Christopher A. Sims

Nobelpreis 2011 | Wie können wir geldpolitische Konflikte lösen?

In seiner wissenschaftlichen Arbeit befasst sich Professor Sims mit unterschiedlichen Themengebieten, wobei die Auswirkungen der Politik bei ihm in der Regel im Mittelpunkt des Interesses stehen. Als Professor für Ökonometrie ist er für seine anspruchsvollen Vorlesungen bekannt, auf persönlicher Ebene ist er jedoch eher zurückhaltend. Der Arbeit dieses Makroökonomen schenkt die Welt viel Beachtung, insbesondere wenn es um Geldpolitik und die kausalen Zusammenhänge mit Variablen wie BIP, Inflation, Arbeitsmarkt und Investitionen geht.

Christopher A. Sims

Christopher A. Sims

Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften 2011 (gemeinsam mit Thomas J. Sargent)

Auf einen Blick

Geburtsjahr: 1942, Washington, D.C., USA

Fachgebiet: Makroökonomik, Ökonometrie

Ausgezeichnetes Werk: Empirische Forschung über Ursache und Wirkung in der Makroökonomie

Hang zur Romantik: Verbrachte seine zweitägige Hochzeitsreise im kleinen Hinterzimmer eines Bekannten

Wahrscheinlichstes Password: «Platzregen» (Name seines ersten Pferdes)

Bei Schreibblockaden: Dann wandert er mehrmals um das Haus herum

Besonderheiten: Professor Sims verbrachte seine Kindheit unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland und hat nur gute Erinnerungen daran

Die Welt verbessern

Beim Sprechen legt Professor Sims gerne die Hände in den Schoss, oft sitzt er mit hängenden Schultern da. In seinem ganz in Grau gehaltenen Büro an der Universität Princeton ist er von Aufzeichnungen, Büchern und Papieren umgeben. Sein blaues Poloshirt ist heute der einzige Farbtupfer. Eines ist jedoch sicher: Professor Sims arbeitet leidenschaftlich aber ruhig, daran, die Welt zu verbessern.

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Wodurch entstehen grosse Krisen?

«Wollen Sie wissen, was mich fasziniert», fragt er, ohne viel Zeit mit Smalltalk zu verlieren. «Rationale Nachlässigkeit. Wirtschaftswissenschaftler modellieren Menschen als permanente Optimierer, die stets die bestmögliche Wahl treffen und alle Preisbewegungen in der Wirtschaft stets im Blick haben.»

Dabei können Menschen gar nicht beliebig viele Informationen in kurzer Zeit verarbeiten. Das bedeutet, dass sie sich nicht so verhalten, wie es einige unserer Modelle vorhersagen.

Um zu beschreiben, wie z. B. eine Zentralbank die Wirtschaft stabilisieren kann, oder um zu entscheiden, wie das Finanzsystem reguliert werden sollte, wird aber eigentlich ein sicheres Modell benötigt. «Dadurch entstehen Lücken. Und diese Lücken sind wahrscheinlich ursächlich für das Entstehen grosser Krisen», sagt er.

Welche Nachteile sind mit einer Zentralbank verbunden?

Sims beschäftigt sich bereits fast sein ganzes Leben lang mit den Auswirkungen von Politik in der Makroökonomik. Da er aus einer von Wirtschaftswissenschaftlern und Politikern geprägten Familie kommt, ist dies keine grosse Überraschung.

Wie sein Kollege und guter Freund, Professor Markus Brunnermeier, beschreibt, hat Sims schon immer gegen den Mainstream angekämpft. Er akzeptiert einfach nicht die in der Branche vorherrschende Ansicht, dass Zentralbanken unabhängig seien und die Inflation kontrollieren könnten. «Seiner Ansicht nach benötigen die Zentralbanken auch die Regierungen, damit die Inflation kontrolliert werden kann», so Brunnermeier. «Und die fiskalische Theorie der Preise, die er entwickelt hat, besagt, dass es zwei unterschiedliche Systeme gibt.»

«Bei der ersten Variante hat die Zentralbank die Macht und kann tatsächlich bestimmen. Man kann aber auch in ein anderes System geraten, bei dem die Regierung die Macht hat und die Inflation kontrolliert. In diesem Fall sind die Zentralbanken relativ hilflos. Dabei war er der erste, der auf diese Schwachstelle hingewiesen hat.»

Wie funktioniert Geldpolitik?

