Wirtschaftsfaktor Sackgeld: Zählt man die Sparschweine der Schweizer Kinder zusammen, ergibt sich ein Millionenbudget. Bild: iStock

Margrith von Holzen würde sich selbst nicht als Expertin in Sackgeldfragen bezeichnen. Aber eigentlich ist sie das.

Seit Jahren steht die 62-Jährige am Kiosk im Dorfzentrum einer Luzerner Vorortsgemeinde. Dort beobachtet sie das Konsumverhalten der Kinder und Jugendlichen, die oft täglich bei ihr vorbeikommen.

Die Kinder hätten viel Geld zur Verfügung, sagt von Holzen. «Jedenfalls mehr, als wir es einst hatten.» An den Präferenzen der jungen Konsumenten hat sich indes über die Jahrzehnte nicht viel verändert. «Süssigkeiten stehen auch heute noch ganz oben auf der Einkaufsliste.»

Kinder sollen Schleckzeug kaufen dürfen

Diesen Befund bestätigt Marianne Heller. Sie ist bei Pro Juventute für das Programm Schuldenprävention und Konsum zuständig und kennt das Konsumverhalten von Kindern und Jugendlichen genau. Aus erzieherischer Sicht sei nicht viel daran auszusetzen, dass die Schulkinder ihre Wochenbatzen zum Kiosk tragen, meint Heller.

«Sackgeld hat in erster Linie den Zweck, Kindern den Umgang mit Geld zu ermöglichen. Das Kind lernt, dass die Dinge im Leben etwas kosten, und es entwickelt realistischere Vorstellungen davon, was es sich selbst kaufen kann.»

Den Kaufentscheid müsse man aber dem Kind überlassen, das sei nicht Sache der Eltern, so Heller. Nur so lernt das Kind, Verantwortung für seine Handlungen zu übernehmen.

So spricht man übers Geld

Wichtig sei, so die Expertin, dass in der Familie über Geld gesprochen werde. «Ab der Mittelstufe empfehlen wir eine monatliche statt wöchentliche Auszahlung des Sackgelds», sagt Heller. Das erweitere den Zeithorizont und ermögliche, den Fokus etwas weiter in die Zukunft zu richten. «Wenn man mit dem Kind darüber spricht, was es sich wünscht, können auch komplexere Themen wie das Sparen oder die Verlockungen der Konsumwelt thematisiert werden.»

Im Umgang mit Kaufwünschen empfehle sich eine Einteilung des Sackgelds in kurz-, mittel- und langfristige Sparziele. Das lasse sich notfalls subtil steuern. «Das Kind wird eher einen Teil des Sackgelds ins Sparschwein stecken, wenn es statt eines Fünflibers fünf Einfränkler erhält», so die Expertin augenzwinkernd.

Kein Sackgeldentzug

Zu vermeiden ist, Sackgeld als Belohnung oder zur Bestrafung zu missbrauchen. Es soll weder gestrichen noch willkürlich aufgestockt werden, sonst würden pädagogische Konzepte miteinander vermischt, die eigentlich getrennt sein müssten, wie Heller betont.

Gleichzeitig trage das Kind die Verantwortung, die Familienregeln auch in Bezug aufs Taschengeld zu respektieren: «Wenn Süssigkeiten vor dem Abendessen tabu sind, gilt das auch für die selbst gekauften Gummibärchen.»

Millionen für Kinder und Jugendliche

Als Richtgrösse für alle Altersklassen empfiehlt Pro Juventute die Sackgeldtabelle der Budgetberatung Schweiz (siehe unten). Die Faustregel lautet: Pro Primarschulstufe ein Franken. «Letztendlich muss das Sackgeld aber dem Haushaltsbudget der jeweiligen Familie entsprechen», sagt Heller. «Sackgeld ist eine Möglichkeit, Kindern den Umgang mit Geld zu vermitteln, aber es ist keine Notwendigkeit.»

Wie genau sich die Schweizer Eltern an die Empfehlungen der Budgetberatung halten, wagt Heller nicht zu beurteilen. Natürlich werde man im Rahmen der täglichen Arbeit immer wieder mit Extremfällen konfrontiert, aber repräsentativ seien diese nicht. Eine Studie des Marktforschungsinstituts GfK aus dem Jahr 2006 schätzte die Einnahmen aus Sackgeld und Geldgeschenken bei den 6- bis 17-Jährigen in der Schweiz auf fast 650 Millionen Franken im Jahr.

Die Industrie weiss das längst: Sackgeld ist ein Wirtschaftsfaktor, Minderjährige eine vielversprechende Zielgruppe. Einer deutschen Studie zufolge beeinflussen die Wünsche von Kindern und Jugendlichen bis zu ein Viertel der Kaufentscheide von Erwachsenen.

Gender-Gap im Sparschwein?

Neuerdings ist das Sackgeld sogar Gegenstand in der jungen wissenschaftlichen Disziplin der Geschlechterforschung. Die britische Bank Halifax fand in einer Untersuchung heraus, dass Buben im Schnitt 12 Prozent mehr Sackgeld erhalten als Mädchen. Die deutschen Landesbausparkassen ermittelten in einer Umfrage gar eine Diskrepanz von fast 19 Prozent zwischen den Geschlechtern. Da fragt man sich bang: Beginnt der «Gender-Gap» schon in der Primarschule? Auszuschliessen ist es nicht. Einfach zu verhindern hingegen schon.

Wie viel Sackgeld ist genug?

Die Budgetberatung Schweiz (ASB) empfiehlt, Sackgeld regelmässig auszuzahlen und an keinerlei Bedingungen zu knüpfen.

Schuljahr

Schuljahr

Betrag

Betrag

Auszahlung

Auszahlung

Schuljahr

1. Schuljahr

Betrag

1 Franken

Auszahlung

Wöchentlich

Schuljahr

2. Schuljahr

Betrag

2 Franken

Auszahlung

Wöchentlich

Schuljahr

3. Schuljahr

Betrag

3 Franken

Auszahlung

Wöchentlich

Schuljahr

4. Schuljahr

Betrag

4 Franken

Auszahlung

Wöchentlich

Schuljahr

5./6. Schuljahr

Betrag

20-30 Franken

Auszahlung

Monatlich

Schuljahr

7./8. Schuljahr

Betrag

30-40 Franken

Auszahlung

Monatlich

Schuljahr

9./10. Schuljahr

Betrag

40-50 Franken

Auszahlung

Monatlich

Ab dem 13. Altersjahr empfiehlt Pro Juventute die Auszahlung eines «Jugendlohns», von dem die Jugendlichen auch grössere Teile ihrer Lebenskosten selbstverantwortlich finanzieren.