Bengt R. Holmström
Nobelpreisträger 2016 | Wie Sie es schaffen, dass Mitarbeitende engagiert und motiviert bleiben
Die meisten Menschen würden einen Vertrag als ein scheinbar endlos langes Dokument beschreiben, das in einer nur Juristen verständlichen Sprache abgefasst ist. Doch der finnische MIT-Professor Bengt Holmström weiss, dass es die Ökonomen sind, mit denen man reden sollte, um herauszufinden, was einen guten Vertrag in unserem modernen Wirtschaftssystem ausmacht. Er ist Experte für Vertragstheorie, offenbart jedoch, dass es in seinem Fachgebiet eigentlich um menschliches Verhalten geht.
Bengt R. Holmström
Bengt R. Holmström
Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften (anteilig), 2016
Auf einen Blick
Auf einen Blick
Geboren: 1949, Helsinki, Finnland
Fachgebiet: Mikroökonomie
Ausgezeichnetes Werk: Vertragstheorie; theoretische Instrumente, um Verträge in der Praxis sowie potenzielle Fallstricke bei der Vertragsgestaltung zu verstehen
Ungelöste Probleme: Hat noch nicht entschieden, ob er eines Tages nach Finnland
zurückkehren will
Sprachkenntnisse: Ist einer der wenigen Preisträger, die in der Lage sind, die Nobelpreiszeremonie zu verstehen (da Schwedisch seine Muttersprache ist)
Sorgen der Eltern: Seine Eltern fragten sich, ob ihr Sohn bei Verstand war, als er in den 1980er Jahren ein Angebot der Harvard University ausschlug
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Wie kann man die richtigen Anreize setzen?
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Holmström hat ein schönes, sonnendurchflutetes Büro in der unlängst renovierten Wirtschaftsfakultät des MIT. Die Aussicht mit Blick auf den blauen Himmel und die Segelboote auf dem durch Boston fliessenden Charles River ist atemberaubend. «Ich war immer dann am produktivsten, wenn ich kein Fenster mit Blick auf den Fluss hatte», meint der Professor zu Beginn des Gesprächs. «Ich hatte gar kein Fenster, sass in einem kleinen Büro, und es gab nicht viel anderes zu tun als zu arbeiten.»
Der Nobelpreisträger weist darauf hin, dass es in jeder Arbeitsbeziehung letztlich um das richtige Gleichgewicht von Zwängen und Anreizen geht. Egal, ob Sie gerade erst anfangen oder ein aufsteigender Stern in der Führungsetage sind, Ihr Arbeitgeber möchte, dass Sie im besten Interesse des Unternehmens handeln. Aber wie kann er das durchsetzen? Eine wunderschöne Aussicht beispielsweise kann dabei ablenkend wirken. «Sie müssen ein wenig Druck verspüren», erläutert Holmström. Doch er fügt mit einem Lächeln hinzu, dass das Fenster nicht wirklich der entscheidende Faktor ist. Andere Dinge hingegen sind es schon, und sie sind Teil einer guten Vertragsgestaltung, die die Interessen aller Parteien in Einklang miteinander bringt.
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Der Wunsch, die Karriereleiter hochzuklettern, gute Leistungen zu erbringen, die Komplimente des Vorgesetzten – das sind die Dinge, die Menschen motivieren. Diese Dinge bringen manche Menschen jedoch auch dazu, moralische Grenzen zu überschreiten, die sie sonst nicht übertreten würden. Vor allem dann, wenn sie feststellen, dass sie die Erwartungen nicht mehr angemessen erfüllen können. «Es ist doch immer so, dass man mit dem Rücken zur Wand steht und nicht liefern kann», sagt er. «Und manche Leute lösen das Problem einfach, indem sie die rote Linie überschreiten.»
Es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die schiefgehen können, wenn ein Anreizsystem nicht richtig aufgesetzt wird», betont Holmström. Die Beschäftigten eines Unternehmens könnten beschliessen, sich auf Dinge zu konzentrieren, die nur kurzfristig von Vorteil sind, oder – noch schlimmer – zu betrügen und Ergebnisse zu fälschen.
«Sie wollen nicht wirklich etwas Schlechtes tun», meint er. «Auch diese Menschen haben eine Moral; ihre Eltern haben sie schliesslich gut erzogen.» Doch spezifische Ziele oder Vorgaben im Zusammenhang mit dem Bonussystem können zu einem Auslöser werden. «Wir müssen in dieser Hinsicht sensibler sein und dürfen nicht zu viel verlangen», betont Holmström.
Seine «Multitasking»-Analysen haben neue Erkenntnisse zu dem Sachverhalt erbracht, dass Leistungsmessungen unvollkommen sind und dass die Dinge, die am schwierigsten zu messen sind, in Wirklichkeit möglicherweise den grössten Wert haben – beispielsweise eine gute Reputation. «Es gibt sehr konkrete, leicht zu messende Aufgaben, welche die Reputation leicht aus dem Blickfeld schieben können», erläutert er. «Aber wenn bei einem derart wichtigen Kriterium keine Möglichkeit besteht, es in Zahlen auszudrücken, dann ist es vielleicht besser, die leicht messbaren Tätigkeiten nicht durch Anreize zu fördern oder weniger Anreize dafür zu schaffen.»
