UBS und die Schweiz können beide in der Champions League spielen
Ein offener Brief von Group CEO Sergio P. Ermotti an die Mitarbeitenden von UBS
Zwei Jahre nach der Rettung der Credit Suisse und vor dem Hintergrund der laufenden Kundenmigration in der Schweiz wie auch der Diskussion in der Schweiz über das regulatorische Umfeld möchte unser Group CEO mit euch seine Gedanken zu unserer Bank und unserem Heimmarkt teilen und aufzeigen, wie eine Win-win-Situation für die Schweiz und UBS geschaffen werden kann.
Vor gut zwei Jahren, am 18. März 2023 war ich im Stadion von Gentilino in der Nähe von Lugano und sah mir das Heimspiel meines Clubs Collina D’Oro gegen Zug 94 an. Bei dieser Begegnung trafen zwei Fussballteams aufeinander, die beide immer noch hofften, die Meisterschaft in der 2. Liga Interregional zu gewinnen. Plötzlich begann mein Telefon zu vibrieren. Am Ende der ersten Halbzeit warf ich einen Blick auf meine eingegangenen Nachrichten und sah, dass ich einen Anruf aus Bern verpasst hatte. Die Schweizer Behörden arbeiteten gerade an verschiedenen Szenarien, wie die Credit Suisse stabilisiert werden könnte, und wollten wissen, ob ich dabei mithelfen würde.
Einige Stunden später, nachdem das Spiel mit einem Unentschieden zu Ende gegangen war, erklärte ich mich grundsätzlich bereit, das VR-Präsidium einer noch zu restrukturierenden Credit Suisse zu übernehmen, falls eine Übernahme durch UBS nicht zustande käme. Nachdem ich meine gesamte Berufslaufbahn im Banking verbracht hatte – angefangen mit einer Lehre im Alter von 15 Jahren – fühlte ich mich unserem Finanzplatz gegenüber verpflichtet. Und ich wollte meinen Beitrag dazu leisten, dass unser Land der Welt zeigen kann: Das Team Schweiz zieht am gleichen Strick, ist pragmatisch und kann Probleme lösen. Wir können zusammen unnötige Kosten und Reputationsrisiken vermeiden – in der Schweiz und darüber hinaus. Schliesslich war ich fest überzeugt, dass die Reformen nach der Finanzkrise von 2008, die ich während meiner ersten Amtszeit als CEO von UBS umgesetzt hatte, robust genug sind, um Grossbanken zu sanieren und die Credit Suisse notfalls auf strukturierte Weise abwickeln zu können.
Zwei Jahre nach jenem schicksalhaften Wochenende nähern wir uns dem letzten grossen Meilenstein der Integration, bei dem wir alle unsere Kundinnen und Kunden in der Schweiz auf eine Plattform zusammenbringen. Ich finde, es ist Zeit, kurz innezuhalten und zu reflektieren. Ich möchte auch meinen persönlichen Blick auf die politische Debatte in der Schweiz über zukünftige Bankenregulierung mit euch teilen. Denn es gibt aktuell viel Getöse, und einiges davon basiert auf falschen oder lückenhaften Informationen. Ich weiss, dass viele von euch mit Fragen von Kundinnen und Kunden sowie Freunden und Familie zu diesem Thema konfrontiert sind. Ihr seid die Gesichter von UBS in der Schweiz und ich bin überzeugt, dass ihr als Botschafterinnen und Botschafter am besten für unsere Bank einstehen könnt. Gemeinsam können wir nach dem bedauernswerten Untergang der Credit Suisse dazu beitragen, dass die Schweiz und UBS beide als Gewinner aus dieser Situation hervorgehen.
