Grüne Wirtschaft: Müssen wir uns zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit entscheiden?
Unternehmen sollten sich nicht nur auf ihre Kapitalrendite konzentrieren, sondern auch auf die Umwelt, die Gesellschaft und zukünftige Generationen. Nobelpreisträger diskutieren «Green Economics» und die..
Unter nachhaltigem Wachstum verstanden Wirtschaftswissenschaftler lange einfach, dass die Wachstumsrate eines Unternehmens so hoch wie möglich ist, ohne dass es in Liquiditätsprobleme gerät. Damit entsprach nachhaltiges Wachstum also der Wachstumsrate, die ein Unternehmen erreichen kann, ohne dass es zusätzliches Eigen- oder Fremdkapital benötigt.
Dieses Verständnis hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. In Anbetracht der gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen, die den Menschen auf der ganzen Welt immer bewusster werden, gewinnt die Frage an Bedeutung, worauf sich das Wachstum eines Unternehmens begründet. Grüne Wirtschaftstheorien basieren auf der Idee, dass alle ökonomischen Entscheidungen Umweltaspekte mit einbeziehen sollten, damit eine nachhaltige Entwicklung ohne umweltschädliche Nebeneffekte erreicht wird. So wären die Unternehmen nicht länger nur ihrem wirtschaftlichen Erfolg verpflichtet, sondern auch der generellen Gesundheit und Unversehrtheit von Natur, Gesellschaft und zukünftigen Generationen.
«Die Präferenzen und Bedenken der Öffentlichkeit in Bezug auf die Umwelt gewinnen wirklich schnell an Fahrt», erklärt Bengt Holmström. «Diejenigen, die dies ignorieren und einfach sagen «Wir führen unsere Geschäfte weiter wie bisher», werden finanziell schlechter dastehen. Und deshalb ist dies ein Kanal, über den meines Erachtens die Umweltaspekte in das Geschäftsleben Einzug halten werden.» Der Vertragstheoretiker Holmström hat schon oft angemerkt, dass das Bewusstsein der Menschen für Umweltprobleme wächst. Er selbst macht sich grosse Sorgen über die Auswirkungen unethischen Geschäftsverhaltens und Konsums wie zum Beispiel die Verschmutzung der Meere und der Luft.
Nach der Meinung von Michael Spence, dem ehemaligen Vorsitzenden der Commission on Growth and Development, einer globalen politischen Gruppierung, die sich mit Strategien für nachhaltiges Wirtschaftswachstum befasst, wird das Engagement des privaten Sektors für die Bewältigung der wichtigen gesellschaftlichen Herausforderungen von entscheidender Bedeutung sein. Hierbei handelt es sich um eine Entwicklung, die von Kunden, Beschäftigten und Investoren gleichermassen vorangetrieben wird.
«In der Ära der 1980er Jahre waren die Vertreter in den Aufsichtsgremien noch eher wie Schosshunde und die Geschäftsleitung führte das Unternehmen, wie es ihr gefiel», erklärt Michael Spence. «Die Menschen haben mittlerweile erkannt, dass diese Situation dazu geführt hat, dass die Unternehmen sich nicht engagieren und dadurch die grössten Probleme der Gesellschaft nur schwer zu lösen sind.»
«Meiner Meinung nach befinden wir uns gerade in einer Übergangsphase», so Spence weiter. «Die Unternehmen versuchen jetzt, ihre Geschäftsmodelle auf das Schaffen gesellschaftlichen Mehrwerts auszurichten. Schaut man sich auf der Welt um, so findet man Unternehmen – sogar hochprofitable Unternehmen, die hohe Renditen erwirtschaften – die nicht vorrangig mit dem Ziel einer hohen Kapitalrendite gegründet wurden. Ich denke, dass wir uns in diese Richtung bewegen werden.»
Die Förderung eines integrativen und nachhaltigen Wirtschaftswachstums gehört zu den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, die die Vereinten Nationen im Jahr 2015 im Rahmen ihrer Agenda 2030 formulierten. Um dies zu erreichen, müssen nach Massgabe der Vereinten Nationen Massnahmen gefördert werden, die Unternehmertum, Kreativität und Innovation unterstützen.
Im Jahr 2019 wurde der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften an Paul Romer und William Nordhaus verliehen. Beide Makroökonomen beschäftigten sich mit dem Wirtschaftswachstum: Während Nordhaus den Klimawandel in die von ihm entwickelten Modelle integrierte, kam Romer zu der Schlussfolgerung, dass Wachstum von der Entwicklung neuer Ideen abhängt.
«Als ich den Anruf aus Schweden erhielt, freute ich mich besonders über die Nachricht, dass ich den Preis gemeinsam mit Bill Nordhaus erhalten würde», sagt Romer. «In dieser Paarbildung ist eine Botschaft enthalten. Die Erderwärmung ist ein sehr schwerwiegendes Problem, und wir können es nur lösen, wenn wir aus dem Potenzial für die Entdeckung neuer Ideen schöpfen.»
Romer denkt nicht, dass man sich entweder für Nachhaltigkeit oder für Wirtschaftswachstum entscheiden muss. Beides ist möglich, und nicht nur dank der Fähigkeit der Menschen, neue und bessere Ideen zu entwickeln, sondern auch beflügelt durch rapiden technologischen Fortschritt.
«Der Optimismus ergibt sich aus dem, was möglich ist. Die technischen Möglichkeiten sind einfach enorm. Wenn wir das Problem lösen, wie man schwierige Entscheidungen und noch dazu die richtigen Entscheidungen trifft, wird der Fortschritt weitergehen. Das wird zu einer Verbesserung des Lebensstandards führen.»
Nobelpreiskollege Michael Kremer stimmt ihm zu. «Es wird fälschlicherweise angenommen, dass man kein Wirtschaftswachstum erreichen und gleichzeitig den Klimawandel verhindern kann», erklärt der Entwicklungsökonom. «Aus ökonomischer Perspektive gibt es Dinge, die wir tun können, die das Wirtschaftswachstum nicht aufhalten werden. Dazu gehört auch, dass wir neue Technologien brauchen.»
«Wenn wir die richtigen Anreize schaffen, können wir neue Technologien entwickeln, die in der Zukunft zu einer Verbesserung unseres Klimas beitragen werden, dabei aber die Wirtschaft weniger belasten. Deshalb denke ich, dass technologischer Wandel in Zukunft sehr wichtig für uns sein wird.»
Der Übergang zu einer grünen Wirtschaft, einer Wirtschaft, die nach der Definition der Vereinten Nationen emissionsarm, ressourceneffizient und gesellschaftlich integrativ ist, kann ohne eine ausgewogenere Ausrichtung der Unternehmen nicht erreicht werden. In einem nachhaltigen Unternehmen sind die Kapitalrendite und eine gute Umweltleistung untrennbar miteinander verbunden.
Auch wenn sich der Wandel bereits in die richtige Richtung vollzieht, ist immer noch ein neues Modell für das Wirtschaftswachstum notwendig. «Wir müssen den Aspekt der Nachhaltigkeit in verschiedenen Dimensionen in die Wachstumsmodelle mit einbauen, sonst sind diese Modelle wertlos», sagt Spence. «Es wird nie so sein, dass die Wirtschaftswissenschaften stets die richtigen Modelle und Lösungen parat haben. Aber ich bin davon überzeugt, dass sie sich weiterentwickeln und einen Beitrag leisten werden.»
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