In den 1960er und frühen 1970er Jahren wurde die Geldpolitik durch die Ideen des Nobelpreisträgers Milton Friedman dominiert. Sein wesentliches Argument war, dass die Geldmenge sich verändert, weil sie durch politische Entscheidungen beeinflusst wird, was mit lediglich einer kurzen Verzögerung zu einer Veränderung des BIP führe. Doch Sims konnte zeigen, dass dies keine nachhaltige Sichtweise auf die Funktionsweise der Geldpolitik bot. Er entwickelte ein Verfahren zur Anwendung von Daten, die die Interaktion und die Beziehungen zwischen mehreren Variablen berücksichtigt.

«Die meisten Leute in den Zentralbanken waren sich eigentlich ziemlich sicher, dass sie die Geldmenge gar nicht beeinflussen», so Sims. «Sie veränderten die Zinssätze. Und wenn man sieht, dass das, woran die politischen Entscheidungsträger tatsächlich schrauben, der Zinssatz ist, dann sieht man auch, dass die Zinssätze die Geldmengenbewegungen vorhersagen, gleichzeitig aber auch, dass sich die Zinssätze im Allgemeinen in dieselbe Richtung wie die Inflation bewegen. Und dennoch sind sich die geldpolitischen Entscheidungsträger ziemlich sicher, dass sie mit einer Erhöhung der Zinssätze die Inflation senken können.»

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Zinssätzen und Inflation?

Unter Anwendung bayesianischer Statistik – einem Bereich der Statistik, der versucht, den tatsächlichen Zustand der Welt durch die Formulierung von Wahrscheinlichkeiten auf der Grundlage neuer verfügbarer Daten zu interpretieren – und auf der Grundlage von Daten, die in verschiedenen Ländern und Zeiträumen erhoben wurden, stellte Sims fest, dass es zwei verschiedene Beziehungen zwischen Zinssätzen und Inflation gibt, die stets gleichzeitig wirken.

«Wenn die Politik die Zinssätze anhob, sanken BIP und Inflation, aber wenn sich die Zinssätze aus anderen Gründen bewegten, tendierten sie dazu, in die gleiche Richtung wie die Inflation zu gehen», erläutert der Professor. Das von ihm entwickelte Vektor-Autoregressionsmodell, mit dem sich die Auswirkungen makroökonomischer Massnahmen der Politik durch Simulationen veranschaulichen lassen, hat nicht nur seine eigene Karriere entscheidend geprägt. Auch die Zentralbanken verwenden dieses Modell mittlerweile in fast allen ihren Prognosemodellen.

Wie lange dauert es, bis man durch geld- und fiskalpolitische Massnahmen Veränderungen bewirken kann?

«In normalen Zeiten dauert es ungefähr ein Jahr, bis eine Straffung der Geldpolitik ihre volle Wirkung auf das Konjunkturniveau entfaltet», so Sims. «Und bis die volle Auswirkung auf die Inflation eintritt, dauert es sogar noch länger», fügt er hinzu.

Veränderungen durch geld- und fiskalpolitische Massnahmen

Bestimmte fiskalpolitische Massnahmen haben einen unmittelbareren Effekt. «Gibt es viele ungenutzte Ressourcen in der Volkswirtschaft, so kann die jeweilige Regierung Menschen einstellen und recht schnell mit dem Bau von Dingen beginnen», sagt er. «Bei solchen Massnahmen kommt es nicht so sehr zu einer Verzögerung bei den Auswirkungen dieser Massnahmen auf die Wirtschaft, sondern vielmehr ist der politische Prozess, bis Änderungen in der Fiskalpolitik tatsächlich umgesetzt werden, oft langwierig.»

Warum Rezessionen nicht verhindert werden können

«Wenn eine Volkswirtschaft in eine Rezession rutscht und das Wachstum sich zu verlangsamen beginnt, können wir das in der Regel erst etwa sechs Monate später mit Sicherheit beurteilen», sagt er. Sims erklärt, dass dies auf Lücken im Datenbestand zurückzuführen ist, und zeigt, dass fiskalpolitische Massnahmen, selbst wenn sie schnell angewendet werden, tendenziell etwas zu spät wirken. «Aus diesem Grund gibt es Rezessionen. Wüssten wir nämlich, wann sie einsetzen, könnten wir etwas unternehmen, um sie zu verhindern.»

Nach der Finanzkrise 2008 verfolgten die USA eine Politik der quantitativen Lockerung, indem die Zentralbank mehr Geld in die Wirtschaft pumpte. Die Arbeit von Sims gewann nach der Finanzkrise noch mehr an Bedeutung, da sie zeigt, wie sich Ursache und Wirkung verschieben können und Zinssätze, Inflation und andere Variablen zu Veränderungen der Geldmenge führen. Im Jahr 2011 wurden Sims und Thomas Sargent für ihre Arbeit mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

Wie können wir die finanzielle Situation in Europa verbessern?

