Inhalt:

  • Prüfen Sie Ihr Testament mit Blick auf das neue Erbrecht, da Sie nun freier über Begünstigungen entscheiden können.
  • Durch geringere Pflichtteile entstehen grössere Spielräume beim Vererben.
  • Pflichtteile für Eltern gibt es nicht mehr, sodass die Ehepartnerin oder der Ehepartner bevorzugt werden kann.
  • Konkubinatspaare müssen sich weiterhin durch einen Erbvertrag oder mit einem Testament gegenseitig begünstigen.
  • Zum Fazit
Vater und Sohn spazieren im Garten und unterhalten sich.

Revidiertes Erbrecht: die Änderungen im Detail

Das Parlament hat im Jahr 2020 die Revision des über 100 Jahre alten Erbrechts beschlossen. Am 1. Januar 2023 ist es in Kraft getreten. Damit hat sich die rechtliche Situation von Nachlassgeberinnen und -gebern sowie von Erbinnen und Erben in wichtigen Punkten geändert.

Reduzierter Pflichtteil für die Nachkommen

Die wichtigste Änderung bezieht sich auf verringerte Pflichtteile: Sie können nun über einen grösseren Teil Ihres Nachlasses frei verfügen. Wer ein Testament schreibt oder einen Erbvertrag abschliesst, hat neu auf folgende Pflichtteile Rücksicht zu nehmen:

  • Den Kindern bzw. bei Vorversterben deren Nachkommen steht nach der Erbrechtsrevision neu die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils zu. Zuvor betrug ihr Pflichtteil drei Viertel.
  • Der Pflichtteil der Ehegattin oder des Ehegatten respektive der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners bleibt unverändert und beträgt weiterhin die Hälfte des gesetzlich vorgesehenen Erbteils.
  • Der Pflichtteil der Eltern ist mit der Revision abgeschafft worden. Er betrug zuvor für jeden Elternteil die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils.

Die Änderung führt in dem Beispiel dazu, dass die Hälfte des gesamten Nachlasses im Testament frei verteilt werden kann. Das ist die sogenannte freie Quote. Bisher standen dafür nur drei Achtel zur Verfügung.

Kein Pflichtteil für die Eltern

Wenn Sie keine Nachkommen haben, sind von Gesetzes wegen die Eltern erbberechtigt. Den Eltern steht neu kein Pflichtteil mehr zu. Er ist vollständig weggefallen. Dadurch können Sie – wenn Sie es wünschen – Ihre Ehepartnerin oder Ihren Ehepartner, Ihre eingetragene Partnerin oder Ihren eingetragenen Partner bzw. Ihre Lebenspartnerin oder Ihren Lebenspartner als Alleinerbin/Alleinerben einsetzen, ohne Ihre Eltern zu berücksichtigen.

Änderung für Ehepaare in Scheidung

Eine weitere Neuerung betrifft Ehepaare, die in Scheidung leben. Vor der Revision verfiel der Erb- und Pflichtteilanspruch erst mit dem rechtskräftigen Scheidungsurteil. Bei einem Tod vor der rechtsgültigen Scheidung stand der hinterbliebenen Ehepartnerin bzw. dem hinterbliebenen Ehepartner mindestens noch der Pflichtteil zu.

Heute ist der Pflichtteilsschutz bereits aufgehoben, wenn das Scheidungsverfahren eingeleitet wird. Ein einfaches Testament genügt, um die in Scheidung stehende Ehepartnerin oder den in Scheidung stehenden Ehepartner vollständig vom Erbe auszuschliessen.

Auswirkungen bei Nutzniessung

Mit einem Testament oder einem Erbvertrag können Sie bestimmen, dass Ihre Ehegattin oder Ihr Ehegatte bzw. Ihre eingetragene Partnerin oder Ihr eingetragener Partner den gesamten Nachlass nutzen kann («Nutzniessung»). Gemeinsame Nachkommen können dadurch von ihrem geerbten Vermögen erst Gebrauch machen, wenn der zweite Elternteil verstirbt. Bei nicht gemeinsamen Nachkommen sind hingegen deren Pflichtteile zu beachten.

Die Reduktion des Pflichtteils für Nachkommen hat Folgendes zur Folge: Ihrer hinterbliebenen Ehegattin oder Ihrem hinterbliebenen Ehegatten dürfen Sie nun die Hälfte und nicht nur ein Viertel des Nachlasses zum Volleigentum zusprechen. Entsprechend widmen Sie ihr oder ihm die eine Hälfte zu Eigentum und die andere Hälfte des Nachlasses zur Nutzniessung.

Schenkungsverbot bei Erbvertrag

Jenseits von Gelegenheitsgeschenken besteht nach Abschluss eines Erbvertrags ein Schenkungsverbot. Dies gilt auch bei bereits abgeschlossenen Erbverträgen. Erfolgen dennoch Schenkungen, ohne im Erbvertrag ausdrücklich vorgesehen zu sein, können sie angefochten werden. Zuvor galt Schenkungsfreiheit.

