Umweltbedenken und Wirtschaftswachstum: Regierungen in die Verantwortung nehmen
Die Klimabewegung entstand aus dem Wunsch, die Regierungen zur Einhaltung ihrer Klimaversprechen zu bewegen. Nehmen sie die Sorge der jungen Menschen ernst und können sie sich vom Wachstumsmantra verabschieden?
Nobelpreisträger Bengt Holmström nennt es eine Generationenbewegung und vergleicht es mit den Protesten gegen den Vietnamkrieg und die Besetzung der ehemaligen Tschechoslowakei durch Russland. «Meiner Meinung nach hatten diese Proteste einen immensen Einfluss auf den damaligen Wandel der Gesellschaft», sagt er. «Eine einzelne Person kann unheimlich viel bewirken.»
Die von Greta Thunberg initiierte Bewegung Fridays for Future ist der Beweis dafür, dass sich ihre Generation aktiv gegen Ungerechtigkeit ausspricht. Doch auch wenn Millionen auf die Strasse gehen, um die Politik in die Pflicht zu nehmen, so muss diese immer noch mit konkreten Massnahmen reagieren.
Vollmundige Versprechungen, so Holmström, reichen oft nicht aus, um etwas zu bewegen. «Ich würde lieber klein beginnen und zeigen, dass es funktioniert. Etwas tun, das nachweislich wirksam ist und dann ausgeweitet werden kann.»
Er würde es begrüssen, wenn insbesondere Europa und die USA einen wirklichen Plan vorlegen und nicht nur vage Zusagen machen. «Ja, wir können uns Ziele setzen – 2050, bis dahin sollten wir klimaneutral sein», sagt er, «allerdings habe ich die starke Befürchtung, dass das Ziel in zu weiter Ferne liegt und die Leute einfach nur sagen ‹Okay. Das wird sich von selbst erledigen, denn wir haben es ja jetzt gesagt.›»
Die Bepreisung von CO2 wird von der Politik und nicht durch die Komplexität blockiert, argumentiert Jean Tirole, ebenfalls Nobelpreisträger. «Das Problem ist teilweise politischer Natur. Denn wir wissen, wie wir es lösen können – schliesslich haben wir bereits in der Vergangenheit andere Umweltprobleme gut bewältigt: Man muss den Dingen einfach einen Preis geben.»
Darüber hinaus muss die Last des Handelns gleichmässig verteilt werden, sagt Michael Kremer, der den Nobelpreis für seine Arbeit zur Bekämpfung der weltweiten Armut erhalten hat. «Wir sehen die Folgen des den Klimawandel bereits – teilweise können sie nicht mehr verhindert werden – und wir müssen den Menschen helfen, damit umzugehen. Wir in den reichen Ländern der Welt haben alle möglichen Mittel und Wege, um damit zurechtzukommen. Diese Mittel sind nicht perfekt, aber wir verfügen über einen gewissen Schutz. In den Entwicklungsländern gibt es davon oft nur sehr wenig.»
Er plädiert dafür, die Macht und den Reichtum des Einzelnen zu nutzen, um die Regierungen zur Verantwortung zu ziehen. Viele Menschen in den Entwicklungsländern verfügen nicht über diese Art von Macht, leiden jedoch überproportional an den Folgen des Klimawandels.
Bildung, so Tirole, ist der Schlüssel. »Eine Demokratie kann nur funktionieren, wenn ein gewisses Mass an Wissen vorhanden ist. Deshalb sind wir verpflichtet, unser Wissen nicht nur mit Experten, sondern auch mit der Allgemeinheit zu teilen.»
«Momentan», sagt Tirole, «sind wir rücksichtslos, wenn es um die nachfolgenden Generationen geht. Sie wählen nicht. Also zählen sie auch nicht. Das ist furchtbar. Das Pariser Klimaabkommen von 2015 – es liest sich fast genauso wie das, was 1992 in Rio vereinbart wurde. Wir wissen das seit langer Zeit und tun nichts.»
Führende Ökonomen sind sich einig, dass die Lage in der Welt es erschwert, mit grösserem Engagement voranzukommen. «Wir sehen immer mehr Nationalismus», sagt Michael Spence. «Das soll nicht heissen, dass ich nicht daran glaube, dass wir es schaffen, aber wir werden dadurch langsamer. Ich betrachte dies als einen Wettlauf zwischen Wirtschaftswachstum und einer Veränderung des Wachstumsmodells, die ausreicht, um den CO2-Anteil zu reduzieren. Aktuell glaube ich nicht, dass wir das Rennen tatsächlich gewinnen.»
Demokratie ist ein entscheidender Faktor für die Lösung der Klimakrise. Politiker, die vage Versprechen und Zusagen abgeben, müssen von den Bürgern in die Verantwortung genommen werden. Bürger, denen die Zukunft unseres Planeten am Herzen liegt, müssen Regierungsvertreter wählen, die in Bezug auf den Klimawandel etwas bewegen wollen und ihn nicht negieren, so Tirole. «Hoffentlich haben wir in Zukunft vernünftigere Regierungen, die aktiv etwas für den Klimaschutz tun wollen.»
Holmström sagt, die Klimabewegung lenke die Dinge in die richtige Richtung. «Die jungen Leute werden eine wichtige Rolle spielen, weil sie ihre ganze Energie da hineinstecken können. Es ist ihre Zukunft.»
Der norwegische Ökonom Finn Kydland merkt an, dass es unrealistisch ist, sich darauf zu verlassen, dass allein die Regierungen das Problem lösen werden. «Ich bin nicht allzu optimistisch, was die Politiker angeht», sagt er. Dennoch stellt er nicht in Abrede, dass es Handlungsmöglichkeiten gibt, und nennt sein Heimatland als Beispiel. Norwegen verfügt zwar über eine eigene Produktionsindustrie für fossile Brennstoffe, dennoch entschieden sich die Politiker dafür, Anreize für deren Verzicht zu setzen.
So führte die norwegische Regierung Subventionen für den Kauf von Elektroautos ein und richtete ausserdem in Grossstädten eine eigene Fahrspur für E-Fahrzeuge ein. «Diese Kombination günstigerer Autos und der Möglichkeit, schneller ans Ziel zu gelangen, hat sich als unglaublich beliebte Massnahme erwiesen.»
Nobelpreisträger Christopher Pissarides mahnt an, dass sich Klimaprobleme letztlich nicht durch internationale Grenzen aufhalten lassen. Die Länder müssten berücksichtigen, so Pissarides, «dass ihre Handlungen auch Einfluss auf die Luft, die Umwelt und das Wohlbefinden von anderen haben.» Wir sollten allerdings seiner Meinung nach nicht zu kritisch sein und optimistisch bleiben. «Ich schliesse mich nicht denen an, die behaupten, die Erde sei am Ende und man könne das vergessen.»
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