Keine Frage von «Too Big To Fail» mehr
Die Credit Suisse war eindeutig nicht zu gross, um zu scheitern – denn genau das tat sie. Wenn UBS die Credit Suisse nicht übernommen hätte, dann hätten, nach den Aktionären und Inhabern von AT1-Anleihen, auch die Inhaber nachrangiger TLAC-Instrumente im Wert von 48 Milliarden Franken weitere Verluste tragen können und müssen. Die Steuerzahler wären also geschützt gewesen. Laut Schätzungen des Financial Stability Board hätte die neue Bank nach dem besagten Wochenende und der Wandlung der TLAC-Instrumente rund das Vierfache dessen an Kapital gehabt, was zur Erfüllung der bereits sehr anspruchsvollen Schweizer Regeln notwendig gewesen wäre. Ich bin daher heute mehr denn je davon überzeugt, dass es möglich gewesen wäre, aus der Credit Suisse eine wesentlich kleinere, gut kapitalisierte Schweizer Bank mit gewissen internationalen Aktivitäten in der Vermögensverwaltung zu machen.
Die Credit Suisse hätte also abgewickelt werden können. Zu diesem Schluss kommen auch tatsächliche Bankexperten und Regulierungsorgane wie die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, nachdem sie die Tatsachen analysiert haben, die in den vergangenen zwei Jahren ans Licht gekommen sind.
Deswegen fühlt es sich für mich auch ein bisschen überholt an, die gegenwärtige Diskussion in der Schweiz unter dem Titel «Too big to fail» zu führen. Denn dies berücksichtigt weder die erheblichen Fortschritte, die wir seit der Finanzkrise gemacht haben, noch die 1,5 Milliarden USD, die wir zwischen 2014 und 2019 in die Anpassung der Rechtsstruktur unserer Bank investiert haben, um die Abwicklungsplanung zu stärken.
UBS war Teil der Lösung
Die Schweizer Behörden entschieden sich im März 2023 für eine andere – meiner Meinung nach bessere – Option. Während ich einerseits erleichtert war, nicht an der Abwicklung der Credit Suisse mitwirken zu müssen, war ich andererseits auch froh darüber, dass wir in der Schweiz in der Lage waren, ein hausgemachtes Problem ohne Hilfe von aussen zu lösen – und dass UBS aufgrund ihres erfolgreichen Geschäftsmodells und ihrer starken Kapitalposition Teil der Lösung sein konnte.
Einige Tage später wurde ich gebeten, in meine frühere Position bei unserer Bank zurückzukehren, die Integration zu leiten und die kombinierte Bank für eine erfolgreiche Zukunft zu positionieren. Mir war klar, dass eine solche Restrukturierung keine einfache Aufgabe ist. Gefragt sind harte Arbeit und Geduld von uns allen bei UBS, ebenso wie die Unterstützung unserer Aktionäre, die auf Gewinne von mehr als 15 Milliarden USD verzichten müssen, bevor sie irgendwelche Vorteile sehen. Dies – zusätzlich zu den 3,2 Milliarden USD, die wir für die Credit Suisse bezahlten – sind nämlich die tatsächlichen Kosten der Übernahme, was bei gewissen Berechnungen oft geflissentlich übersehen wird. Trotzdem war die Transaktion richtig, nicht nur für UBS und die Branche, sondern vor allem auch für die Schweiz. Aber im Rückblick hätte ich ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass uns das grösste Hindernis auf dem Weg zu nachhaltigem Erfolg ausgerechnet von denselben Behörden in den Weg gelegt werden würde, die uns gebeten hatten, zur Stabilisierung einer Situation beizutragen, die wir nicht verursacht haben.
Der Niedergang der zweitgrössten Schweizer Bank erfordert natürlich eine eingehende Diskussion über die Lehren aus der Krise. Darum haben UBS und ich persönlich seit Herbst 2023 unsere eigenen Analysen und Vorschläge für Regulierungsreformen unterbreitet, basierend auf den Lehren, die wir aus den Problemen der Credit Suisse gezogen haben. Wir müssen aber auch anerkennen, dass eine übermässige Verschärfung der regulatorischen Anforderungen weitreichende Folgen haben würde, die sich längst nicht nur auf die Bilanz der davon betroffenen Bank beschränken.
Die Gesetzes- und Verordnungsentwürfe, die der Bundesrat mit Unterstützung der Behörden, einschliesslich Finma und der Schweizerischen Nationalbank, in den kommenden Wochen publizieren wird, werden sich potenziell auf Schweizer Haushalte, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und den nationalen Wohlstand auswirken. Und zwar nicht nur heute – die Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, sind massgeblich für künftige Generationen von Schweizer Familien, Unternehmern und Mitarbeitenden der Finanzbranche. Daher sollten diese Entscheidungen auf Fakten beruhen, nicht auf Emotionen, Ideologien oder Versuchen, institutionelle Verantwortlichkeiten zu verwässern.
