Dr. Kerstin Hansen
Research & Strategy Real Estate DACH

Nachdem die Schweizer Wirtschaft 2022 mit 2,7% durch pandemiebedingtes Aufholpotenzial überdurchschnittlich wuchs, wurde 2023 mit 0,8% ein bedeutend niedrigeres Wachstum verzeichnet. Dies war insbesondere auf eine Eintrübung in der Industrie – auch bedingt durch die schwache Konjunktur im europäischen Ausland – zurückzuführen. Die Arbeitslosenquote ist im Vergleich zum Tiefpunkt im Frühjahr 2023 von 1,9% auf immer noch niedrige 2,4% im Mai 2024 gestiegen. Die Gesamtbeschäftigung ist dennoch – trotz unterdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum – 2023 um 70 400 Vollzeitäquivalente gewachsen. Mit 2 800 zusätzlichen Stellen war das Wachstum im ersten Quartal 2024 zwar moderat, aber anhaltend positiv. Dank der soliden Beschäftigungssituation präsentierte sich der private Konsum im Jahr 2023 stabil und stützte insbesondere das Dienstleistungssegment der Schweizer Wirtschaft. Die anhaltende Zweiteilung der Wirtschaft wird in den Ergebnissen des Einkaufsmanagerindex (PMI) deutlich: Während der Einkaufsmanagerindex für die Industrie mit 46,4 Punkten seit nunmehr fünf Quartalen unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten liegt, zeigt sich der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor robuster, hat jedoch zuletzt auch eine höhere Volatilität gezeigt. In den letzten drei Monaten veränderte er sich jeweils um mehr als 5 Punkte. Obwohl der Dienstleistungsindikator einen nervösen Seitwärtstrend zeigt, dürfte der Dienstleistungssektor die Wirtschaft leicht unterstützen. So wird für die Schweizer Wirtschaft ein Wachstum von 1,3% im Jahr 2024 und 1,5% im Jahr 2025 erwartet.

Die Inflationsdynamik hat im Vergleich zum Höhepunkt im Sommer 2022 signifikant abgenommen. 2023 lag die Jahresteuerung im Durchschnitt zwar noch bei 2,1%, befand sich jedoch ab Juni wieder im Zielband der Schweizerischen Nationalbank (SNB) von 0 bis 2%. Seit Februar 2024 lag zudem die Teuerung der Inlandgüter unter der 2-%-Schwelle. In Anbetracht des Rückgangs der Teuerung hat die SNB im März 2024 die Zinswende eingeleitet und den Leitzins von 1,75% auf 1,5% gesenkt. Mit einer weiteren Senkung um 25 Basispunkte im Juni liegt der Leitzins nun bei 1,25%. Für den weiteren Verlauf des Jahres 2024 wird aktuell mit einer weiteren Zinssenkung von 25 Basispunkten gerechnet.

Inflation, Kerninflation und SNB-Leitzins

Inflation, Kerninflation und SNB-Leitzins 2014 – 2025 (Prognose)

Die Graphik zeigt Inflation, Kerninflation und SNB-Leitzins in der Schweiz von 2014 bis Januar 2025 (Prognose). Dies stellt keine Garantie seitens UBS Asset Management dar.

Höhere Risikoprämien führen zu mehr Marktdynamik

Vor dem nun wieder erfolgten Richtungswechsel hat die Erhöhung der Zinsen um insgesamt 250 Basispunkte zwischen September 2022 und Juni 2023 das Umfeld für Immobilieninvestitionen stark verändert. Inzwischen haben sich die Spitzenrenditen am Immobilienmarkt an die neuen Bedingungen angepasst. Für Wohnliegenschaften und Büroobjekte sind die Anfangsrenditen im Prime-Segment zum ersten Quartal 2024 um 65, respektive 70 Basispunkte im Vergleich zum Minimum im zweiten Quartal 2022 gestiegen. Die Anfangsrendite für Verkaufsflächen, welche eine deutlich moderatere Dynamik in den Jahren vor der Zinswende verbuchte, ist um 50 Basispunkte gestiegen. Nachdem die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihe wieder deutlich zurückgegangen ist, lag die Risikoprämie von Immobilien im ersten Quartal 2024 wieder bei etwa 155 Basispunkten und damit nur noch knapp unter dem Mittelwert der vergangenen 25 Jahre von 170 Basispunkten.

