kreativer sein, aber ich denke, wir wollen eine Gesellschaft schaffen, die jeden einschliesst.»
Christopher Pissarides unterstreicht darüber hinaus, wie wichtig es ist, die Vorteile des technologischen Fortschritts stärker herauszustellen und darzulegen, wie dadurch der Alltag verbessert werden kann.
«Ich finde neue Technologien äusserst spannend», sagt er. «Mit ihrer Hilfe können wir andere Tätigkeitsfelder schaffen.»
Die Politik sollte dazu ermutigt werden, die positiven Aspekte neuer Technologien hervorzuheben. Vor allem aber muss sie sicherstellen, dass niemand zurückgelassen wird. Die Erkenntnis, dass Wachstum und Inklusion Hand in Hand gehen, ist dabei ein entscheidender Faktor.
«Die Regierungen können hier unterstützen, indem sie es den Unternehmen zunächst ermöglichen, neue Technologien einzuführen, einen flexiblen Arbeitsmarkt zu erhalten und mit Sozialpartnern in einer für alle Beteiligten positiven Art und Weise zu verhandeln», fügt Pissarides hinzu. «Mit anderen Worten, sie sollten den Einsatz neuer Technologien fördern.»
Pissarides ist auch der Meinung, dass neue politische Massnahmen im Hinblick auf die Ungleichheit äusserst wirksam sind. «Die Regierung muss aktiv werden und soziale Unterstützung anbieten, Zuschüsse zu Gesundheitsleistungen bereitstellen und die Menschen dabei unterstützen, sich mit neuen Technologien vertraut zu machen», meint er. «Lebenslanges Lernen spielt eine wichtige Rolle. Der Fokus der Regierungspolitik sollte auf den niedrigeren Einkommen liegen, um so den Benachteiligten zu helfen.»
In einer Welt voller Unsicherheit ist es wenig überraschend, dass viele Menschen das Gefühl haben, die Technologie macht alles schlimmer. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass uns das kontinuierliche Streben nach Fortschritt weit gebracht hat. Mit effizienten Regierungsmassnahmen und einer überzeugenderen Darstellung werden sicher mehr Menschen die Technologie als Chance und nicht als Bedrohung sehen.
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