Verstehen, warum bestehende Gesetze nicht umgesetzt wurden, statt neue zu erlassen
Glücklicherweise kann die breitere Öffentlichkeit ihre Meinungsbildung jetzt ebenfalls auf umfassende Untersuchungen abstützen. Die vom Bundesrat beauftragte Expertengruppe «Bankenstabilität» hat eine Analyse vorgelegt, die meiner Meinung nach grössere Aufmerksamkeit vonseiten der Öffentlichkeit und in der politischen Debatte verdient. Ausserdem liegt uns die Untersuchung der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zu den Ursachen der Krise vor. Beide stellen klar, dass das Scheitern der Bank keine Folge eines fehlerhaften Regulierungssystems war. Die kombiniert mehr als 600 Seiten umfassenden Berichte schildern die Geschichte eines Instituts, das zu lange ein nicht nachhaltiges Geschäftsmodell und eine falsche Strategie verfolgt hat. Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist, dass sich die Credit Suisse dank erheblicher Zugeständnisse der Regulierungsbehörden durchlavieren und eine Disziplinierung durch den Markt vermeiden konnte.
Diese Fakten beweisen, dass die Kapitalanforderungen in der Schweiz robust genug sind – aber nur, wenn sie effektiv durchgesetzt werden, was bei der Credit Suisse nicht der Fall war. Daher ist es sinnlos, über neue Regeln zu diskutieren, ohne zu verstehen, warum die bestehenden nicht zur Anwendung kamen.
Aus dem PUK-Bericht und anderen Analysen können wir entnehmen, dass die Credit Suisse – sofern diese Zugeständnisse zeitlich befristet und an strengere Auflagen gebunden gewesen wären und die Bank sowie die Behörden diese konsequent offengelegt hätten – schon viel früher gezwungen gewesen wäre, ihr Geschäftsmodell anzupassen. Dann hätten wir wahrscheinlich heute immer noch zwei Schweizer Grossbanken.
Diese Fakten beweisen, dass die Kapitalanforderungen in der Schweiz robust genug sind – aber nur, wenn sie effektiv durchgesetzt werden, was bei der Credit Suisse nicht der Fall war. Daher ist es sinnlos, über neue Regeln zu diskutieren, ohne zu verstehen, warum die bestehenden nicht zur Anwendung kamen. Seien wir ehrlich: Wir fordern nicht jedes Mal nach dem Vergehen eines Einzelnen die Anpassung der Gesetze für alle. Wir fragen: Wie konnte das passieren? Wo war die Polizei? Das ist in diesem Fall nicht anders.
UBS hat nach der Krise von 2008 zwar einzelne Elemente des regulatorischen Rahmens hinterfragt, aber alle Auflagen umgesetzt, ohne irgendwelche Zugeständnisse gewährt zu bekommen. Viele von euch betonen in Kundengesprächen immer wieder die Bedeutung der Kapitalstärke von UBS – einem zentralen Pfeiler unserer Strategie. Der ultimative Beweis dafür, wie robust der regulatorische Rahmen der Schweiz – bei konsequenter Umsetzung – wirklich ist, ist die Tatsache, dass UBS im März 2023 in der Lage war, Hand zu bieten und den erstmaligen Kollaps einer global systemrelevanten Bank innerhalb von wenigen Monaten abzufedern.
UBS und das BIP – und weitere Behauptungen, die Schlagzeilen machen, aber Fakten weglassen
Obwohl die Berichte der PUK und der Expertengruppe aufgezeigt haben, was schiefgelaufen ist, gibt es immer noch einige Stimmen, die Mythen verbreiten, welche die Debatte über die Regulierungsreform verzerren. Einige davon werden den Tatsachen einfach nicht gerecht, so etwa die Behauptung, UBS würde von einer impliziten Staatsgarantie profitieren. In diesem Fall beweisen die höheren Marktzinsen, die UBS im Vergleich zur Eidgenossenschaft zahlt, dass keine solche Garantie existiert. Gerade weil wir keine Staatsgarantie haben, zahlt UBS jährlich 250 Basispunkte oder rund 3 Milliarden USD netto an zusätzlichen Finanzierungskosten über dem Zinssatz von Schweizer Staatsanleihen.