Säule 3a gehört nicht zum Nachlass

Angesparte Guthaben der Säule 3a gehören im Todesfall nicht den Erben, sondern den Begünstigten. Schon bisher war rechtlich unbestritten, dass Vorsorgeguthaben bei einer Versicherungseinrichtung der Säule 3a nicht in den Nachlass fallen. Neu ist explizit festgehalten, dass auch Vorsorgeguthaben bei Bankstiftungen nicht in den Nachlass fallen. Die Revision des Erbrechts führte zu dieser Klarstellung.

Dennoch werden Ansprüche aus der Säule 3a im Umfang des Rückkaufswerts bei der Versicherung und des ausbezahlten Kapitals (Bankenlösung) der Pflichtteilsberechnungsmasse hinzugerechnet. Auch Begünstigungen aus rückkaufsfähigen Versicherungen der Säule 3b werden so behandelt. Verweisen Sie am besten im Testament auf Begünstigungsanordnungen, die Sie bei der Vorsorgeeinrichtung hinterlegt haben.

Heute starten, morgen zurücklehnen

Haben Sie sich schon Gedanken über Ihre Vorsorge gemacht? Sehr gut, denn je früher Sie anfangen, desto besser. Schon aus kleinen Beträgen können später grosse Summen werden. Und das Beste: Mit Einzahlungen in die Säule 3a sparen Sie gleichzeitig Steuern.

Güterrechtliche Auseinandersetzung

Im Todesfall kommt es zunächst zur güterrechtlichen Auseinandersetzung unter den Eheleuten. Wenn nicht mit einem Ehevertrag etwas anderes vereinbart wurde, gelten dabei die gesetzlichen Regeln über die Errungenschaftsbeteiligung. Demnach stehen der Witwe oder dem Witwer ihre jeweiligen Eigengüter sowie die Hälfte der erzielten Errungenschaft zu. Die andere Hälfte sowie das Eigengut der oder des Verstorbenen bildet den Nachlass, der unter den Erbberechtigten verteilt wird.

Die Eheleute können von dieser Regelung per Ehevertrag abweichen und bestimmen, dass sie sich im Todesfall gegenseitig die gesamte Errungenschaft zuweisen. Die Gesetzesrevision hat nun klargestellt, dass der über die Hälfte hinaus zugewiesene Teil bei gemeinsamen Nachkommen nicht für die Pflichtteilsberechnung herangezogen wird. Diese erhalten dann nur ihren Erbanteil aus dem hinterlassenen Eigengut des verstorbenen Elternteils.

Was ist gleich geblieben?

Das neue Erbrecht hat einige der vorherigen Regeln unangetastet gelassen. Beispielsweise hat die gesetzliche Erbfolge, die ohne Testament oder Erbvertrag angewendet wird, weiterhin Bestand.

Die Revision setzt zudem Testamente und Erbverträge, die vor dem 1. Januar 2023 bestanden, nicht ausser Kraft. Sie bleiben gültig. Aber: Auch für sie gelten bei einem Todesfall nach dem 1. Januar 2023 die neuen Regeln, etwa für die Pflichtteile. Pflichtteile nach altem Recht müssen im Testament oder Erbvertrag fixiert werden.

Ohne Testament gilt unverändert die gesetzliche Erbfolge

Haben Sie kein Testament und keinen Erbvertrag verfasst, wird Ihr Nachlass unverändert nach der gesetzlichen Erbfolge verteilt. Geändert haben die Pflichtteile; nicht aber, wer erbberechtigt ist und wie gross die gesetzlichen Erbquoten sind.

  • Wenn Sie verheiratet sind und Kinder haben, wird nach Ihrem Tod zuerst eine güterrechtliche Teilung unter den Eheleuten vorgenommen.
  • Vom Nachlass geht die eine Hälfte an den überlebenden Teil des Ehepaars.
  • Die andere Hälfte erhalten die Kinder.

Weiterhin kein gesetzliches Erbrecht beim Konkubinat

An der Stellung von Konkubinatspartnern hat die Revision des Erbrechts ebenfalls nichts geändert. Diese haben weiterhin kein gesetzliches Erbrecht. Wollen Sie Ihre Konkubinatspartnerin oder Ihren Konkubinatspartner begünstigen, müssen Sie weiterhin testamentarische oder vertragliche Regelungen treffen.

Auch an der steuerlichen Situation hat sich nichts geändert: Je nach Kanton ist die Erbschaft an eine Konkubinatspartnerin oder einen Konkubinatspartner steuerfrei oder wird weiterhin mit Erbschaftssteuern bis zu 50 Prozent belastet.

Fazit

Das neue Erbrecht erweitert Ihre Spielräume. Es erleichtert die Begünstigung von Wunschpersonen, etwa im Konkubinat, oder von Organisationen wie Stiftungen und Vereinen gegenüber den Pflichterben. Die Änderungen sollten Sie zum Anlass nehmen, um Ihr Testament – sofern bereits vorhanden – zu überprüfen: Wollen Sie aufgrund der grösseren Freiheiten die Umverteilungen ändern? Sind Ihre Verfügungen in Bezug auf die Pflichtteile auch nach dem neuen Erbrecht klar formuliert? Oder brauchen Sie Ergänzungen für ein allfälliges Scheidungsverfahren?

Wissenswertes für Sie

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