Mit steigenden Risikoprämien dürfte auch die Dynamik am Transaktionsmarkt wieder zunehmen. Diese war in den vergangenen zwei Jahren aufgrund der «Uneinigkeit» zwischen Käufern und Verkäufern bezüglich eines angemessenen Preisniveaus förmlich zum Erliegen gekommen. Im Wohnsegment, welches durch eine stark steigende Nachfrage auf dem Vermietungsmarkt gestützt wird, hat sich die Korrektur bei den Renditen zuletzt deutlich verlangsamt und deutet auf eine Bodenbildung hin. Auch wenn die Bestandsbewertungen leicht hinterherhinken, sollte dies in Kombination mit der eingeleiteten Zinswende und den nachlassenden Denominator-Effekten dem Transaktionsmarkt zu mehr Dynamik verhelfen.

Starker Nachfragezuwachs treibt die Angebotsmieten in die Höhe

Die Nachfrage am Schweizer Mietwohnungsmarkt steigt weiter stark. Mit einer Nettozuwanderung von 98 900 Personen lag der Wert 2023 nur minimal unter dem Rekordwert von 2008. In den ersten vier Monaten des Jahres 2024 belief sich der Wert bereits auf über 28 000. Gleichzeitig bleibt die Angebotsausweitung rückläufig. Die Jahressumme der Baubewilligungen lag 2023 mit knapp 32 700 Wohneinheiten rund ein Drittel unter dem langjährigen Durchschnitt. Mit 9 300 Bewilligungen im ersten Quartal deutet der Jahresbeginn 2024 nicht auf eine Trendwende hin. Folglich sinken die Leerstände weiter, was die Angebotsmieten wiederum nach oben treibt. Im ersten Quartal 2024 sind die Angebotsmieten schweizweit um 6,3% im Vorjahresvergleich gestiegen. Regionen mit aussergewöhnlich hoher Nachfrage, wie beispielsweise Zürich, verzeichneten gar zweistellige Mietzuwächse. Durch zwei Schritte beim hypothekarischen Referenzzinssatz um je 25 Basispunkte im Juni und Dezember 2023 auf nun 1,75% sind zudem die Bestandsmieten gestiegen. Der Referenzzinssatz für Hypotheken orientiert sich am Durchschnitt aller Hypothekarzinsen in der Schweiz. Steigt dieser, können Eigentümer von Wohnliegenschaften die Mieten anpassen. Mit einem weiteren Anstieg des Referenzzinssatzes wird aktuell nicht mehr gerechnet. Aufgrund des anhaltend starken Haushaltswachstums bei rekordniedriger Bautätigkeit wird aber 2024 eine Leerstandsquote von unter 1% erwartet. Somit sollten Angebotsmieten weiterhin ein starkes Wachstum verzeichnen. Die zunehmende Knappheit und starke Mietteuerung dürfte mittelfristig zu einem weiteren Anstieg der Anzahl politischer Vorstösse und Initiativen zur Regulierung des Mietwohnungsmarktes führen. Während aktuell rund 30% des Schweizer Mietbewohnungsbestands unter eine Art der Regulierung (Kostenmiete, Vorkaufsrecht oder Mietpreisbremse) fallen, könnte ein Inkrafttreten aller derzeit geplanten zusätzlichen Massnahmen diesen Anteil auf knapp 50% erhöhen.1 Dies dürfte jedoch die Anreize zur Schaffung neuen Wohnraums weiter verringern und damit den Mangel an Wohnraum eher weiter verschärfen.

Mietpreiswachstum
(%, im Vorjahresvergleich)

Mietpreiswachstum in der Schweiz 2013 – 2024

Die Graphik zeigt das Mietpreiswachstum in der Schweiz von 2013 bis 2024.