Ebenso wichtig ist es, dass wir uns nicht auf selektive Informationen oder willkürliche Kennzahlen abstützen, die bestimmten Partikularinteressen dienen oder die besonderen Eigenschaften der Schweizer Wirtschaft ausser Acht lassen. Am häufigsten ist der vereinfachende Vergleich der Bilanz von UBS mit dem Bruttoinlandprodukt (BIP) der Schweiz.
Isoliert betrachtet, kann ich verstehen, warum eine solche Kennzahl Fragen aufwirft. Dasselbe würde aber auch auf den Vergleich der Bilanzsumme der Schweizerischen Nationalbank mit dem BIP der Schweiz zutreffen. Oder die Pro-Kopf-Verschuldung der Schweiz, die weltweit die höchste ist. Kündigt eine dieser Zahlen ein potenzielles Ende der wirtschaftlichen Stabilität unseres Landes an? Natürlich nicht. Sie widerspiegeln Eigenheiten der Schweiz. Aus dem Zusammenhang gerissen aber können solche Informationen als Propaganda eingesetzt oder dazu genutzt werden, ungerechtfertigte Ängste zu schüren.
Nebenbei bemerkt, liegt die Grösse der Schweizer Wirtschaft laut dem Internationalen Währungsfonds etwa auf Rang 20 weltweit. Ist es da wirklich so verwunderlich, dass auch UBS sich auf dem 20. Platz unter den weltweit grössten Banken befindet?
Tatsache ist, dass die Schweiz nach vielen wirtschaftlichen Massstäben weit über ihrer Gewichtsklasse kämpft. Das ist alles andere als selbstverständlich, und wir können stolz sein darauf. Wir sind wohlhabender als alle unsere Nachbarländer, und unser Pro-Kopf-BIP ist doppelt so hoch wie das in Deutschland oder Frankreich. Die Kapitalisierung unseres Aktienmarktes ist höher als jene von Italien, Spanien und Österreich zusammen. Diese Fakten sind ganz sicher kein Grund zur Sorge. Keine einzelne Kennzahl kann ein Gesamtbild liefern – dazu ist eine eingehendere Analyse erforderlich. Das Gleiche gilt, wenn wir über die Grösse von UBS im Vergleich zum Schweizer BIP sprechen.
Nebenbei bemerkt, liegt die Grösse der Schweizer Wirtschaft laut dem Internationalen Währungsfonds etwa auf Rang 20 weltweit. Ist es da wirklich so verwunderlich, dass auch UBS sich auf dem 20. Platz unter den weltweit grössten Banken befindet? Die Schweiz ist ein Überflieger – warum sollten wir nicht beide in der Champions League spielen?
Unterstützung für eine gezielte, verhältnismässige und international abgestimmte Reform
Obwohl ich der Ansicht bin, dass die aktuelle Regulierung für Banken wirksam ist, müssen wir uns weiterentwickeln, damit sich Ereignisse wie jene vom März 2023 nicht wiederholen. Darum unterstützen wir die Vorschläge des Bundesrates, solange sie, wie der Bundesrat selbst fordert, gezielt, angemessen und international abgestimmt sind. Insbesondere darf es einzelnen Akteuren – seien es Banken oder die für deren Überwachung zuständigen Behörden – nicht erlaubt sein, Regulierungsbestimmungen flexibel nach eigenem Gutdünken zu interpretieren.
Deshalb habe ich mich auch seit dem Herbst 2023 immer wieder für regulatorische Anpassungen ausgesprochen, welche die Stabilität des Schweizer Finanzplatzes zusätzlich stärken würden:
Zuerst müssen wir die jeweiligen Zuständigkeiten klarer definieren sowie Management und Verwaltungsrat stärker in die Verantwortung nehmen (sog. «Senior Managers Regime»). Hier unterstützen wir Massnahmen, damit Vergütungszahlungen nicht nur verfallen, sondern auch zurückgefordert werden können, verbunden mit verstärkten Möglichkeiten für rechtliche Sanktionen gegen Personen, die ihre Pflichten vernachlässigen. Damit würde die Schweiz dem Beispiel anderer wichtiger Jurisdiktionen folgen.