Der gebürtige Amerikaner mit estnischen Wurzeln wuchs kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland auf. Heute vertritt er eine eigene Meinung zu der Frage, wie den europäischen Volkswirtschaften geholfen werden sollte.

«Wenn wir wirklich Volkswirtschaften mit Zinssätzen von Null oder nahe Null haben wollen, brauchen wir eine expansive Geldpolitik», sagt er. «Das bedeutet nicht nur, dass neue Schulden aufgenommen werden, sondern auch, dass die Bürger darauf vertrauen können sollten, dass diese Defizite nicht in ein paar Jahren durch Steuererhöhungen wieder ausgeglichen werden. Die fiskalpolitische Expansion muss bejaht werden, da die Inflation zu niedrig ist und die Wirtschaft zu langsam wächst. Und die Expansion wird fortgesetzt, bis die Ziele erreicht werden.»

Können Eurobonds Europa helfen?

Professor Sims führt an, dass wir einen Eurobond brauchen, der auf allen Finanzmärkten handelbar ist, «aber ein minimales geteiltes fiskalischen Risiko erfordert.»

«Die europäischen Politiker können sich einfach nicht dazu durchringen, ein Abkommen zu unterzeichnen, das besagt, dass unter bestimmten Umständen Steuern aus Land A den Menschen in Land B zugutekommen. Aber es gibt einfach keine andere Möglichkeit, die Eurozone ohne solche Abkommen zu bewahren.»

Schulden und Schuld sind nicht das Gleiche

Sims versteht nicht, warum Deutschland Angst vor zu hohen Schulden hat und sich für eine rigide Sparpolitik einsetzt. Vor allem, wenn Länder wie Griechenland daran zugrunde gehen. Seiner Meinung nach lässt sich das Problem auf eine falsche kulturelle Bewertung von Schulden zurückführen. «Die Deutschen sind derart abgeneigt, sich zu verschulden, was vielleicht damit zusammenhängt, dass die Begriffe Schuld und Schulden im Deutschen so nahe beieinander liegen», sagt er und lacht. «In anderen Ländern dieser Erde sieht das ganz anders aus.»

Wann werden öffentliche Schulden zum Risiko?

Sims ist der Ansicht, dass Staatsschulden nicht so beschämend sind, wie sie manchen Menschen oder Ländern offensichtlich erscheinen. Er warnt jedoch, dass auch eine überhöhte Staatsverschuldung zum Problem werden kann, weil sie höhere Steuersätze erfordert.

«Aber selbst, wenn wir die Verschuldung auf 200 Prozent des BIP anheben würden, könnte das durch eine Steuererhöhung bezahlt werden, die weder aus dem Ruder laufen noch die Wirtschaft ruinieren würde», führt er an. «Dabei ist es schon eine gute Idee, wenn man keinen weiteren Schuldenanstieg plant, weil man dann gezwungen wäre, weitere Steuern zu erheben, um die Verschuldung zu finanzieren, anstatt produktive staatliche Aktivitäten zu finanzieren wie etwa die Modernisierung von Schulen, den Bau von Brücken usw. Will man die Verschuldung wieder reduzieren, so sollte die Planung eine langsame langfristige Absenkung vorsehen.»

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Die Welt verbessern

Nach unserem Interview lädt uns Professor Sims zu sich nach Hause ein, wo wir seine Frau Cathie kennenlernen. Sehr freimütig verrät uns Frau Sims, dass ihr Mann damals Freunde aus der Wirtschaftsfakultät in Harvard, in der sie beide tätig waren, damit beauftragte, sie kennenzulernen und herauszufinden, ob sie einen Freund hatte. «Morgens weckte er mich, um gemeinsam über politische Themen nachzudenken», sagt sie.

Professor Sims rät jungen Menschen, etwas zu finden, was ihnen Spass macht und was sie mit Leidenschaft tun. Auf diese Weise könne man dann hoffentlich die Welt verbessern. Seine Frau stimmt ihm zu. «Unsere Kinder sind damit aufgewachsen», sagt sie. «Sie haben alle gelernt, sich mit Dingen zu beschäftigten, die ihnen Freude machen und von denen sie das Gefühl haben, dass sie einen echten Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Ich denke, dass Chris eine Menge damit zu tun hat.» Dann lächelt sie und sagt «Und ich vielleicht auch.»

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