Alte Gewissheiten schwinden allmählich
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Organisationsstrukturen innerhalb von Unternehmen sind der Hauptgegenstand der Arbeit von Holmström. Er ist sich bewusst, dass sich die Zeiten schnell ändern und traditionelle Beschäftigungsverhältnisse in der sogenannten On-Demand-Wirtschaft, die derzeit entsteht, bald der Vergangenheit angehören könnten. «Wie wir uns in dieser neuen Welt organisieren, welche Geschäftsmodelle wir entwickeln werden, das müssen wir erst noch herausfinden.»
Es könnte passieren, dass sich die Menschen weniger auf langfristige Beschäftigungsverhältnisse verlassen können. Immer mehr von ihnen werden als Freiberufler arbeiten, als unabhängige Auftragnehmer mit vielen kurzfristigen Verpflichtungen. Sie gewinnen mehr Unabhängigkeit, verlieren aber gleichzeitig eine Art Sicherheitsnetz, das aus Elementen wie festen Arbeitszeiten und regelmässiger Bezahlung besteht.
Kann ein allgemeines Grundeinkommen in Zeiten des technologischen Wandels helfen?
«Früher gaben uns die Unternehmen viel mehr Planbarkeit und einen Lebensrhythmus, an den wir uns gewöhnt haben. Diese Sicherheit wird uns jetzt genommen. Und die Menschen meiner Generation haben Schwierigkeiten, damit zurechtzukommen», sagt er. Zudem könnten Arbeitsplätze, die nicht unbedingt viel Kreativität erfordern, sondern relativ routinemässige Aufgaben beinhalten, langsam verschwinden. «Heutzutage können Computer Fragen beantworten, sie können sogar Artikel schreiben.»
Holmström fragt sich, wohin die grundlegenden Veränderungen in unserer Arbeitswelt führen werden. Er hat viel über die jüngsten Entwicklungen in seinem Heimatland Finnland gelesen.
Ein allgemeines, bedingungsloses Grundeinkommen, das nicht nur an Arbeitslose, sondern an alle ausgezahlt wird. Bisher ist dies nur ein Versuch mit rund 2 000 Teilnehmern. Doch kann das zu einem nachhaltigen System für die Zukunft werden? Da ist sich Holmström nicht so sicher.
Eine Welt, in der nicht jeder arbeiten muss
«Die Forscher stellen sich eine Welt vor, in der nicht jeder Arbeit hat, oder nur eine sehr schlecht bezahlte Arbeit», erklärt er. «Da bin ich skeptisch, denn für mich ist Arbeit so viel mehr als nur Geld.» Er räumt ein, dass er vielleicht ein wenig altmodisch ist und davon ausgeht, dass sich die neuen Generationen eher anpassen werden. «Ich glaube, dass die Menschen einen anderen Sinn im Leben finden werden, auch wenn sie vielleicht nur 15 Stunden in der Woche arbeiten.»
«Wir haben uns in unserem Leben an alles Mögliche gewöhnt», fährt Holmström fort. «Als die Pferdekutschen verschwanden, dachten die Menschen, das sei das Ende der Zivilisation, aber das war es nicht. Wenn diese neuen Generationen in eine Gesellschaft hineingeboren werden, in der die Hälfte der Bevölkerung nicht arbeitet, werden sie das möglicherweise einfach für normal halten.» Er weiss, dass das Leben junger Menschen anders aussieht als das ihrer Eltern. Sie streben nicht nach einer lebenslangen Arbeitsstelle, sie sind flexibler und bereit, sich anzupassen. Sie leben nicht nach den von oben vorgegebenen Regeln, sondern nach ihren eigenen.
Vertrauen in unsere demokratischen Institutionen wiederherstellen
Holmström macht sich grosse Sorgen: Darüber, dass die Menschen heute zu glauben scheinen, die wichtigsten Probleme unserer Welt könnten in nur 140 Zeichen erklärt werden, und darüber, dass das Vertrauen in die Politiker schwindet. Er vergleicht das, was er heute in unserer Gesellschaft sieht, mit dem Gegenstand seiner Arbeit. «Die Menschen fordern Transparenz, aber sie können nicht für alles Transparenz verlangen, womit wir beim Multitasking-Problem sind», sagt er. «Ihre Aufmerksamkeit richtet sich jetzt auf die Dinge, die sie verstehen können. Das ist so, als wenn man einen sehr starken Anreiz für eine sehr begrenzte Aufgabe setzt, die möglicherweise weit entfernt davon ist, wirklich wichtig zu sein.»
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Wie kann man das Vertrauen in unsere demokratischen Institutionen wiederherstellen? Holmström glaubt, dass die Suche nach der richtigen Antwort vielleicht die grösste Herausforderung unserer Zeit ist. Er hofft, dass die jungen Menschen erkennen, wie wichtig die Demokratie für ihr Leben ist, und dass sie sie nicht als selbstverständlich ansehen.
Kann die europäische Jugend eine andere politische Agenda entwickeln?
Er weiss nicht, wohin sich sein geliebtes Heimatland, Europa oder gar die Welt diesbezüglich entwickeln werden. Doch auch wenn er sich Sorgen macht, gibt es Gründe, optimistisch zu sein.
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