Zweitens müssen wir in der Lage sein, potenzielle Schwächen früher zu identifizieren. Stresstests mit öffentlich zugänglichen Ergebnissen, wie sie in den USA und anderen Ländern üblich sind, können die Stärken und Schwächen einzelner Finanzinstitute besser sichtbar machen.
Beispielsweise hätte eine klarere Kommunikation der Schweizerische Nationalbank in ihrem jährlichen Finanzstabilitätsbericht während der Jahre vor dem Zusammenbruch der Credit Suisse sicherlich geholfen. Wenn sie darauf hingewiesen hätte, dass das Stammhaus der Credit Suisse seine Kapitalanforderungen nur dank weitreichender regulatorischer Zugeständnisse erfüllte, hätte dies sehr wahrscheinlich dazu geführt, dass die Bank dazu gezwungen gewesen wäre, ihre Kapitalposition oder ihr Geschäftsmodell anzupassen. Durch eine Stärkung der Marktdisziplin würden wir auch das Risiko und die Auswirkung von möglichen Fehleinschätzungen der Aufsichtsbehörden verringern.
Das ist wichtig, weil nicht nur die Höhe der veröffentlichten Eigenkapitalquote zählt, sondern auch die Umsetzung und die Qualität des dafür geltenden Rahmens. Wir unterstützen zum Beispiel Anpassungen in Bezug auf die Berücksichtigung des Werts von Tochtergesellschaften und befürworten auch einige Elemente, die zur Verbesserung der Verlustabsorptionsfähigkeit beitragen.
Wir sollten ausserdem anerkennen, dass die bestehenden Schweizer Kapitalanforderungen bereits zu den strengsten weltweit gehören. Die Fähigkeit von UBS, die Credit Suisse zu stabilisieren und innerhalb weniger Tage die Finanzstabilität wiederherzustellen, bestätigt dies. Unsere Analysen im Nachgang zur Krise haben auch gezeigt, dass eine konsequente Anwendung geltender Eigenmittelvorschriften bei der Credit Suisse – verbunden mit einer vorsichtigen Bewertung ausländischer Tochtergesellschaften – ausgereicht hätte, um die erheblichen Verluste zu decken.
Darüber hinaus hat die Schweiz die letzte Runde der Basel-III-Vorschriften früher und umfangreicher umgesetzt als die EU, Grossbritannien und die USA, wo die Tendenz eher zu einer Lockerung der Vorschriften als zu einer Verschärfung geht. Aktuell halten wir rund 10 Prozent mehr Eigenkapital als unsere internationalen Mitbewerber für die gleichen Risiken, was für uns und die Schweizer Wirtschaft bereits einen Nachteil darstellt.
Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit – ohne Wohlstandsverluste
Prinzipiell besteht eine der wichtigsten Lehren aus dem Zusammenbruch der Credit Suisse darin, dass die Abwicklungsfähigkeit einer Bank gewährleistet sein muss, ohne dass die Wirtschaft und die Steuerzahler darunter leiden – und dass die Öffentlichkeit ebenfalls davon überzeugt ist. Die Sanierungs- und Abwicklungsplanung von UBS wurde durch die Finma bereits überprüft und gutgeheissen. Aber es ist klar, dass wir als Bank, ebenso wie die Schweizer Aufsichtsbehörden, noch mehr Aufklärungsarbeit leisten und aufzeigen müssen, wie eine Abwicklung in der Praxis ohne Folgekosten für den Steuerzahler funktionieren würde.
Seit ich wieder als CEO von UBS im Amt bin, nutze ich daher jede Gelegenheit zum Gespräch mit Stakeholdern auf allen Stufen – nicht nur mit vielen von euch und mit Familie und Freunden, sondern auch mit Kundinnen und Kunden, Politik und Medien. Als Bank haben wir die aus der Credit-Suisse-Krise gewonnenen Erkenntnisse auch proaktiv mit dem Finanzdepartement sowie anderen Behörden geteilt. Ziel muss sein, dass Risiken früh genug erkannt und potenzielle Sanierungsmassnahmen zusammen mit glaubwürdigen Optionen für eine Abwicklung rechtzeitig auf den Weg gebracht werden können.