Differenzierung im Bereich der kommerziellen Immobilien

Während der Mietwohnungsmarkt mehr oder weniger flächendeckend von Knappheit geprägt ist, variiert die Situation bei den kommerziellen Immobilien je nach Lage und Qualität der Objekte stark. Dazu führen einerseits die aktuelle Abschwächung der Konjunktur und andererseits strukturelle Veränderungsprozesse. Bei Büroflächen hat sich die Nachfrage angesichts von Home-Office und hybriden Arbeitsmodellen in den vergangenen vier Jahren stark verändert. Schweizer Unternehmen verzeichnen im internationalen Vergleich jedoch eine bedeutend höhere Büropräsenz. Zudem bleiben die Auswirkungen der konjunkturellen Abschwächung aufgrund der Stabilität des Arbeitsmarktes im Rahmen. Folglich ist die Angebotsquote 2023 nur marginal von 4,5% im Vorjahr auf 4,6% gestiegen. Dennoch zeigt sich auch am Schweizer Markt eine Differenzierung der Lagen zugunsten von Prime-Objekten. Es wird allgemein weniger Fläche pro Mitarbeitendem benötigt. Für die Fläche, die nachgefragt wird, liegt jedoch der Qualitätsanspruch höher. Da Unternehmen, insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels, für Mitarbeitende attraktiv bleiben müssen, werden gut erreichbare, moderne und nachhaltige Flächen nachgefragt. Sekundäre Objekte hingegen haben es bei Mietverhandlungen zunehmend schwer. Dies reflektiert sich in den Mieten: Während Spitzenmieten (Top-Objekte an Prime-Lagen in Zürich und Genf) im Bürosektor im ersten Quartal 2024 um 5,9% im Vorjahresvergleich anstiegen, sank die durchschnittliche Miete um 3,1%.
Ein ähnliches Bild zeigt sich am Verkaufsflächenmarkt: Trotz der aktuell schlechten Konsumentenstimmung und rückläufigen Detailhandelsumsätzen verzeichnen Verkaufsflächen an zentralen, gut frequentierten Lagen weiterhin eine solide Nachfrage am Mietmarkt und ein Mietpreiswachstum. Gestützt wird die Beliebtheit der Prime-Lagen unter anderem durch die Rückkehr der Touristen: Mit 41,8 Mio. Logiernächten wurde im Jahr 2023 nicht nur eine weitere Erholung vom pandemiebedingten Einbruch, sondern gar ein neuer Rekordwert verbucht.

Positive Mietperspektiven stützen Immobilienwerte

Der Zinsanstieg hat 2023 auch am Schweizer Immobilienmarkt zu Korrekturen geführt. Im Vergleich zu vielen ausländischen Immobilienmärkten sind die Wertkorrekturen mit -1.7% über alle Segmente in der Schweiz jedoch aufgrund des geringeren Zinsanstiegs und der soliden Fundamentaldaten der Nutzermärkte moderat ausgefallen. Letzteres konnte vor allem das Wohnsegment stützen: Während Wohnimmobilien 2023 0,9% an Wert verloren haben, fiel die Korrektur im Bürosegment (-2,6%) und Verkaufssegment (-2,5%) fast dreimal so stark aus.

Der Fokus auf Nutzermarktdaten, der das Schweizer Bewertungssystem im Vergleich zu Systemen, die sich stark am Transaktionsmarkt orientieren, charakterisiert, führt zwar dazu, dass die Wertkorrekturen im Vergleich zum Ausland moderater ausfallen, sich aber auch etwas länger hinziehen dürften. Insbesondere im kommerziellen Segment sollten sich die Korrekturen also 2024 fortsetzen. Hier wird mit einer leichten durchschnittlichen Abwertung von 1,8% für Büroflächen und 1% für Verkaufsflächen gerechnet. Die sehr positiven Mietsteigerungsperspektiven am Wohnungsmarkt dürften dagegen die Wertentwicklung von Wohnimmobilien schon 2024 wieder ins Positive drehen, wobei die Aufwertung mit +0,4% fast neutral erwartet wird. Allgemein dürfte mit Aufwertungsgewinnen wie zur Zeit der Negativzinsen, welche mit einem starken Anlagedruck verbunden waren, nicht mehr zu rechnen sein. Dadurch rutscht die Einkommensrendite und damit das aktive Asset Management – insbesondere unter der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren – deutlich in den Vordergrund.

Dies stellt keine Garantie seitens UBS Asset Management dar.

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