Wir ergreifen daher weitere Massnahmen, um noch besser gegen Krisen gewappnet zu sein. Dabei stützen wir uns auf ein Polster von 185 Milliarden USD – unsere gesamte Verlustabsorptionsfähigkeit. Um dies in Relation zu setzen: Das ist fast das Vierfache der Verluste, die UBS in den drei Jahren nach der Finanzkrise von 2008 verzeichnet hat. Damals machte das Investment Banking fast drei Viertel unserer Bilanz aus – im Vergleich zu aktuell 29 Prozent für die kombinierte Bank. Die Investment Bank darf ausserdem nur noch maximal 25 Prozent der risikogewichteten Aktiven des Konzerns beanspruchen. Zudem ist UBS dank unseres heutigen Geschäftsmodells viel sicherer als vor der Krise. So stammen rund 60 Prozent unserer Erträge aus der Vermögensverwaltung und 20 Prozent aus der Schweizer Universalbank. Und unsere diversifizierte Bilanz verschafft uns eine Ausnahmestellung unter den systemrelevanten Banken weltweit.
Im unwahrscheinlichen Fall einer Abwicklung, muss die Zentralbank in einer erweiterten Rolle als Lender of Last Resort fungieren. Deshalb begrüssen wir die Einführung eines Public Liquidity Backstop (PLB), um die Schweiz mit internationalen Best Practices in Einklang zu bringen und die Widerstandsfähigkeit unseres Bankensystems zu stärken. Dies würde eine geordnete Abwicklung erleichtern – aber erst nachdem die Anteile von Aktionären, Inhabern von AT1-Anleihen, TLAC-Anleihen und die aufgeschobenen Vergütungen von Bankmanagern wertlos geworden sind. Genau aus diesem Grund besteht weder eine Staatsgarantie noch ein Moral Hazard im Sinne falscher Anreize.
Schliesslich unterstützen wir auch eine Stärkung der Finma. Während sie bereits über weitreichende Befugnisse verfügt, sollten diese genauer definiert werden, insbesondere in Bezug auf ihre Rolle bei der Durchsetzung von regulatorischen Anforderungen und beim «Senior Managers Regime». Die Aufsichtsbehörde verfügt durchaus über eine ganze Palette von Kompetenzen, um bei Bedarf zu intervenieren. Beispielsweise begrenzte die Finma in den letzten 15 Jahren in einigen Fällen den Bonuspool in bestimmten Bereichen von UBS, verfügte die Liquidation diverser Banken, hinderte eine Privatbank mittlerer Grösse daran, bestimmte Auslandskunden zu akzeptieren, und schränkte die Geschäftstätigkeit einer ausländischen Bank ein.
Sie hat auch die Befugnis, die variable Vergütung, Dividenden und Aktienrückkäufe zu begrenzen, falls eine Bank die Kapitalanforderungen nicht nachhaltig erfüllt. Wie wir jedoch aus dem PUK-Bericht wissen, genehmigte die Finma bei der Credit Suisse Vorschläge für Vergütungen sowie Ausschüttungen an Aktionäre und liess zu, dass durch nicht nachhaltig tragbare regulatorische Zugeständnisse eine schwache Eigenkapitalsituation entstand.
Ein starkes Geschäftsmodell ist die sicherste Basis für Stabilität
UBS verfolgt seit 2012 ein Geschäftsmodell, das sich auf die Vermögensverwaltung konzentriert und vollständig im Einklang mit der strategischen Vision des Bundesrats für den Finanzplatz Schweiz steht. Deshalb bewerten die Aktionäre UBS mit einem Bewertungsaufschlag. Wir haben keinerlei Absicht, von dieser bewährten Strategie abzuweichen. Selbst wenn es dazu kommen sollte, würde dies zuallererst den Aktionären auffallen, die uns dafür abstrafen würden. Dies sollte auch diejenigen Beobachter beruhigen, die potenzielle Fehlentscheidungen zukünftiger Manager unserer Bank befürchten, und auch die jungen Talente, die zu UBS kommen und auf eine lange und erfolgreiche Karriere hoffen.
Einer der Pfeiler unserer Strategie ist die Kapitalstärke und eine in jedem Umfeld solide und widerstandsfähige Bilanz. Für unsere Strategie wird dies weiter wichtig bleiben, sodass UBS auch zukünftig Schweizer Privathaushalte und Unternehmen mit den Krediten unterstützen kann, die sich derzeit auf 350 Milliarden Franken belaufen.
Eine Anhebung der Eigenmittelanforderungen würde diese Dienstleistungen verteuern und im Laufe der Zeit unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit verringern. Dies hätte auch Auswirkungen für uns als drittgrösster privater Arbeitgeber, auf die von UBS und ihren Beschäftigten bezahlten Steuern (2023 waren es 2,5 Milliarden Franken), auf unsere Fähigkeit, junge Talente auszubilden (derzeit ~2300 Aus- und Weiterbildungsplätze), und auf unser Engagement für die Gemeinschaft. Die These, dass mehr Kapital in jedem Fall besser ist, stellt eine grobe Vereinfachung dar. Und unseres Wissens wurde noch nie eine seriöse Kosten-Nutzen-Analyse zu den Auswirkungen höherer Eigenmittelvorschriften in der Schweiz durchgeführt, schon gar nicht von denen, die für eine substanzielle Erhöhung plädieren. Für eine glaubwürdige Analyse wären umfangreiche Daten und weitere Inputs von UBS notwendig, die wir gerne zur Verfügung stellen.
Wenn unsere Kapitalerträge nicht mehr mit jenen globaler Mitbewerber Schritt halten können, werden wir für Aktionäre weniger attraktiv sein, was nicht minder beunruhigend ist. Denn dies hätte einige unerwünschte Folgen. Zum Beispiel würde die Bereitschaft der Aktionäre sinken, unsere erste Verteidigungslinie zu sein, falls es in einer makroökonomischen Krise auf globaler Ebene oder in der Schweiz notwendig werden sollte. Hier handelt es sich um eine weitere wichtige Lehre aus der Credit-Suisse-Krise. Als die Investoren nicht mehr an das Überleben der Bank glaubten, gab es kein Zurück mehr.
Das Ende der Credit Suisse zeigt auch, dass es nichts Schlimmeres gibt als eine Bank, die jahrelang keine nachhaltigen Gewinne erzielt, zu riskante Geschäfte tätigt und so letztlich ihre Reputation schwer beschädigt.
Eine Zukunft sichern, die allen zugute kommt
Die anstehende Debatte muss mit Nachdruck geführt werden. Doch wie ich im letzten Jahr in der NZZ schrieb, müssen wir mutig und nicht ängstlich sein, wenn wir in die Zukunft blicken. Viele Menschen in unserem Land sehen nur die Gefahren einer Grossbank. Nach allem, was bei der Credit Suisse passiert ist – und bei UBS während der Finanzkrise –, kann ich das verstehen. Zu oft sehen wir jedoch einen selektiven Umgang mit Fakten. Damit werden die vielen Vorteile, die ein leistungsfähiger Finanzplatz mit einer international wettbewerbsfähigen Bank im Zentrum mit sich bringt, leider ausgeblendet.
Ich glaube auch, dass dies ein Moment ist, in dem die Vorzüge unseres Landes besonders gut zur Geltung kommen. Die Schweiz gilt als Hort der Stabilität, wo in aller Regel Praktikabilität und Vernunft statt Extremvarianten den politischen Entscheidungsprozess prägen.
Kundinnen und Kunden sagen mir, dass eine Bank in der Schweiz, die international vernetzt ist und über ein führendes Angebot von Produkten und Dienstleistungen verfügt, von grossem Nutzen für sie ist. Und sie sagen mir, dass ein funktionierendes Ökosystem, welches Business, Innovation und Unternehmertum verbindet, auf eine Bank wie UBS angewiesen ist.
Ich glaube auch, dass dies ein Moment ist, in dem die Vorzüge unseres Landes besonders gut zur Geltung kommen. Die Schweiz gilt als Hort der Stabilität, wo in aller Regel Praktikabilität und Vernunft statt Extremvarianten den politischen Entscheidungsprozess prägen. Diesen Ruf sollten wir nicht aufs Spiel setzen. Vor diesem Hintergrund bin ich sehr motiviert, mich weiter für den Finanzplatz Schweiz zu engagieren, auch im Interesse künftiger Generationen. Ich sehe UBS im Zentrum eines lebendigen, diversifizierten Finanzplatzes, der auch die vielen aus dem führenden Schweizer Forschungsumfeld entstehenden Start-ups unterstützt – ein Trend, der sich angesichts KI und anderer Technologien noch verstärken wird. Wir sind in der Schweiz verwurzelt und global vernetzt. Dank dieser Kombination wäre UBS gut positioniert, um ihre Stellung als wichtiger Pfeiler des Finanzplatzes zu stärken und auch für die kommenden Jahrzehnte Jobs, Steuereinnahmen und Innovationen zu generieren.
Das Parlament wird letztlich entscheiden, wie die regulatorischen Anforderungen für UBS in Zukunft aussehen. Wir werden uns weiterhin konstruktiv in die Debatte mit allen Beteiligten einbringen, damit Chancen und Risken eines international relevanten Schweizer Finanzzentrums sorgfältig gegeneinander abgewogen werden können. Ich hoffe, dass wir in der Frage der Finanzmarktregulierung einmal mehr unsere gut schweizerische Problemlösungskompetenz unter Beweis stellen werden.
So oder so konzentrieren wir uns auf die Zukunft und das, was wir beeinflussen können. Unsere Priorität ist die vollständige Integration der Credit Suisse und die Bedienung aller Kundinnen und Kunden aus einer Hand. Gleichzeitig müssen wir uns den Herausforderungen stellen, die disruptive Innovationen wie KI mit sich bringen. Wir müssen sicherstellen, dass UBS und der Schweizer Finanzplatz dabei führend bleiben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich bin euch allen sehr dankbar, dass ihr während der gesamten Integration den Fokus aufrechterhalten habt – euer Engagement bleibt enorm wichtig in der bevorstehenden und entscheidenden Etappe.
Dank eures Engagements und eurer anhaltenden Unterstützung stehe ich nach wie vor fest zu dem Versprechen, welches unser Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher und ich der Schweizer Öffentlichkeit beim Abschluss der Übernahme der Credit Suisse am 12. Juni 2023 abgegeben haben: «Wir konzentrieren uns auf unsere Kundinnen und Kunden – Privatpersonen, Unternehmer, Firmen – und helfen ihnen dabei, ihr Vermögen zu schützen und aufzubauen und ihre Ziele zu erreichen. Gemeinsam werden unsere Stärken und Fähigkeiten noch mehr zum Tragen kommen. Wir werden auf der Grundlage von Fakten entscheiden und dabei alle Aspekte berücksichtigen. Wir setzen weiterhin auf unsere starke UBS-Unternehmenskultur, unseren konservativen Risikoansatz und unsere hohe Servicequalität – und werden dabei keinerlei Kompromisse eingehen.» Ich bin sicher, dass ihr alle euch weiterhin dafür engagiert.
Ich erinnere mich sehr gut an den verpassten Anruf aus Bern vor zwei Jahren. Damals trennten sich mein Club Collina d’Oro und Zug 94 mit einem Unentschieden von 1:1. Leider konnte am Ende der Saison keine der beiden Mannschaften die Meisterschaft für sich entscheiden.
In der Schweiz halten wir ein Unentschieden oder einen Kompromiss oft für ein akzeptables Ergebnis. Doch das ist nicht immer der Fall. Im Fussball gewann ein anderes Team den Pokal. Jetzt müssen wir uns dafür einsetzen, dass die Schweizer Wirtschaft, der Finanzplatz und unser Land als Ganzes in der Champions League bleiben, auch im Interesse der kommenden Generationen. Dazu braucht es eine «Team Schweiz»-Mentalität – miteinander für unser Land.

Diese Mitteilung ging an alle UBS-Mitarbeitenden aus Anlass des zweijährigen Jubiläums der Credit-Suisse-Akquisition. Der Text ist in englischer, deutscher, französischer und italienischer Sprache verfügbar